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Klimawandel: Die Antarktis ergrünt immer schneller

Der Klimawandel erwärmt auch den eiskalten Südkontinent. Die Folge: Wie Schimmel auf Marmorkuchen breiten sich Moospolster auf der Antarktischen Halbinsel aus. Ihre Fläche hat sich verzwölffacht.
Blick über eine mit Moos bewachsene Fläche vor einem Gletscher.
Noch kein tropischer Regenwald – aber der erste Schritt dorthin. Pflanzen beginnen sich die bisher unzugänglichen Flächen des Südkontinents zurückzuholen.

Die von Pflanzen bedeckte Fläche auf der antarktischen Halbinsel hat sich binnen 35 Jahren mehr als verzwölffacht. Das zeigen Satellitendaten aus den Archiven des Landsat-Programms, die ein Team um Thomas P. Roland und Oliver T. Bartlett von der University of Exeter ausgewertet hat. Wie die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Nature Geosciences« berichtet, stieg die wahrscheinlich von Pflanzen überwachsene Fläche von rund 0,9 Quadratkilometern im Jahr 1986 auf 11,9 Quadratkilometer im Jahr 2021. Außerdem wuchs die begrünte Fläche in den letzten fünf Jahren des Beobachtungszeitraumes um rund ein Drittel schneller als in der Zeit davor. Ursache ist der menschengemachte Klimawandel, durch den sich die Antarktische Halbinsel besonders stark erwärmt. Die Durchschnittstemperaturen steigen dort um etwa ein Drittel Grad pro Jahrzehnt, weit schneller als im Rest der Welt.

Die Arbeitsgruppe nutzte zwei Maßzahlen, um festzustellen, ob ein Gebiet aus nacktem Fels besteht oder von Pflanzen bedeckt ist. Zum einen gibt das das Verhältnis der Rückstrahlungen von rotem und infrarotem Licht Aufschluss auf die Gegenwart von Pflanzen. Zum anderen verwendeten Roland und Bartlett eine ursprünglich für die Landwirtschaft entwickelte Maßzahl, die geeignet ist, um brachliegende Felder von bepflanzten zu unterscheiden. Außerdem filterten sie mit Hilfe eines auf Google Earth basierenden Algorithmus die in der Region häufige Wolkendecke heraus und schlossen Gebiete über 300 Meter über dem Meeresspiegel aus, um falsch positive Ergebnisse durch Reflexion an höher gelegenen Arealen zu vermeiden. Neben dem allgemein steigenden Trend zeigen die Daten, dass sich die Pflanzen parallel zum starken Rückgang des antarktischen Meereises seit 2016 besonders schnell ausgebreitet haben, was nahelegt, dass die verschiedenen Veränderungen in der Region den übergeordneten Klimatrend anzeigen.

Bisher besteht die Vegetation der antarktischen Halbinsel vor allem aus Moospolstern, die in manchen Regionen bereits große Flächen bedecken. Moose sind Pionierarten, die auf zuvor nackten Flächen Boden entstehen lassen, auf dem auch andere Pflanzen siedeln können. Sie sind deswegen Wegbereiter weiterer, noch drastischerer Veränderungen der Antaktischen Ökosysteme. Höhere Pflanzen dagegen sind bisher noch außerordentlich selten. Es gibt zwei heimische Blütenpflanzen, ein Gras und den Doldenblütler Colobanthus mit hübschen gelben Blüten. Beide breiten sich ebenfalls durch den Klimawandel stark aus. Fachleute befürchten jedoch, dass durch die Veränderungen invasive Arten eingeschleppt werden, die einheimische Spezies verdrängen könnten. Andererseits sind auf nacktem Fels alle Pflanzen invasive Arten, und große Teile der Antarktis werden auch in Zukunft den speziell an diese Bedingungen angepassten Gewächsen vorbehalten bleiben.

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