Biotechnologie: Die Fallen im Patentrechtsstreit
Ein Etikett wie "Terminator" stempelt ohnehin niemandem zum Sympathieträger. Aber selbst der Agrarbiotech-Gigant Monsanto aus St. Louis in Missouri war damals von einer Welle der Empörung überrollt worden, die ihm ein Patent zur Herstellung transgener Pflanzen eingebracht hatte; einer neuen Sorte, die ausschließlich sterile Samen hervorbringt und Landwirte damit zwingt, jedes Jahr erneut Saatgut für den Anbau nachkaufen zu müssen. Kurze Zeit später, im Jahr 1999, entschied die Konzernzentrale, doch kein "Terminator"-Saatgut zu verkaufen.
Das Geschäftskonzept von damals – wenn auch vielleicht nicht die dahinter stehende Technik – gewinnt nun offenbar wieder an Boden. Gerade verhandelt der Oberste Gerichtshof der USA den Fall Monsanto gegen Vernon Hugh Bowman, einen 75-jährigen Sojafarmer aus Indiana, der seine aus Monsanto-Keimlingen gewachsene Ernte acht Jahre lang immer wieder für die nächste Aussaat verwendet hatte. Und damit – so argumentiert zumindest Monsanto – eine Patentrechtverletzung begangen hat, anstatt jedes Jahr frisches Saatgut für die nächste Pflanzengeneration nachzukaufen. Sollte Bowman gewinnen – was nach Ansicht von Prozessbeobachtern nicht ganz auszuschließen ist –, so würde Biotechfirmen in Zukunft deutlich schwerer fallen, Patente auf gentechnisch veränderte Organismen von Mikroben bis Pflanzen durchzusetzen. Und genau das könnte sie verleiten, über "Terminator"-Technologien noch einmal gründlich nachzudenken.
"Wäre ich Monsanto und würde mitbekommen, dass Patente meine Sojaprodukte nicht schützen – ich würde nach einem biotechnologischen Ausweg suchen" fasst Christopher Holman zusammen, ein Schutzrechte-Experte an der Juristischen Fakultät der University of Missouri in Kansas City. Und tatsächlich arbeiten verschiedene Synthetische-Biologie-Konzerne längst an "Terminator"-ähnlichen Schutzstrategien, um sich gegen Ideenklau und Produktpiraterie zu wappnen.
Vor Gericht: Landwirt gegen Agrarkonzern
Bowman hatte regelmäßig Monsantos herbizidresistenten Soja als Hauptanbaupflanze bezogen, dann aber – an der Firma vorbei – Keimlinge für die Spätaussaat aus genossenschaftlichen Genossenschaftssilos besorgt, in denen bekanntermaßen transgenes Saatgut von Monsanto lagerte. 2007 hat Monsanto den Landwirt schließlich verklagt. Und mit jeder Instanz, durch die der Prozess seitdem geklettert ist, wächst nun die Bedeutung des Urteils: Was erst eine Verhandlung über Vertragsverletzungen war hat sich mittlerweile zur grundlegenden Bedrohung der Geschäftsidee von Unternehmen ausgewachsen, die mit Patente eine rechtliche Grundlage für die Begrenzung natürlicher Vermehrungsprozesse schaffen möchte. Die niedrigen Rechtsinstanzen hatten zu Gunsten Monsantos entschieden – und so waren viele Beobachter überrascht, dass der Fall am Supreme Court der USA überhaupt Gehör fand.
Aber selbst wenn der oberste Gerichtshof die erstinstanzlichen Urteile nicht kippen sollte: Längst arbeiten Biotechnologieunternehmen daran, ihre Patente für "selbstreplizierende Innovationen" zu präzisieren. Ohne Schutzrechte, so argumentieren die Firmen, würde jede Handhabe fehlen, gegen solche Käufer von Saatgut, Zellkulturen oder transgene Organismen vorzugehen, die diese dann ihrerseits tausendfach vermehren und schließlich – viel billiger – weiterveräußern. "Man würde die erste Saat verkaufen – und das war’s dann", fasst Hans Sauer zusammen, der Vizechef von der Biotechnology Industry Organization, einer Lobbygruppe aus Washington DC.
