News: Der Wal und seine Zunge
Für Wale ergibt sich ein Problem: Ihre ungeschützte Zunge ist bei der Nahrungsaufnahme direkt der niedrigen Temperatur des Umgebungswassers ausgesetzt. Jetzt wurde der Mechanismus entdeckt, mit dem sich die Wale vor Unterkühlung schützen.
Stellen Sie sich ein Lebewesen mit einem Maul vor, so groß wie bei einem Wal, das aus Günden der Nahrungsaufnahme in kaltem Wasser mit offenem Mund herumschwimmen muß. Dann wird klar, warum unter diesen Umständen der Wärmeverlust durch die Zunge, einen wichtigen Faktor darstellt. Bei einem Wal wird der Großteil des Körpers durch dicke Fettschichten isoliert: ausgenommen die Zunge. Diese stellt damit, zum Beispiel bei einem Grauwal (Eschrichtius robustus), etwa zwei Quadratmeter ungeschütztes Fleisch dar. In einem in Science veröffentlichten Bericht werden spezialisierte Blutgefäße in der Zunge beschrieben, die als eine Art Wärmeaustauscher funktionieren. Sie reduzieren den Wärmeverlust durch das Maul. Bei ihrer Untersuchung der Zungen zweier toter Grauwalkälber fanden John E. Heyning vom Natural History Museum of Los Angeles County und J. G. Mead vom National Museum of Natural History in Washington DC zahlreiche Bündel von Blutgefäßen in der ganzen Zunge. Diese Bündel bestehen aus einer zentralen Arterie (welche das sauerstoffreiche Blut anliefert), umgeben von einem Cluster von Venen (in denen das Blut wieder zum Herzen zurückfließt). Einiges der Wärme des ankommenden Blutes wird an das kalte Blut abgegeben, das von der Zunge zurückkehrt. Um den Wärmeaustausch zu unterstützen, wird der Blutfluß von einer Ansammlung von Blutadern verlangsamt, die sich vor allem im Querschnitt und an der Zungenoberfläche finden. Die Forscher stellten die Zungentemperatur von fressenden Walen fest – schon ein Kunststück für sich – und fanden heraus, daß sie nur um Weniges wärmer als die Temperatur des Wassers (15 Grad Celsius) rund herum war. Dagegen beträgt die Körpertemperatur des Wales selber etwa 35 Grad Celsius. Die geringe Differenz zwischen Zungentemperatur und Wasser beweist, daß nur wenig Wärme verloren geht. Darum können Grauwale in polaren Gewässern einigermaßen komfortabel Nahrung zu sich nehmen.
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