Heliosphäre: Die Entdeckung der Langsamkeit
Unsere Sonne verströmt wie alle Sterne einen stetigen, schnellen Teilchenwind ins All. Sie erzeugt so eine Blase um das Sonnensystem, in der ihr Wind die Oberhand hat. Elektrisch geladene Teilchen ferner Sterne können nicht in diese Blase, die so genannte Heliosphäre, eindringen. So stauen sie sich davor auf, während die Sonne durch das interstellare Medium pflügt. Allerdings scheint diese Bewegung langsamer und der Übergang ins interstellare Medium weicher zu sein als bislang angenommen.
Mit Geschwindigkeiten von rund 300 bis 800 Kilometern pro Sekunde bläst unsere Sonne ständig geladene Teilchen wie Elektronen, Protonen, und Heliumkerne ins All. Alle anderen Sterne der Milchstraße produzieren ihren eigenen Sternwind, viele deutlich stürmischer als unser Gestirn. So wird unser Sonnensystem rundum in einem Strom interstellarer Teilchen gebadet. Doch die Sternwinde mischen sich nicht einfach; da die geladenen Teilchen ihrem jeweils eigenen Magnetfeld folgen, können sich ihre Wege nicht direkt kreuzen. Daher pustet der Sonnenwind eine Blase rund um das Sonnensystem frei. Dort wo diese auf den interstellaren Sternenwind trifft, befindet sich die Grenze des Sonnensystems, die Heliopause.
Die Blase um unsere Sonne ist nicht kugelförmig. Unser Zentralgestirn bewegt sich relativ zum interstellaren Teilchenstrom und so staut sich dieser an der Vorderseite der Heliopause auf. Die verdrängten Teilchen fließen seitlich vorbei und lassen die Blase in einem Schweif auslaufen. Die genauen Vorgänge hängen davon ab, wie schnell sich unsere Sonne bewegt. Im Umkehrschluss können Astronomen durch die Vermessung der Heliopause herausfinden, wie schnell unsere Sonne durchs All fliegt.
Ein internationales Astronomenteam um David McComas vom Southwest Research Institute im texanischen San Antonio fand nun mit Daten des NASA-Satelliten IBEX (Interstellar Boundary Explorer) und der beiden Voyager-Sonden heraus, dass die Sonne langsamer als bislang gedacht durch das All fliegt. Der erdnahe Satellit IBEX beobachtet ungeladene Teilchen, welche die Heliopause ungehindert durchdringen können und so als Boten des interstellaren Sternwinds dessen Richtung und Geschwindigkeit anzeigen.
Die Astronomen zogen außerdem Daten der Voyager-Sonden hinzu, die sich in der rund 100-fachen Entfernung Erde-Sonne im Bereich der Heliopause befinden. Bereits 2011 schlossen Wissenschaftler aus deren sporadisch gesendeten Daten, dass die Heliopause eine seltsam schaumige Struktur hat. Nun kombinierten McComas und seine Kollegen die Daten der drei Sonden mit Computermodellen der Vorgänge in der Heliosphäre und fanden heraus, dass unsere Sonne mit "nur" 23,2 Kilometer pro Sekunde (rund 84 000 Kilometer pro Stunde) auf den interstellaren Teilchenstrom trifft. Bisher galt der von der Sonnensonde Ulysses ermittelte Wert von 26,3 Kilometer pro Sekunde als Richtwert. Der Unterschied mag nicht groß erscheinen, er bedeutet aber, dass der Druck an der Vorderseite um fast ein Viertel geringer ist. Daher staut sich der Sternwind zwar zu einer Bugwelle vor der Heliosphäre auf, bildet aber entgegen bisheriger Annahmen keine dichte Stoßwelle.
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