Deutschland: Ausländerfeindlichkeit im Westen nimmt zu
Die Menschen in Ost- und Westdeutschland haben sich angenähert. Das klingt erfreulich, ist es in diesem Fall aber nicht: Wie die aktuelle Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt, stimmen deutlich mehr Menschen im Westen ausländerfeindlichen Aussagen zu als noch 2022. Damit glichen sich der Westen und der Osten in Sachen Ressentiments an. Zudem ist die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland stark gesunken. Und: Die Daten lassen erkennen, dass sich im Westen antisemitische Haltungen leicht verbreitet haben. Die Fachleute werten das als Trendumkehr, da der Antisemitismus im Westen von 2002 bis 2022 zuvor stetig abgenommen hatte.
Studienleiter Oliver Decker von der Universität Leipzig und sein Team stellten diesen Mittwoch ihre Ergebnisse vor, die in Kooperation mit der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung der IG Metall entstanden sind. Von den Befragten in Westdeutschland zeigen laut der Studie 19,3 Prozent ein eindeutig ausländerfeindliches Weltbild. Zwei Jahre zuvor waren es nur 12,6 Prozent. Im Osten liegt der neue Wert bei 31,5 Prozent. 2022 waren es dort noch etwas mehr, nämlich 33,1 Prozent.
Zur Ermittlung dieser Daten erhielten die Probanden einen Fragebogen mit einer Reihe von Statements, darunter auch das folgende: »Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.« 31,1 Prozent der Befragten im Westen stimmen dieser Aussage zu, vor zwei Jahren waren es 22,7 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern ist die Zustimmung zu diesem Statement im selben Zeitraum von 38,4 auf 44,3 Prozent gestiegen. Im gesamten Land liegt sie bei 33,8 Prozent.
Die Rolle der Politik
»Wenn man sich aktuelle politische Entwicklungen anschaut, darf dieses Ergebnis aber nicht überraschen«, sagt Studienleiter Decker in einem Interview der Universität Leipzig. »Die Ausländerfeindlichkeit und die Ablehnung von Migration sind zu einem zentralen Element der politischen Auseinandersetzung geworden.«
Eine ähnliche Entwicklung beobachten Decker und sein Team bei chauvinistischen Aussagen wie dieser: »Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben.« Ganz genau so sollte es sein, finden 32,3 Prozent der befragten Deutschen – 24 Prozent im Osten und 34,4 Prozent im Westen. Der große Unterschied erscheint außergewöhnlich, gleiche sich aber aus, so erklären es die Studienautoren, wenn auch die Antworten von Probanden berücksichtigt werden, die dem teils zustimmen und teils nicht: Das seien im Westen 27,2 Prozent und im Osten 36,9 Prozent. Dennoch würden mehr Menschen in Westdeutschland diesen Wunsch energisch äußern als im Osten. Unabhängig davon: Derartige Aussagen können historisch betrachtet den Frieden in einer Gesellschaft gefährden, werden aber offenbar von einem Drittel der Deutschen bejaht.
Die Deutschen hadern mit der Demokratie in Deutschland
Wie die Forschergruppe weiter berichtet, nimmt die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland ab. Zwar befürworten 90,4 Prozent aller Befragten die Idee der Demokratie, doch eine »Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert«, unterstützen lediglich 42,3 Prozent. Die Werte der Probanden im Osten sind dabei besonders auffällig: Sprachen sich 2022 noch 53,5 Prozent für die Demokratie (»wie sie in Deutschland funktioniert«) aus, sind es 2024 nur noch 29,7 Prozent. Im Westen sind es 45,5 Prozent, es waren aber auch hier zuvor mehr: 58,8 Prozent im Jahr 2022. Seit 2006 sei die Zustimmung zur deutschen Demokratie nicht mehr so schwach ausgeprägt gewesen wie jetzt, so die Studienautoren.
Seit 2002 führen Decker und sein Team die Umfrage durch. Alle zwei Jahre befragen sie Menschen in Deutschland, um festzustellen, wie stark autoritäre und demokratiefeindliche Einstellungen hier zu Lande verbreitet sind. Für die aktuelle Studie suchten die Fachleute von März bis Juni 2024 etwas mehr als 2000 Personen in Westdeutschland auf und etwa 500 Personen im Osten. Dabei sollten die Probanden eine Liste von Aussagen auf einer fünfstufigen Skala bewerten. Das Alter der Befragten betrug zwischen 16 und 92 Jahren.
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