Alternative Energien: Die 2. Generation
Sie haben nicht mehr den besten Leumund: Kraftstoffe aus vom Acker - anfangs noch euphemistisch "Biodiesel" genannt. Doch Umweltprobleme und steigende Nahrungspreise haben sie in Verruf gebracht. Nun sollen neue Technologien helfen, dass Naturschutz, Ernährung und gleichzeitig Mobilität durch Agrartreibstoffe kein Widerspruch mehr sein sollen.
Das Jahr 2007 markierte die endgültige Wende: Mehr und mehr Wissenschaftler, Politiker und Entwicklungshelfer erhoben ihre Stimme und mahnten zu einer Umkehr bei den Agrarkraftstoffen. Sie vernichteten Regenwälder, raubten armen Menschen Land und Nahrung, trieben weltweit die Kosten für Essbares in die Höhe und schädigten das Klima, lautete vielfach der Tenor – unterstützt von zahlreichen Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen den "grünen" Energieträgern und den verschiedenen Problemen belegten. Vorbei war es mit dem positiven Image, dass Diesel aus Soja, Mais und Palmöl oder Ethanol aus Zuckerrohr das Klima schützten, weil sie beim Anbau genauso viel Kohlendioxid aufnehmen sollten, wie sie beim Verbrennen wieder freisetzten. Und auch die Ansicht, die Treibstoffe aus der Plantage hülfen den Armen aus ihrer Armut, zerbröselte unter der Last der Gegenbeweise – der UN-Ernährungsexperte Jean Ziegler geißelte den Biodiesel gar als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
Auch wenn die Europäische Union weiterhin ihr Ziel verfolgt, bis 2020 zehn Prozent des Treibstoffbedarfs damit zu decken: Es sieht momentan nicht gut aus für den Pflanzensprit – zumindest nicht für jenen der so genannten 1. Generation, der direkt aus den Ölen von Soja und Co. oder Zuckerrohr destilliert wird. Große Hoffnungen setzen deshalb Fachleute wie Edward Rubin vom Lawrence Berkeley National Laboratory in die Nachfolger der als verschwenderisch und desaströs gebrandmarkten bisherigen grünen Energieträger.
Klassische Win-Win-Situation?
Sie wollen den Kraftstoff unter anderem vor allem aus jenen Pflanzenbestandteilen gewinnen, die bislang ungenutzt dem Abfall zugeführt wurden: Zellulose, Lignin und andere langkettige Kohlenstoffverbindungen, die bislang schwierig aufzubrechen und folglich zu raffinieren sind, was ihrer kommerziellen Nutzung noch entgegensteht. Sie hätten den Vorteil, dass beispielsweise Bäume, Gräser oder Maisstängel als Basis dienen könnten. Es ließen sich also Reste verwerten, die nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Im Fall der Holzpflanzen wäre wiederum die Ausbeute erheblich größer als bei krautigen Gewächsen, wobei Pappeln und andere schnell wachsenden Bäume zugleich auch noch mehr Kohlendioxid einlagern könnten. Eine klassische Win-Win-Situation also, der jedoch noch technische Probleme entgegenstehen. Die momentan verfügbaren Verfahren zur "Verzuckerung" der Pflanzenfasern und der nachfolgenden Fermentierung hin zum Diesel etwa sind teuer und wenig ertragreich.
All dieser Punkte hat sich Rubin angenommen. Er beginnt bei der Auswahl der Pflanzen, die für diese zweite Generation der Agrarkraftstoffe geeignet sein könnten: Gesucht sind vor allem Gewächse, die wenig Arbeitsaufwand erfordern und nicht jedes Jahr mühsam nachgepflanzt werden müssten. Sie sollten schnell wachsen, viel Biomasse auf kleinem Raum erzeugen und wenig Wasser wie Nährstoffe aufbrauchen, so dass sie auch auf wenig ertragreichen Böden wachsen können. Für tropische und subtropische Gefilde kämen dafür vor allem so genannte C4-Pflanzen in Frage: meist dauerhafte Gräser, die einen speziellen Weg der Fotosynthese einschlagen und dadurch energieeffizient rasch an Volumen zulegen. Hierzulande sollte das Augenmerk dagegen eher auf wuchsstarken Bäumen wie Pappeln und Eukalyptus liegen.
Gentechnik kein Tabu?
Im Gegensatz zu den klassischen Nahrungspflanzen unterlagen jene zur Energieerzeugung nicht der jahrtausendelangen Zuchtauslese, die sie immer stärker optimierten. Auch hier gilt es deshalb anzusetzen: Immerhin von der Pappel liegt bereits das entzifferte Genom vor, bei anderen wie Mais oder Eukalyptus befinden sich die Arbeiten dazu im fortgeschrittenen Stadium. Durch klassisches Kreuzen, aber auch durch die bislang stark verpönte gentechnische Manipulation wäre es möglich, zum Beispiel die Pappel entscheidend zu verbessern – etwa ihre Wachstumsleistung, den Lichtbedarf und Stammdurchmesser oder die chemischen Bindungen und Bestandteile der Zellwand.
