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Ibuprofen-Alternativen: Die besten Schmerzmittel gegen Migräne

Aspirin mit Paracetamol und Kaffee mischen? Wer an Migräne leidet, hat oft schon vieles ausprobiert. Eine neue Vergleichsstudie zeigt, dass einige Schmerzmittel nachweislich wirksamer sind als Ibuprofen.
Kind mit Kopfweh
Ibuprofen ist nicht immer das beste Mittel gegen Kopfschmerzen und Migräne – andere Stoffe erwiesen sich laut einer Vergleichsstudie als wirksamer.

Migränepatienten müssen mitunter lange suchen, bis sie eine wirksame und zuverlässige Behandlung für ihre Symptome gefunden haben. Bislang gibt es keinen Überblick, der die verfügbaren Medikamente miteinander vergleicht und Auskunft gewährt, wie sie im Vergleich zueinander wirken. Ein Forschungsteam der American Academy of Neurology und einer Klinik in Minnesota hat die Daten von 300 000 Patienten erhoben, die während eines Untersuchungszeitraums von sechs Jahren eine Smartphone-App für die Auswahl und Dokumentation ihrer Medikamente gegen Migräne nutzten.

Die Studie ergab, dass einige Migränemedikamente bei der Behandlung zwei- bis fünfmal so wirksam sein können wie Ibuprofen – insbesondere die Wirkstoffklassen Triptane, Ergotika und Antiemetika sollen hier positiv herausgestochen haben. Die Forschungsergebnisse lassen sich in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift »Neurology« nachlesen.

In Deutschland leiden laut einem RKI-Gesundheitsberichtfast 30 Prozent der Frauen und 12 Prozent der Männer punktuell oder regelmäßig unter Migräne – von nicht näher definierten Kopfschmerzen sollen sogar zwei Drittel der Frauen und 53 Prozent der Männer hier zu Lande betroffen sein. Migräneanfälle gehen einher mit starken, pochenden Kopfschmerzen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass akute Migräne die kognitiven Fähigkeiten belastet. Die Symptome beeinträchtigen die Betroffenen in ihrer Lebensqualität und Produktivität.

»Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Triptane bei der Behandlung von Migräne früher in Betracht gezogen werden sollten, statt sie nur bei schweren Anfällen einzusetzen«Chia-Chun Chiang, Neurologe

»Für Migränepatienten gibt es viele Behandlungsmöglichkeiten. Es fehlt jedoch an direkten Vergleichen der Wirksamkeit dieser Ansätze«, sagte der Studienautor Chia-Chun Chiang gegenüber der American Academy of Neurology. Chiang ist Facharzt für vaskuläre Neurologie und hat sich auf die Behandlung von Kopfschmerzen spezialisiert, er forscht und arbeitet an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota. »Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Triptane bei der Behandlung von Migräne früher in Betracht gezogen werden sollten, statt sie nur bei schweren Anfällen einzusetzen«, erklärt Chiang.

Mehr als drei Millionen Migräneanfälle hatten die rund 300 000 Beitragenden der Untersuchung über die dafür genutzte Smartphone-App gemeldet. Die Studie lief über einen Zeitraum von sechs Jahren. Mit der App konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Häufigkeit von Migräneanfällen, die vermuteten Auslöser, ihre Symptome und die Wirksamkeit der von ihnen eingenommenen Medikamenten dokumentieren und selbst überwachen.

Wer teilnahm, hielt in der App fest, ob ein Medikament wirksam war – oder nicht. Insgesamt trug die Testgruppe 4,7 Millionen Behandlungsversuche mit verschiedenen Medikamenten in die App ein. Auf der Grundlage dieser Informationen berechneten die Fachleute die Wirksamkeit der einzelnen Medikamente im Vergleich zu Ibuprofen. Das Forschungsteam aus Minnesota berücksichtigte dabei 25 Medikamente aus sieben unterschiedlichen Medikamentenklassen. Die Forscherinnen und Forscher werteten verschiedene Dosierungen und Zusammensetzungen der einzelnen Medikamente in Kombination zueinander aus.

Die drei wirksamsten Medikamentenklassen gegen Migräne

Die Studie ergab, dass die drei wirksamsten Medikamentenklassen im Vergleich zu Ibuprofen Triptane, Ergotika und Antiemetika waren. Triptane waren laut Studie fünfmal wirksamer als Ibuprofen, Ergotika dreimal wirksamer und Antiemetika zweieinhalbmal wirksamer. Betrachtet man die einzelnen Medikamente, so ragten offenbar drei Schmerzmittel hinsichtlich ihrer Wirksamkeit heraus: Eletriptan, Zolmitriptan und Sumatriptan. Alle drei gehören, wie ihr Name verrät, zur Klasse der Triptane, die in der akuten Migränetherapie gegen Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen eingesetzt wird.

