Haiforschung: Der Weiße Hai lebt deutlich länger
Bisher nahm man an, dass der Weiße Hai ein Alter von nicht viel mehr als 23 Jahren erreichen kann. Nun haben Forscher der Woods Hole Oceanographic Institution herausgefunden, dass er tatsächlich mehr als dreimal so alt wird. Bei dem ältesten von ihnen untersuchten Exemplar handelte es sich um ein etwa 73 Jahre altes Männchen. Zu diesem Schluss kamen die Haiforscher rund um Simon Thorrold, indem sie zwei bislang unabhängig voneinander verwendete Methoden der Altersbestimmung kombinierten.
Gängig war, das Alter von Fischen anhand einer Bänderung der Wirbelkörperquerschnitte zu schätzen – ganz ähnlich wie das Zählen der Jahresringe bei Bäumen. Jedes Jahr im Leben eines Haies soll solch ein neues "Wirbelband" hinzukommen. Das stimmt aber wohl nur für einige kleinere Arten: Bei den großen Weißen Haien sieht es anders aus. Nachdem sie ausgewachsen sind, verlangsamt sich irgendwann die jährliche Ablagerungsrate, und die Bänderung kann zu dünn und dadurch unleserlich werden. Klarheit brachte jetzt der Einsatz einer zweiten Methode, nämlich die Detektion des Kohlenstoffisotops 14C in den Haiwirbeln. Thorrold und seine Kollegen definierten damit einen "Zeitstempel" in der Wirbelbänderung. In den 1950er und 1960er Jahren gelangten nach den Atombombentests der Supermächte große Mengen schwach radioaktiven Kohlenstoffs-14 in die Weltmeere. Die Weißen Haie nahmen es mit ihrer Nahrung in ihr Körpergewebe auf. Da die Zellen der Wirbelkörper nicht wieder abgebaut werden, kann der erhöhte Kohlenstoff-14-Anteil bei entsprechend alten Tieren noch heute in den damals angelegten Wirbelbändern nachgewiesen werden. In Kombination mit der klassischen "Bänderzählmethode" lässt sich dadurch das Lebensalter der Haie neu bestimmen.
Mit einer Lebensspanne von 70 Jahren und mehr gehören die Weißen Haie zu den langlebigsten Knorpelfischen. Diese Information macht eine neue Bewertung vieler Vorstellungen über die Entwicklung der Tiere notwendig. Dazu gehören zum Beispiel ihre Wachstumsrate, der Zeitpunkt der Geschlechtsreife und Wachstumsunterschiede zwischen Männchen und Weibchen. All dies ist wichtig, um spezifische Strategien zur Arterhaltung und zum Schutz der Meeresräuber zu entwickeln. Denn je länger das Lebensalter der Haie ist, desto später gelangen sie zur Geschlechtsreife. Frühere Studien zeigten, dass sich Populationen Weißer Haie nur schwer von der Mortalität durch Beifang erholen können und deshalb die Gefahr des Aussterbens der Population besteht. Diese Gefahr ist umso höher, je später die Geschlechtsreife der Tiere erfolgt. Dadurch dauert es viel länger, bis wieder Nachwuchs da ist, um die Population zu erhalten.
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