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News: Der winzige Pfeil der Zeit

Im alltäglichen Leben bewegt sich die Zeit immer vorwärts. Ein zerbrochenes Glas beispielsweise fliegt nicht vom Boden zurück auf den Tisch und setzt sich wieder zusammen. Doch in der Welt der subatomaren Teilchen erscheinen die meisten Vorgänge selbst dann plausibel, wenn ein Film über sie rückwärts läuft. Jetzt haben zwei Wissenschaftlergruppen zum ersten Mal einige Szenen gefunden, die wirklich irreversibel sind. Der Zerfall von Kaonen und Antikaonen lieferte den ersten direkten Beweis für eine zeitliche Richtung bei subatomaren Abläufen.
Einst glaubten die Physiker, daß die Gleichungen der subatomaren Welt auch dann gleichbleiben würden, wenn die Zeit rückwärts abliefe. So könnten zum Beispiel die Produkte eines atomaren Zerfalls immer wieder zusammentreffen, so daß wieder ein vollständiges Atom entsteht (obgleich die Wahrscheinlichkeit hierfür sehr gering wäre). Diese Vorstellung fand jedoch im Jahre 1964 ihr Ende, als Wissenschaftler den seltsamen Zerfall eines Teilchens beobachteten, das als Kaon bezeichnet wird. Die als CP-Verletzung bezeichnete Beobachtung bedeutete, daß auch im Zoo der kleinsten Teilchen die Zeit eine Richtung hat. Nach dem CPT-Theorem sollten nämlich die Naturgesetze auch bei umgekehrtem Verlauf der Zeit gültig sein. Außerdem müßten Teilchen und Antiteilchen gleiche Lebensdauern haben. Die Verletzung einer Aussage des CPT-Theorems bedeutete gleichzeitig, daß die Invarianz gegenüber der Zeitumkehr verletzt wurde.

Diese Überlegung läßt sich überprüfen, indem die Geschwindigkeiten gemessen werden, mit denen ein Teilchen vom Zustand A in den Zustand B und wieder zurück wechselt und festgestellt, ob eine der beiden Richtungen schneller verläuft. Natürlich kann man nicht wirklich die Uhrzeiger zurückdrehen. Daher mißt man stattdessen die Rate, mit der B zu A wird. Das CPLEAR-Team in Genf, hat genau das mit Kaonen und Antikaonen getan. Diese Teilchen können ineinander übergehen.

Das Team benutzte eine große Spurkammer, um die Kaonen und Antikaonen zu erfassen, während diese in je ein Elektron, ein Pion und ein Neutrino zerfielen. Die Ladung des Elektrons verriet den Wissenschaftlern dabei, ob ein Kaon oder sein Antiteilchen zerfallen war. Die Rate der Umwandlung von Antikaonen in Kaonen war um den Bruchteil eines Prozents höher als für den angenommenen Prozeß der Zeitumkehrung (der Umwandlung von Kaonen in Antikaonen), wie die Gruppe in einer kommenden Ausgabe der Physics Letters B berichten wird. "Das zeigt, daß man die Uhr doch nicht rückwärts laufen lassen kann", und dabei immer das gleiche Ergebnis erzielt, sagt der Sprecher von CPLEAR, Panagiotis Pavlopoulos.

Das KteV-Team (Kaons at the Tevatron) vom Fermi National Accelerator Laboratory (Fermilab) in Batavia (Illinois) konnte mit einer anderen Methode sogar Unterschiede um 13 Prozent feststellen. Sie untersuchten den Zerfall eines Kaons in zwei Pionen und ein Gammaquant, aus dem durch Paarbildung ein Elektron und ein Positron, das dazugehörige Antiteilchen, hervorgehen. Aus der Orientierung des Elektron-Positron-Paares konnte auf die Polarisierung des Gammaquants und daraus auf die Asymmtrie der Zeit geschlossen werden.

Die beobachtete Zeitasymmetrie entspricht genau dem Wert zur Erklärung der CP-Verletzung, die erstmalig vor über drei Jahrzehnten beobachtet wurde. "Ich glaube, das hat wohl keinen überrascht, alle müßten sehr glücklich sein", bemerkt Jonathan Rosner, Theoretiker an der University of Chicago. Doch warum der Zerfall vorwärts und rückwärts sich überhaupt unterscheiden sollte, ist immer noch ein grundlegendes Geheimnis. Die Teilchen selbst (wie zum Beispiel die zerbrechender Weingläser) wissen anscheinend, daß der Lauf der Zeit nicht so leicht rückgängig zu machen ist.

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