Sonne aktuell: Sonnenaktivität auf Höhenflug
Lange haben wir gerätselt, ob die Sonne nach einem flachen einjährigen Rückgang ihrer Aktivität seit dem Sommer 2023 nochmal loslegt, denn das Niveau der Maxima des vorigen Jahrhunderts wurde bisher deutlich verfehlt. Doch im Mai 2024 zeigte unser Zentralgestirn schließlich, was es kann, und demonstrierte, wie die Sonnenaktivität in einem richtigen Maximum aussieht: Ganze fünf Eruptionen (englisch: flares) der stärksten Klasse X sowie 55 Flares der zweitstärksten Klasse M wurden in diesem Monat registriert. Die meisten dieser Ereignisse traten in einer einzigen großen Fleckengruppe in der südlichen Hemisphäre auf. Hinsichtlich seiner Fläche übertrumpfte dieses aktive Gebiet seine beeindruckenden Vorgänger im Wettbewerb um die größte Gruppe des Zyklus (siehe »Rekordhalter im aktuellen Zyklus«).
Die Fleckengruppe entstand wie aus dem Nichts und entwickelte sich in den ersten zehn Tagen im Mai sehr schnell. Zuvor war der betreffende Längenbereich im Gradnetz der Sonne mindestens zwei Monate lang nahezu inaktiv gewesen. Am 9. Mai hatten die Flecken der Gruppe und ihre Penumbren außergewöhnliche Ausmaße erreicht und dabei die Mehrzahl ihrer intensiven Flares produziert (siehe »Eine neue Monstergruppe«). Mit fortschreitender Sonnenrotation folgten zwei Ketten von kleineren Flecken auf beiden Seiten des Äquators; vor allem aber im Süden schienen diese Prozessionen nicht abreißen zu wollen.
Nur in den ersten und letzten Tagen im Mai glich die Aktivität dem moderaten Niveau der Vormonate. Gemäß den Zählungen des Beobachternetzes der VdS-Fachgruppe Sonne ergab sich für die monatliche Sonnenfleckenrelativzahl der schon stattliche Wert von 140,8 im April; im März lag er allerdings nur bei 106,8. Die für den Mai ermittelte Relativzahl von 155 ist daher die bisher höchste in diesem Zyklus und bestätigt das besonders hohe Niveau der Sonnenaktivität in diesem Monat. Entsprechendes gilt für die Zählungen des Solar Influences Data Analysis Center (SIDC) in Belgien, die für den Monat Mai sogar 171,7 ergaben. Zum Vergleich: Im Juni und Juli 2023 ermittelte das SIDC rund 160.
Doch nicht allein die Relativzahl, sondern auch die außergewöhnliche Anzahl der Eruptionen charakterisieren den besonders hohen Grad der Aktivität im Mai. Das Geschehen scheint momentan mehr von der Südhalbkugel angetrieben zu werden, allerdings mit stets nennenswerten Beiträgen von Fleckengruppen auf der Nordhalbkugel. Die Unterschiede zwischen den beiden Hemisphären sind also weitgehend ausgeglichen – ganz anders, als es im ungewöhnlich schwachen vergangenen Zyklus der Fall war: In den Jahren 2012 und 2014 sahen wir zwei Maxima, die jeweils vom Aktivitätsverlauf einer einzigen Hemisphäre getragen wurden und stark asynchron verliefen.
Als die große hyperaktive Fleckengruppe infolge der Sonnenrotation am 13. Mai am Westrand verschwand, veranschaulichte eine fein strukturierte Fleckenprotuberanz die bogenförmige Magnetfeldstruktur über der weiterhin aktiven Region, die nun unseren Blicken entzogen war (siehe »Feine Bögen, starke Felder«). Mit einem engbandigen Filter für den Spektralbereich der roten Wasserstofflinie H-alpha wurden solche Beobachtungen in Momenten ruhiger Luft möglich. Viele weitere schöne Protuberanzen, teilweise abhebend, wurden im Mai beobachtet – gute Beispiele dafür, dass Amateurastronomen heutzutage mit im freien Handel erhältlicher Ausrüstung interessante Details der Sonnenphysik live nachvollziehen können.
Nach dem beeindruckenden Monat Mai sieht es ganz so aus, als wäre dieses zweite Aktivitätsmaximum auch das Hauptmaximum des gegenwärtigen Zyklus. Damit setzt sich der Zyklus von seinem sehr schwachen Vorgänger zunehmend ab, und wir dürfen in diesem Jahr noch auf weitere aktive Phasen gespannt bleiben. Allerdings liegt die Relativzahl für den Monat Mai nur um 20 Prozent über dem höchsten Monatsmittel von 2014, während sie in einigen Monaten der 1950er Jahre um 80 Prozent und im Jahr 1991 noch um 40 Prozent höher ausfielen. Der gegenwärtige Zyklus gehört also bislang zu den schwächeren seiner Art. Wir dürfen uns jedoch darauf freuen, dass es in naher Zukunft in jedem Fall viel auf der Sonne zu sehen geben wird.
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