Gerade Letzteres böte einen guten Ansatzpunkt, denn evolutiv war es für die Bäume vorteilhaft, möglichst standfest zu wachsen, was auf Dauer dicke Zellwände gewährleisteten. Sorten, die wiederum alle paar Jahre geerntet würden, könnten auf diesen Schutz verzichten, weshalb dünnere Zellwände das Ziel sein sollten. Immerhin haben Genetiker bei verschiedenen Pflanzen bereits einige Gene gefunden, die potenzielle Kandidaten für eine gezielte Domestizierung abgäben – etwa Gene, die an der Zellulose- und Hemizellulosesynthese beteiligt sind oder Wachstum und Verzweigung beeinflussen.
Verbesserte Zerlegung
Nach der Ernte muss die gewonnene Biomasse dann zerlegt und aus den langkettigen Molekülen kurze werden. Gegenwärtig setzt man dazu vor allem Säure und Hitze ein, was nicht nur langsam und teuer, sondern auch noch ineffektiv abläuft – zumal durchaus Verbindungen entstehen, die den weiteren Verarbeitungsprozess behindern und die Ausbeute weiter senken. Rubin schlägt vor, sich die Natur zum Vorbild zu nehmen, in der es zuhauf Organismen – vielfach Bakterien oder Pilze – gibt, die Holz als Nährstoffquelle nutzen, indem sie es zersetzen.
Im engeren Kandidatenkreis befinden sich unter anderem die Bakteriengesellschaften aus dem Gedärm von Termiten, wo sich ein buntes Sammelsurium unterschiedlicher Mikroben mit einer noch größeren Anzahl an holzzersetzenden Enzymen tummelt. Sie zu kopieren oder in industriellem Maßstab einzusetzen, liegt jedoch noch in ferner Zukunft, so Rubin, denn sie setzen sich sehr komplex zusammen. Gesucht sind daher Enzyme von thermo- oder acedophilen Organismen, die hitzebeständig sind und auch bei niedrigen pH-Werten funktionieren, damit sie in den herkömmlichen Aufarbeitungsprozess eingeschleust werden können.
Der entscheidende Schritt: die Dieselproduktion
Die Infrastruktur, mit der die entstandenen kurzkettigen Kohlenhydrate schließlich raffiniert werden, steht bereits im Großen und Ganzen, denn mit ihr verwertet man bereits die gängigen Rohstoffe aus Soja, Mais und Palmöl für Agrardiesel oder Zuckerrohr für Alkohol, der in Brasilien etwa einen großen Teil der Autoflotte antreibt. Dennoch gilt es auch sie umzubauen, denn mit den neuen Energiepflanzen fallen nicht mehr hauptsächlich Hexosen, sondern Pentosen an, die der bislang gängige Hefepilz Saccharomyces cerevisiae nicht fermentiert. Zudem verträgt er keine Alkoholkonzentrationen jenseits der 25-Prozent-Grenze, weshalb man die Ausbeute durch Destillieren steigert – ebenfalls ein energie- und kostenintensiver Prozess.
Neue Hoffnungen trägt die Hefe Pichia stipitis, die Pentosen vollständig umsetzt, weshalb sich Genetiker daran gemacht haben, sie weiter zu optimieren. Das Darmbakterium Escherichia coli wurde bereits entsprechend gentechnisch aufgepeppt, damit es mehr Alkohol verträgt und alle fünf- und sechskettige Zucker aus der Hemizellulose aufarbeitet – es erreicht mittlerweile den gleichen Wirkungsgrad wie Hefe.
Als Endprodukt kommt bei dieser Art der Verwertung jedoch stets Ethanol heraus – ein Alkohol, der nicht die besten Eigenschaften als Kraftstoff der Zukunft besitzt: Er zieht Wasser, beinhaltet weniger Energie als Öl oder Benzin, und nicht alle Verbrennungsmotoren verkraften ihn gegenwärtig. Deswegen geht die Zielsetzung immer mehr in Richtung höherwertiger Alkohole wie Butanol, das alle Autos vertragen und durch herkömmliche Pipelines gepumpt werden kann, ohne dass es sich verwässert. Kürzlich gelang es, E. coli so auszustatten, dass es Isobutanol erzeugt und dies auch im großindustriellen Maßstab zu leisten vermag.
