Dass der Derveni-Papyrus überhaupt die Zeit überdauern konnte, ist bereits eine Sensation. Schließlich war er in der Antike zusammen mit seinem Besitzer, einem reichen Makedonier, verbrannt und beerdigt worden. Erst 1962 stießen Forscher unweit von Thessaloniki auf die antike Gruft – und eine der ältesten literarischen Schriften Europas.

Seither haben unzählige Forscher versucht, den teilweise bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Papyrus zu lesen. Jetzt endlich ist es griechischen Forschern gelungen, auch die letzten Teile der Schriftrolle zu entziffern. Wie Apostolos Pierris von der Universität in Patras mitteilte, konnten mit Hilfe moderner Methoden der Bildverarbeitung auch die Teile entziffert werden, auf denen, mit bloßem Auge betrachtet, gar kein Text zu stehen schien.

Offenbar stammt das Schriftstück aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. und enthält Informationen über den Ablauf von Zeremonien in jener Zeit. Zudem setzte sich der unbekannte Verfasser mit den in der griechischen Mythologie überlieferten Berichten des Orpheus in der Unterwelt auseinander und beschreibt die komplexen Vorstellungen über das Reich der Toten.

In der antiken Sagenwelt stieg König Orpheus in die Unterwelt hinab um seine tote Geliebte Eurydike zurückzufordern. Seinerzeit war aus diesen Vorstellungen der mystischer Kult des Orphismus entstanden.