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News: Die Einstellung macht's

Jeder Patient geht auf eigene Weise mit seiner Krankheit um. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, wurde an der Universität zu Köln untersucht. Die Wissenschaftler verglichen drei Personengruppen: Leukämiekranke, chronisch an Morbus Crohn (Darmentzündung) leidende Menschen und neurotische Patienten. Verglichen mit den anderen sind gerade die neurotischen Menschen kaum in der Lage, mit sinnvollen Bewältigungsstrategien gegen ihre Ängste vorzugehen - und das, obwohl bei ihnen keine tödliche Bedrohung besteht.
Menschen zeigen verschiedene Arten, mit einer Erkrankung umzugehen: Patienten können mit einer bewußtseinsnahen Bewältigung (Coping) reagieren oder mit einer eher unbewußten Abwehr. Dabei unterscheiden die Psychologen "unreife Abwehr", die verleugnende und die narzißtische Abwehr, die zwanghafte und die hysterische Abwehr. Bei der unreifen Abwehr zeigen die Betroffenen ein passiv-aggressives Verhalten. Die verleugnende und die narzißtische Abwehr ist zum Beispiel gekennzeichnet durch eine Idealisierung der Helfer oder die Einstellung "mir kann doch nichts passieren". Bei einer zwanghaften Abwehr versucht ein Patient, die Kontrolle zu erlangen, indem er sich beispielsweise mit den Tatsachen auseinandersetzt und dabei jegliche Emotionen beiseite schiebt. Die Verdrängung der Krankheit spielt bei der hysterischen Abwehr eine große Rolle.

Je weniger primitiv und nicht verzerrend die Abwehrreaktion ist, desto stärker ausgeprägt scheint die Bewältigungsfähigkeit zu sein. Zu den Bewältigungsstrategien wurden Resignation, Ablenkung von der Krankheit und verschiedene Formen gedanklicher Auseinandersetzung gezählt, ebenso wie soziale Kontakte, Bereitschaft zur Mitarbeit und eine kämpferische Einstellung.

Volker Tschuschke vom Institut für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität zu Köln untersuchte Abwehrreaktionen und Bewältigungsstrategien von Patienten mit drei Arten von Krankheiten: Leukämie, Morbus Crohn oder Neurosen. Diese drei Gruppen zeigten sehr unterschiedliche Profile im Hinblick auf ihre Anstrengungen, mit der jeweiligen Krankheit fertig zu werden.

Die an einer chronischen Krankheit leidenden Morbus Crohn-Patienten schienen eine Art Gleichgewicht zwischen der subjektiv erlebten Bedrohung – angezeigt durch die Ausprägung der Abwehr – und der zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten erreicht zu haben. Sie zeigten eine sehr geringe Neigung zur Selbstaufgabe und verfügten über ausgeprägte Bewältigungsstrategien. Die Kölner Psychologen stellten auch fest, daß ihre Bereitschaft zur Mitarbeit sehr groß war.

Leukämie-Patienten wiesen ein relativ hohes Abwehrniveau auf. Unreife Abwehrformen traten nur in geringen Maße auf. Gleichzeitig dazu waren sie in hohem Maße in der Lage, ihre Bewältigungsmöglichkeiten zu aktivieren, wobei günstige Strategien überwogen. Besonders ausgeprägt erschien die kämpferische Einstellung, gefolgt von der Bereitschaft zur Mitarbeit und der gedanklichen Verarbeitung. Ungünstige Strategien, wie zum Beispiel Resignation, zeigten sich nur wenig.

Die Untersuchungen wiesen nach, daß ungünstige Bewältigungsformen sich bei den Patienten signifikant auch in geringeren Überlebenswahrscheinlichkeiten niederschlugen. Eine "reifere" Abwehr scheint dagegen den Weg für die Aktivierung von geeigneten Bewältigungsstrategien offen zu halten.

Im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen erleben Neurose-Patienten ihre Krankheit ganz anders und gehen entsprechend auch anders mit ihr um. Diese Patientengruppe wies das relativ höchste Ausmaß an Abwehr auf, wobei die unreife und die verleugnende Variante besonders hervortraten. Keine der beiden anderen Gruppen zeigte im Bereich der "primitiven" Abwehr so hohe Werte. Eine angemessene Bewältigung war bei diesen Patienten praktisch nicht existent, stellten die Kölner Wissenschaftler fest. Diese Kombination aus stark ausgeprägter primitiv-verzerrender Abwehr mit zugleich nicht vorhandenen Bewältigungsstrategien stellt eine sehr ungünstige Konstellation dar. Selbstaufgabe spielt bei neurotischen Patienten eine große Rolle.

Die Wissenschaftler schließen aus ihrer Studie, daß die Abwehr die nachfolgende Bewältigung entscheidend beeinflußt. Prinzipiell bleiben ihrer Meinung nach auch andere Modellüberlegungen bestehen, nach denen Abwehr eine Unterform der Bewältigung oder Bewältigung die gelungene Form der Abwehr sein kann. Das Verhältnis von Abwehr und Bewältigung als Reaktion auf eine reale bedrohliche Situation ist in ganz erheblichem Ausmaß von der Persönlichkeitsstruktur bestimmt und nicht nur von der objektiven Bedrohung durch die faktisch gegebene Erkrankung. Die reale Bedrohung spielt offenbar eine untergeordnete Rolle.

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