Raumfahrt: "Die beste und komplexeste Maschine"
Eine Ära geht zu Ende: Der Spaceshuttle wird bald eingemottet. spektrumdirekt sprach mit Jesco von Puttkamer, NASA-Manager und langjähriger Mitarbeiter Wernher von Brauns, über die Vergangenheit und Zukunft der US-Raumfahrt.
Herr von Puttkamer, wie bewerten Sie den Spaceshuttle am Ende seiner Ära?
Wie bei jedem Transportsystem müssen wir es von der technischen und der wirtschaftlichen Seite bewerten. Technisch gesehen ist der Shuttle trotz seiner Schwachstellen, die sich auf die Dauer zeigten, die beste und komplexeste Maschine, die Ingenieure je gebaut haben. Sie hat Menschen und große Nutzlasten ins All getragen und wieder zurückgebracht. Sie hat das mächtige Hubble-Raumteleskop gestartet und seine wiederholte Instandsetzung erlaubt – heute die beste PR-Maschine der NASA. Astronauten konnten vom Shuttle in den freien Weltraum aussteigen und tätig sein. Das vermag kein anderes Raumtransportsystem auf der Welt.
Und die wirtschaftliche Seite?
Sie ist der Hauptsinn der Wiederverwendbarkeit eines Raumfahrzeugs – wie bei jedem anderen Fahrzeug. Dazu ist von vornherein eine bestimmte Einsatzrate erforderlich, und die von uns Ende der 1960er Jahre errechnete Startfolge für ein nachhaltig gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis erschien damals als so realistisch und erreichbar, dass Präsident Richard Nixon 1971 grünes Licht für die Shuttle-Entwicklung gab.
Der Shuttle sah in all den Jahren immer gleich aus. Anders als bei Autos oder Flugzeugen schien es keine Weiterentwicklung gegeben zu haben.
Das trifft nur auf das Äußere zu. Daher trügt der Schein, denn im Inneren wurde die Fähre zigmal runderneuert – mit neuen Computern, einem Glascockpit mit Digitaltechnik, wo sich früher ein ganz normales Flugzeugcockpit befand, neuen Brennstoffzellen und Bremsen und noch einigem mehr. Wir haben immer das Allerbeste eingebaut – aber nicht das Neueste, weil es anfällig ist. Wohlgemerkt: Alte Technik ist gut, denn man kennt sie durch und durch. Deshalb haben wir beispielsweise ältere, weil vertraute Computer an Bord, da die moderneren Ausführungen sich noch nicht über lange Zeit bewährt haben.
So kann man es wohl sehen. Nur dass beim Hindenburg-Unglück erheblich mehr Menschen ums Leben kamen. Jeder Flugzeugabsturz kostet gewöhnlich mehr Menschenleben als unsere sieben Astronauten in der Challenger – oder unsere sieben auf der Columbia, die 2003 bei dem Rückflug zerbrach. Natürlich wurden wir danach viel vorsichtiger, aber vom Bewusstsein her hat sich in Amerika nichts geändert. Hier heißt es immer: weitermachen. Ja, Challenger und Columbia waren Traumata für uns, doch wir wussten, dass die Raumfahrt Opfer kostet – und dass es trotzdem weitergeht.
Bekommt man als US-amerikanischer Staatsbürger nicht Bauchschmerzen, wenn man weiß, dass mindestens bis 2016 keine eigenen Trägersysteme für bemannte Flüge ins All zur Vefügung stehen?
Das wird sich jetzt zeigen. Ich persönlich sehe das nicht so schlimm – ähnlich wie die NASA: Wir haben die ISS und Partnerschaft mit Russland, so dass wir weiterhin maßgeblich an der bemannten Raumfahrt teilnehmen.
Und nach 2016?
Die Orion-Kapsel ist genehmigt und wird gebaut. Die ersten Testflüge soll sie spätestens 2016 unternehmen, höchstwahrscheinlich jedoch früher. Dafür benötigen wir jedoch auch ein Trägergerät, welches im Augenblick festgelegt wird. Dabei müssen uns allerdings bis 2016 sputen. Evolution statt Revolution lautet nun das Motto. Denn Apollo war Revolution, damit kam auch gleich das Ende: die Ernüchterung – das ist bei Revolutionen aber wohl immer so und nennt sich dann Gegenrevolution. Doch wenn man ähnlich wie die russische Raumfahrt eher evolutiv plant, dann geht es Stück für Stück weiter: Man baut auf dem Vorhergehenden auf. So wollen wir jetzt auch arbeiten.
Allerdings: Wehmütig sind wir schon. Es ist für uns alle eine sehr emotionelle Angelegenheit. Dass die NASA mit dem Shuttle aufhört, empfinde ich als Fehler, weil die Entscheidung übereilt fiel. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob es nicht ein Wandel ist, aus dem wir etwas wirklich Gutes schaffen können. Wir müssen daraus lernen und uns neue Ziele setzen. Nur so können wir vorwärts drängen und Horizonte überschreiten. So gesehen, war es vielleicht doch eine gute Entscheidung.
Herr von Puttkamer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Wie bei jedem Transportsystem müssen wir es von der technischen und der wirtschaftlichen Seite bewerten. Technisch gesehen ist der Shuttle trotz seiner Schwachstellen, die sich auf die Dauer zeigten, die beste und komplexeste Maschine, die Ingenieure je gebaut haben. Sie hat Menschen und große Nutzlasten ins All getragen und wieder zurückgebracht. Sie hat das mächtige Hubble-Raumteleskop gestartet und seine wiederholte Instandsetzung erlaubt – heute die beste PR-Maschine der NASA. Astronauten konnten vom Shuttle in den freien Weltraum aussteigen und tätig sein. Das vermag kein anderes Raumtransportsystem auf der Welt.
