Ornithologie: Der warnende Duft von Erbrochenem
Was tun, wenn man ohne Eltern flugunfähig in einer engen Baumhöhle kauert, der sich ein Fressfeind nähert? Europäische Blauracken (Coracias garrulus) entscheiden sich in dieser Situation offensichtlich für eine Vorwärtsverteidigung mit chemischen Abwehrstoffen, wie Deseada Parejo von der Estación Experimental de Zonas Áridas im spanischen La Cañada de San Urbano und ihre Kollegen entdeckt haben: Die Küken des farbenprächtigen Zugvogels würgen ein übel riechendes, orange gefärbtes Sekret heraus, das ihre Eltern olfaktorisch warnt und wohl auch sich nähernde Beutegreifer abschreckt.
Sobald die Futter suchenden Altvögel den Duft des Erbrochenen wahrnehmen, handeln sie deutlich vorsichtiger im Nestumfeld, nähern sich diesem zögerlicher an und versorgen ihren Nachwuchs seltener als Tiere, deren Küken nicht bedroht wurden – aus guten Gründen: Der Angreifer könnte sich noch in der Umgebung oder sogar in der Bruthöhle selbst verstecken, wo ihn die anfliegenden Eltern im Dunkeln kaum wahrnehmen können. Ihr Verhalten belegt, dass zumindest auch manche Vogelarten den so genannten "Geruch der Angst" wahrnehmen, eine Eigenschaft, die man von dieser Tiergruppe bislang nicht kannte. Die Blauracken erkennen diesen Geruch zudem bereits aus einiger Entfernung, da sie ihr Verhalten vor dem Anfliegen des Brutplatzes änderten. Das testeten die Biologen auch, indem sie aktiv Nester mit dem Sekret besprühten, das sie an anderer Stelle gesammelt hatten: Der Geruch ließ die erwachsenen Blauracken stets zögern. Erst nach einiger Zeit nahmen sie die normale Versorgung ihrer Brut wieder auf.
Das Erbrochene wirkt damit zumindest für die Elterntiere lebensverlängernd, da sie wachsamer werden. Wahrscheinlich schützt es aber ebenso die Küken, da es ihren Geschmack verschlechtern dürfte, doch diese These müsse erst untersucht werden, so die Forscher. Neben den Blauracken setzen auch noch andere Vogelarten auf Erbrochenes oder Gestank, um Fressfeinde abzuwehren: Eissturmvögel (Fulmarus glacialis) sprühen Magenöle gegen nahende Angreifer, die nicht nur unangenehm riechen, sondern bei Vögeln das Gefieder wasserundicht machen. Löffel- (Anas acuta) und Eiderenten (Somateria mollissima) wiederum defäkieren über ihre Gelege, um damit Füchsen oder Mardern den Appetit zu vergällen. Zur innerartlichen Kommunikation wie bei den Blauracken dienen diese Signale aber nicht.
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