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Synthetische Mikrobiologie: Designer-Eiweißfabriken erhöhen Kunstprotein-Vielfalt

Die Natur stellt zwar eine unerhört hohe, aber nicht unendliche Formenvielfalt an verschiedenen Eiweißen bereit. Das liegt auch daran, dass der Mannigfaltigkeit der theoretisch zahllosen Aminosäuren, die von den Ribosomenfabriken der Zelle zu einer Peptidkette verbunden werden können, durch den beschränkten genetischen Kode recht enge Grenzen gesetzt sind: Nur die 20 so genannten biogenen Aminosäuren sind in der natürlichen RNA-Sprache kodiert, bei der nur vier unterschiedliche Basen zu höchstens 43, also 64 verschiedenen Informationstripletts kombiniert werden können. Ein Forscherteam strebt nun aber an, viele weitere, ungewöhnliche Aminosäurentypen in künstliche Proteine zu integrieren: Sie füttern dazu gezielt veränderte Proteinsyntheseapparate mit einem Informationskode aus vier statt drei Basen.

Mit dem veränderten, aus Basen-Quadruplets bestehenden Kode könnten theoretisch 44, also weit mehr als 200 unterschiedliche Aminosäuren kodiert werden, rechnen Jason Chin von der Cambridge University und seine Kollegen vor. Allerdings muss dann der gesamte an der Entzifferung des üblichen Triplett-Kodes beteiligte Apparat gezielt modifiziert werden – das heißt die Ribosomen, die den Informationsträger aus Basen (die Boten-RNA) einlesen, und die Adaptermoleküle, die die passenden Aminosäuren im richtigen Augenblick anliefern und mit dem Kode abgleichen (die tRNAs), sowie auch die Enzyme, die diese tRNAs vorher hochpräzise mit der richtigen Aminosäure beladen (die tRNA-Synthetasen).

Chin und Kollegen widmeten sich zunächst einer dieser drei Herausforderungen, der Anpassung von Ribosomen an einen Vierer- statt Dreierkode. Dazu stellten sie durch gezielte Proteinveränderungen der ribosomalen 16-S-Untereinheit eines Ribosoms ein so genanntes "orthogonales Ribosom" her, das nur für es selbst spezifische, "orthogonale Boten-RNAs" erkennt und im aktiven Zentrum des Enzyms Raster von vier statt nur drei Nukleotiden so präsentiert, dass sie von spezifischen tRNAs effizient gelesen werden können.

Das fertige orthogonale Ribosom "Ribo-Q1" verarbeitete schließlich tatsächlich schnell und selbstständig mehrere aufeinander folgende Viererkodons auf künstlichen Boten-RNA-Schnipseln. Anschließend konstruierten die Forscher tRNAs mit den speziellen Viererantikodons wie UCCU und beluden sie mit ungewöhnlichen Aminosäuren wie Azido-Phenylalanin – woraufhin Ribo-Q1 diese Aminosäuren tatsächlich in die wachsende künstliche Peptidkette einbaute.

In einem weiteren Schritt zeigten die Forscher auch bereits Vorteile der gezielte Synthese solcher Peptide: Sie dirigierten die entstandenen Ketten mit den ungewöhnlichen Aminosäureresten so, dass das entstehende Nanoprotein stabile Azidquervernetzungen ausbildet oder sich zu Ringstrukturen schließt. Eine derartige gezielt designte, in der Natur nicht vorkommende Vernetzung könnte verschiedene neue Materialfunktionen übernehmen.

Bislang war es Forschern im Laborexperiment mit hohem Aufwand und sehr geringer Effizienz nur gelungen, nacheinander und einzeln künstliche Aminosäuren in Designerproteine einzubauen – etwa, indem sie mit der gewünschten Aminosäure beladenen t-RNAs konstruierten, die das natürliche Stoppkodon UAG erkennen. Ein Ribosom baut mit dieser tRNA zusammen dann die Aminosäure ein, anstatt die Proteinsynthese abzubrechen. Die gezielte Modifikation nur einer dieser modifizierten tRNA-Sorte – geschweige denn die von vielen unterschiedlichen – wäre allerdings sehr aufwändig. Mit der Konstruktion von orthogonalen Ribosomen, tRNAs und tRNA-Synthetasen, die auf der Basis eines Vierkodons arbeiten, könnte dieser Prozess deutlich beschleunigt werden. Chin und Co glauben, mit ihren Experimenten dafür das Fundament gelegt zu haben. (jo)
  • Quellen
Neumann, H. et al.: Encoding multiple unnatural amino acids via evolution of a quadruplet-decoding ribosome. In: Nature 10.1038/nature08817, 2010.

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