Über Neurologie und die American Academy of Neurology

Die American Academy of Neurology (AAN) ist mit mehr als 40 000 Mitgliedern die weltweit größte Vereinigung von Neurologen und Neurowissenschaftlern. Sie fördert qualitativ hochwertige, patientenzentrierte neurologische Versorgung. Ein Neurologe ist ein Arzt mit einer speziellen Ausbildung in der Diagnose, Behandlung und Betreuung von Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems wie Alzheimer, Schlaganfall, Migräne, multiple Sklerose, Gehirnerschütterung, Parkinson und Epilepsie.

Die Medikamente imitieren die Eigenschaften des körpereigenen Botenstoffes Serotonin, mit dessen Hilfe die Weite der Blutgefäße reguliert wird. Sie besetzen die Bindungsstellen von Serotonin auf den Gefäßen, was eine Verengung der Blutgefäße in den Hirnhäuten bewirkt und den Migräneanfall unterbricht. Zudem hemmen sie die Freisetzung entzündlicher Eiweißstoffe im Gehirn und reduzieren die Fortleitung von Schmerzimpulsen. Triptane helfen auf Grund ihrer spezifischen Wirkungsweise nur bei Migräne und Cluster-Kopfschmerz, und sie dürfen laut bisherigen Ansichten nicht regelmäßig eingenommen werden, da sie sonst zu medikamenteninduziertem Dauerkopfschmerz führen können.

In der vorliegenden Studie erwies sich das Kopfschmerzmittel Eletriptan als sechsmal wirksamer als Ibuprofen, Zolmitriptan war fünfeinhalbmal und Sumatriptan fünfmal so wirksam. Die Fachleute stellten fest, dass die Teilnehmer Eletriptan in 78 Prozent der Fälle als hilfreich empfanden – Zolmitriptan in 74 Prozent und Sumatriptan in 72 Prozent der Fälle. Ibuprofen nahmen die Patientinnen und Patienten hingegen nur in 42 Prozent der Fälle als wirksam wahr.

Was wirkt: Aspirin, Paracetamol – und Kaffee

Das Forschungsteam untersuchte auch andere Medikamentengruppen wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), zu denen etwa Ibuprofen gehört, Paracetamol und Kombinationen verschiedener Präparate. Andere NSAR waren demzufolge zu 94 Prozent wirksamer als Ibuprofen, bei den Mitteln Ketorolac, Indomethacin und Diclofenac lagen die Angaben zur Wirksamkeit bei um die 60 Prozent (Ketorolac 62, Indomethacin 57, Diclofenac 56 Prozent wirksamer als Ibuprofen). Paracetamol hingegen empfanden die Untersuchten nur in 37 Prozent der Fälle als hilfreich, und es erwies sich in der Migränetherapie als 17 Prozent weniger wirksam als Ibuprofen.

»Wir hoffen, dass diese Studie für Menschen, deren akute Migränemedikamente nicht wirken, zeigt, dass es viele Alternativen zur Behandlung von Migräne gibt«Chia-Chun Chiang, Neurologe

Solche Hinweise sind wichtig für Patienten und Patientinnen, die wegen der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eine bestimmte Wirkstoffgruppe nicht einnehmen dürfen – etwa Menschen, die durch die Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten kein Ibuprofen einnehmen sollten und bei Migräne oder Kopfschmerzen Alternativen benötigen. Ihnen wird bislang oft zu Paracetamol geraten, das bei der Einnahme von Blutverdünnern nicht kontraindiziert ist. Interessanterweise erwies sich eine gängige Kombination von Medikamenten zur Behandlung von Migräne, nämlich Aspirin, Paracetamol und Koffein, als um 69 Prozent wirksamer als Ibuprofen, was das Manko des für sich genommen weniger wirksamen Paracetamols wieder ausgleicht.

»Wir hoffen, dass diese Studie für Menschen, deren akute Migränemedikamente nicht wirken, zeigt, dass es viele Alternativen zur Behandlung von Migräne gibt. Und wir ermutigen die Menschen, mit ihren Ärzten darüber zu sprechen, wie sie diese schmerzhafte und schwächende Krankheit behandeln können«, äußerte der Studienautor Chiang abschließend.

Eine Einschränkung der Untersuchung bestand ihm zufolge darin, dass die Bewertung von Medikamenten durch die Erwartungen der Anwender an das Medikament oder die eingenommene Dosis beeinflusst werden könnte. Eine weitere Einschränkung wäre, dass neuere Migränemedikamente noch nicht berücksichtigt wurden, da zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie zu wenige Daten vorlagen, um die neuesten Mittel mit zu untersuchen – zumal sie in vielen Ländern nicht erhältlich waren.

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