Die technologischen Herausforderungen der Biokraftstoffproduktion scheinen also lösbar. Doch offen bleiben damit immer noch die Konfliktfelder zwischen Mobilität auf der einen und Ernährungssicherheit sowie Naturschutz auf der anderen Seite: Wer garantiert, dass nicht trotzdem Regenwälder weichen müssen für Eukalyptusplantagen zur Energiegewinnung? Oder dass vom Mais tatsächlich nur Stängel und Blätter in den Fermentierungstopf wandern und nicht auch die energiereicheren Kolben? Hier dürften auf Dauer nur politische Vorgaben und Verbraucherdruck abhelfen. Für Rubin ist die Aufgabe, aus Biomasse Treibstoffe zu gewinnen, jedenfalls eine Herausforderung wie die Mondlandung und die Entzifferung des menschlichen Genoms – ähnlich kontrovers diskutiert wurden diese Ziele ebenso.
Auch wenn die Europäische Union weiterhin ihr Ziel verfolgt, bis 2020 zehn Prozent des Treibstoffbedarfs damit zu decken: Es sieht momentan nicht gut aus für den Pflanzensprit – zumindest nicht für jenen der so genannten 1. Generation, der direkt aus den Ölen von Soja und Co. oder Zuckerrohr destilliert wird. Große Hoffnungen setzen deshalb Fachleute wie Edward Rubin vom Lawrence Berkeley National Laboratory in die Nachfolger der als verschwenderisch und desaströs gebrandmarkten bisherigen grünen Energieträger.
Klassische Win-Win-Situation?
Sie wollen den Kraftstoff unter anderem vor allem aus jenen Pflanzenbestandteilen gewinnen, die bislang ungenutzt dem Abfall zugeführt wurden: Zellulose, Lignin und andere langkettige Kohlenstoffverbindungen, die bislang schwierig aufzubrechen und folglich zu raffinieren sind, was ihrer kommerziellen Nutzung noch entgegensteht. Sie hätten den Vorteil, dass beispielsweise Bäume, Gräser oder Maisstängel als Basis dienen könnten. Es ließen sich also Reste verwerten, die nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Im Fall der Holzpflanzen wäre wiederum die Ausbeute erheblich größer als bei krautigen Gewächsen, wobei Pappeln und andere schnell wachsenden Bäume zugleich auch noch mehr Kohlendioxid einlagern könnten. Eine klassische Win-Win-Situation also, der jedoch noch technische Probleme entgegenstehen. Die momentan verfügbaren Verfahren zur "Verzuckerung" der Pflanzenfasern und der nachfolgenden Fermentierung hin zum Diesel etwa sind teuer und wenig ertragreich.
All dieser Punkte hat sich Rubin angenommen. Er beginnt bei der Auswahl der Pflanzen, die für diese zweite Generation der Agrarkraftstoffe geeignet sein könnten: Gesucht sind vor allem Gewächse, die wenig Arbeitsaufwand erfordern und nicht jedes Jahr mühsam nachgepflanzt werden müssten. Sie sollten schnell wachsen, viel Biomasse auf kleinem Raum erzeugen und wenig Wasser wie Nährstoffe aufbrauchen, so dass sie auch auf wenig ertragreichen Böden wachsen können. Für tropische und subtropische Gefilde kämen dafür vor allem so genannte C4-Pflanzen in Frage: meist dauerhafte Gräser, die einen speziellen Weg der Fotosynthese einschlagen und dadurch energieeffizient rasch an Volumen zulegen. Hierzulande sollte das Augenmerk dagegen eher auf wuchsstarken Bäumen wie Pappeln und Eukalyptus liegen.
Gentechnik kein Tabu?
Im Gegensatz zu den klassischen Nahrungspflanzen unterlagen jene zur Energieerzeugung nicht der jahrtausendelangen Zuchtauslese, die sie immer stärker optimierten. Auch hier gilt es deshalb anzusetzen: Immerhin von der Pappel liegt bereits das entzifferte Genom vor, bei anderen wie Mais oder Eukalyptus befinden sich die Arbeiten dazu im fortgeschrittenen Stadium. Durch klassisches Kreuzen, aber auch durch die bislang stark verpönte gentechnische Manipulation wäre es möglich, zum Beispiel die Pappel entscheidend zu verbessern – etwa ihre Wachstumsleistung, den Lichtbedarf und Stammdurchmesser oder die chemischen Bindungen und Bestandteile der Zellwand.
Gerade Letzteres böte einen guten Ansatzpunkt, denn evolutiv war es für die Bäume vorteilhaft, möglichst standfest zu wachsen, was auf Dauer dicke Zellwände gewährleisteten. Sorten, die wiederum alle paar Jahre geerntet würden, könnten auf diesen Schutz verzichten, weshalb dünnere Zellwände das Ziel sein sollten. Immerhin haben Genetiker bei verschiedenen Pflanzen bereits einige Gene gefunden, die potenzielle Kandidaten für eine gezielte Domestizierung abgäben – etwa Gene, die an der Zellulose- und Hemizellulosesynthese beteiligt sind oder Wachstum und Verzweigung beeinflussen.
