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Göbekli Tepe: Die älteste Tempelanlage der Welt ein Wohnhaus?

Seit der Antike waren monumentale Steinbauten zumeist als Residenz für die Götter bestimmt, und nur selten dient die imposante Architektur dann auch als privater Wohnbereich. So könnte es schon in der Steinzeit gewesen sein – im Fall der neolithischen Siedlung auf dem Göbekli Tepe ist Ted Banning von der University of Toronto jedoch anderer Meinung: Die etwa 11 000 Jahre alte Tempelanlage im Südosten der Türkei war nicht nur eine Wohnstätte der Götter, sondern auch eine der Menschen gewesen.

Funde von Steinwerkzeugen, Tierknochen und Pflanzenresten, die auf die Zubereitung von Speisen und die Bearbeitung von Feuerstein hinweisen, stützen seine These. "Die Annahme, dass monumentale Architektur und Kunst ausnahmslos mit heiligen Stätten in Verbindung steht, hält einer genaueren Überprüfung nicht stand", so Banning. Bislang bezweifelten Forscher nicht, dass es sich bei den vier großen Kreisanlagen von Göbekli Tepe, die aus massiven Steinpfeilern errichtet und mit Skulpturen wilder Tiere verziert sind, um ein Heiligtum gehandelt hat.

"Es existieren zahlreiche ethnographische Belege für die aufwändige Dekoration von Wohnräumen – etwa um den Ahnen zu gedenken, den eigenen Familienstammbaum darzustellen oder das Stammesoberhaupt zu würdigen", führt der Archäologe weiter aus. Dazu gehören seiner Meinung nach auch die Wandmalereien der jungsteinzeitlichen Siedlung Çatal Hüyük in der Türkei. Der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss prägte den Begriff der "Hausgesellschaften" – könnte der steinzeitliche Göbekli Tepe eine solche gewesen sein? Ted Banning meint ja: "Diese Gesellschaften nutzten ihre Häuser, um dort Rituale abzuhalten oder sich durch die Architektur von anderen Gruppen abzugrenzen."

Die neolithische Stätte auf dem Göbekli Tepe hatte 1994 der deutsche Archäologe Klaus Schmidt entdeckt, der sie bald darauf auch frei legen ließ. Schmidt deutet den Ort als Sakralstätte, die Angehörige umliegender Jäger-und-Sammler-Kulturen als kultisches Zentrum genutzt hätten, jedoch nie dauerhaft bewohnten.

Daniel Koch

Current Anthropology 52:5, 2011, S. 619–660

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