Und die wirtschaftliche Seite?
Sie ist der Hauptsinn der Wiederverwendbarkeit eines Raumfahrzeugs – wie bei jedem anderen Fahrzeug. Dazu ist von vornherein eine bestimmte Einsatzrate erforderlich, und die von uns Ende der 1960er Jahre errechnete Startfolge für ein nachhaltig gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis erschien damals als so realistisch und erreichbar, dass Präsident Richard Nixon 1971 grünes Licht für die Shuttle-Entwicklung gab.
Zehn Jahre später, als der Shuttle zu fliegen begann, zeigte sich bald, dass die nötige Startfrequenz nicht eingehalten werden konnte. Zum einen lag es daran, dass wir nicht genügend Nutzlasten erhielten – erstens weil deren Entwicklung ja ebenfalls Geld gekostet hätte, das potenzielle Kunden nicht hatten. Und zweitens wurden kommerzielle Nutzlasten später aus dem Frachtraum verbannt. Zum anderen konnte der Shuttle im Gegensatz zu unseren Erwartungen nicht wie ein Flugzeug nach jedem Einsatz in kurzer Zeit wieder flugbereit gemacht werden.
Der Shuttle sah in all den Jahren immer gleich aus. Anders als bei Autos oder Flugzeugen schien es keine Weiterentwicklung gegeben zu haben.
Das trifft nur auf das Äußere zu. Daher trügt der Schein, denn im Inneren wurde die Fähre zigmal runderneuert – mit neuen Computern, einem Glascockpit mit Digitaltechnik, wo sich früher ein ganz normales Flugzeugcockpit befand, neuen Brennstoffzellen und Bremsen und noch einigem mehr. Wir haben immer das Allerbeste eingebaut – aber nicht das Neueste, weil es anfällig ist. Wohlgemerkt: Alte Technik ist gut, denn man kennt sie durch und durch. Deshalb haben wir beispielsweise ältere, weil vertraute Computer an Bord, da die moderneren Ausführungen sich noch nicht über lange Zeit bewährt haben.
War die Explosion der Challenger 1986 für die NASA so etwas wie die Hindenburg-Katastrophe für die Luftfahrt mit Zeppelinen?
So kann man es wohl sehen. Nur dass beim Hindenburg-Unglück erheblich mehr Menschen ums Leben kamen. Jeder Flugzeugabsturz kostet gewöhnlich mehr Menschenleben als unsere sieben Astronauten in der Challenger – oder unsere sieben auf der Columbia, die 2003 bei dem Rückflug zerbrach. Natürlich wurden wir danach viel vorsichtiger, aber vom Bewusstsein her hat sich in Amerika nichts geändert. Hier heißt es immer: weitermachen. Ja, Challenger und Columbia waren Traumata für uns, doch wir wussten, dass die Raumfahrt Opfer kostet – und dass es trotzdem weitergeht.
Bekommt man als US-amerikanischer Staatsbürger nicht Bauchschmerzen, wenn man weiß, dass mindestens bis 2016 keine eigenen Trägersysteme für bemannte Flüge ins All zur Vefügung stehen?
Das wird sich jetzt zeigen. Ich persönlich sehe das nicht so schlimm – ähnlich wie die NASA: Wir haben die ISS und Partnerschaft mit Russland, so dass wir weiterhin maßgeblich an der bemannten Raumfahrt teilnehmen.
Aber es kann schon passieren, dass es manchen Politikern nach einiger Zeit doch zu bunt wird, weil wir mit unseren Astronauten auf russische Trägerdienste angewiesen sind und dafür teuer bezahlen. Doch nun kann man es nicht ändern; das hätte man sich vorher überlegen sollen. Im Nachhinein erscheint es glasklar, dass die Entscheidung, den Shuttlebetrieb einzustellen, vorschnell war. Jetzt ist der Zug abgefahren oder – in unserem Fall – hat die Rakete bis zum Jahr 2016 abgehoben.
Und nach 2016?
Die Orion-Kapsel ist genehmigt und wird gebaut. Die ersten Testflüge soll sie spätestens 2016 unternehmen, höchstwahrscheinlich jedoch früher. Dafür benötigen wir jedoch auch ein Trägergerät, welches im Augenblick festgelegt wird. Dabei müssen uns allerdings bis 2016 sputen. Evolution statt Revolution lautet nun das Motto. Denn Apollo war Revolution, damit kam auch gleich das Ende: die Ernüchterung – das ist bei Revolutionen aber wohl immer so und nennt sich dann Gegenrevolution. Doch wenn man ähnlich wie die russische Raumfahrt eher evolutiv plant, dann geht es Stück für Stück weiter: Man baut auf dem Vorhergehenden auf. So wollen wir jetzt auch arbeiten.
Kommt bei Ihnen Abschiedsschmerz auf?
Allerdings: Wehmütig sind wir schon. Es ist für uns alle eine sehr emotionelle Angelegenheit. Dass die NASA mit dem Shuttle aufhört, empfinde ich als Fehler, weil die Entscheidung übereilt fiel. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob es nicht ein Wandel ist, aus dem wir etwas wirklich Gutes schaffen können. Wir müssen daraus lernen und uns neue Ziele setzen. Nur so können wir vorwärts drängen und Horizonte überschreiten. So gesehen, war es vielleicht doch eine gute Entscheidung.
Herr von Puttkamer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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