Verbesserte Zerlegung
Nach der Ernte muss die gewonnene Biomasse dann zerlegt und aus den langkettigen Molekülen kurze werden. Gegenwärtig setzt man dazu vor allem Säure und Hitze ein, was nicht nur langsam und teuer, sondern auch noch ineffektiv abläuft – zumal durchaus Verbindungen entstehen, die den weiteren Verarbeitungsprozess behindern und die Ausbeute weiter senken. Rubin schlägt vor, sich die Natur zum Vorbild zu nehmen, in der es zuhauf Organismen – vielfach Bakterien oder Pilze – gibt, die Holz als Nährstoffquelle nutzen, indem sie es zersetzen.
Im engeren Kandidatenkreis befinden sich unter anderem die Bakteriengesellschaften aus dem Gedärm von Termiten, wo sich ein buntes Sammelsurium unterschiedlicher Mikroben mit einer noch größeren Anzahl an holzzersetzenden Enzymen tummelt. Sie zu kopieren oder in industriellem Maßstab einzusetzen, liegt jedoch noch in ferner Zukunft, so Rubin, denn sie setzen sich sehr komplex zusammen. Gesucht sind daher Enzyme von thermo- oder acedophilen Organismen, die hitzebeständig sind und auch bei niedrigen pH-Werten funktionieren, damit sie in den herkömmlichen Aufarbeitungsprozess eingeschleust werden können.
Der entscheidende Schritt: die Dieselproduktion
Die Infrastruktur, mit der die entstandenen kurzkettigen Kohlenhydrate schließlich raffiniert werden, steht bereits im Großen und Ganzen, denn mit ihr verwertet man bereits die gängigen Rohstoffe aus Soja, Mais und Palmöl für Agrardiesel oder Zuckerrohr für Alkohol, der in Brasilien etwa einen großen Teil der Autoflotte antreibt. Dennoch gilt es auch sie umzubauen, denn mit den neuen Energiepflanzen fallen nicht mehr hauptsächlich Hexosen, sondern Pentosen an, die der bislang gängige Hefepilz Saccharomyces cerevisiae nicht fermentiert. Zudem verträgt er keine Alkoholkonzentrationen jenseits der 25-Prozent-Grenze, weshalb man die Ausbeute durch Destillieren steigert – ebenfalls ein energie- und kostenintensiver Prozess.
Neue Hoffnungen trägt die Hefe Pichia stipitis, die Pentosen vollständig umsetzt, weshalb sich Genetiker daran gemacht haben, sie weiter zu optimieren. Das Darmbakterium Escherichia coli wurde bereits entsprechend gentechnisch aufgepeppt, damit es mehr Alkohol verträgt und alle fünf- und sechskettige Zucker aus der Hemizellulose aufarbeitet – es erreicht mittlerweile den gleichen Wirkungsgrad wie Hefe.
Als Endprodukt kommt bei dieser Art der Verwertung jedoch stets Ethanol heraus – ein Alkohol, der nicht die besten Eigenschaften als Kraftstoff der Zukunft besitzt: Er zieht Wasser, beinhaltet weniger Energie als Öl oder Benzin, und nicht alle Verbrennungsmotoren verkraften ihn gegenwärtig. Deswegen geht die Zielsetzung immer mehr in Richtung höherwertiger Alkohole wie Butanol, das alle Autos vertragen und durch herkömmliche Pipelines gepumpt werden kann, ohne dass es sich verwässert. Kürzlich gelang es, E. coli so auszustatten, dass es Isobutanol erzeugt und dies auch im großindustriellen Maßstab zu leisten vermag.
Die technologischen Herausforderungen der Biokraftstoffproduktion scheinen also lösbar. Doch offen bleiben damit immer noch die Konfliktfelder zwischen Mobilität auf der einen und Ernährungssicherheit sowie Naturschutz auf der anderen Seite: Wer garantiert, dass nicht trotzdem Regenwälder weichen müssen für Eukalyptusplantagen zur Energiegewinnung? Oder dass vom Mais tatsächlich nur Stängel und Blätter in den Fermentierungstopf wandern und nicht auch die energiereicheren Kolben? Hier dürften auf Dauer nur politische Vorgaben und Verbraucherdruck abhelfen. Für Rubin ist die Aufgabe, aus Biomasse Treibstoffe zu gewinnen, jedenfalls eine Herausforderung wie die Mondlandung und die Entzifferung des menschlichen Genoms – ähnlich kontrovers diskutiert wurden diese Ziele ebenso.
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