Frühere Patente auf "Gennutzung-Restriktionstechnologien" – von der Aktivistenopposition später in "Terminatortechnik" umgetauft – beschreiben genetische Modifikationen, die in sich entwickelnden Pflanzenembryonen eine Toxinproduktion ankurbeln, welche die junge Pflanze schließlich abtötet. Somit stünde am Ende Saatgut, das Erntepflanzen hervorbringt, die ihrerseits aber keine Nachkommen produzieren. Ein kontroverses Vorgehen: Es nährt die Befürchtung, das Landwirte am Ende völlig von den Konzernen abhängig werden.
Während sich der Oberste Gerichtshof der USA sich mit dem kontroversen Genpatent-Fall beschäftigt arbeiten Gentech-Firmen weiter an Methoden, mit denen die natürliche autonome Vermehrung ihrer Technologien unterbunden werden kann
- Samen – Die "Terminator"-Technologie sorgt für sterile Samen.
Status: Politisch hochgiftig - Synthetische Biologie – "Gen-Wächter" verlangen nach einem beigemengten proprietären Wirkstoff im Nährmedium
Status: Noch in Arbeit - Nanotechnologie: Auch hier soll nur ein proprietärer Zusatzstoff Wachstum möglich machen.
Status: Derzeit rein hypothetisch
Sterile Samen könnten prinzipiell auf ganz verschiedenen Wegen erzeugt werden: Eine Möglichkeit wäre etwa ein transgenetisch gezieltes Ausschalten bestimmter Erbgutfaktoren in der Pflanze; die so veränderten Keimlinge würden die ihnen antrainierten Vorzüge demnach nicht weitergeben.
Ein Transgen könnte aber auch der Kontrolle durch ein weiteres chemischen Signals unterworfen werden – zum Beispiel der eines proprietären Aktivierungswirkstoffes, mit dem die Unternehmen dann erst die Kontrolle über die gentechnologisch eingeschleusten Eigenschaften erlangen. Die Käufer des Saatgutes müssten diesen Wirkstoff jedes Jahr wieder neu erwerben. Diese Strategie verfolgt zum Beispiel Ginkgo Bio Works, ein vor vier Jahren ins Geschäft der Synthetischen Biologie eingestiegenes Unternehmen aus Boston in Massachusetts. Die Firma stellt "maßgeschneiderte Mikroben" für die Produktion verschiedenster marktgängiger Chemikalien her. Ihr Gründer Jason Kelly verrät die Pläne der Firma: Kunden sollen exakt nach nur nach Einsatzdauer der Mikroben bezahlen, wofür die Firma aber ein verlässliches Abrechnungssystem mitsamt Diebstahlsicherung entwickeln muss.
Zu diesem Zweck arbeitet Ginkgo gerade an einer "Genwächter"-Technik, erläutert Kelly: Einem gentechnologischer Kniff, der die bakterielle Produktion des Endproduktes von der Verfügbarkeit eines nur von Ginkgo produzierten Zusatzstoffes im Nährmediums abhängig macht. Analoge Strategien könnten auf ganz anderen Gebiete, etwa in der Nanotechnologie ganz ähnlich angewandt werden: Hier wäre dann die Tätigkeit vorgefertigter Nanobots zum Beispiel von einem proprietären Rohstoffzusatz abhängig.
Und so kommt es, dass auch einige Umweltaktivisten einen überraschenden Schwenk vollziehen und die Vorteile von Terminator-Technik zu sehen beginnen: Schließlich möchten gerade Ökolandwirte eine Verunreinigung ihrer Felder mit gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sicher ausschließen. Und um Lebensmittelsicherheit besorgte Gruppierungen sorgen sich, ob die von der neue Generation gentechnisch veränderter Organismen erzeugten Chemikalien und Pharmazeutika in die Nahrungskette gelangen können. Wenn also genetisch modifizierte Pflanzen mit hoher Sicherheit nur eine Generation lang überdauern würden – würde die Technologie dann nicht, wie Holman meint, "viele der Umweltbedenken zerstreuen"?
Alle Ansätze, die auf dem gezielten Ausschalten der eingebrachten Merkmale beruhen, haben allerdings noch eine lange Strecke Forschung bis zur Einsatzreife vor sich: Noch die erste Generation der Terminatortechnik kämpft, so berichten die Firmen, mit allerlei technischen Problemen. Von Monsanto gehaltene Patente verlangen etwa nach dem Einbau von drei verschiedenen Genen in die Pflanze, und die Firma lässt verlautbaren, dass sie derzeit nicht weiter an der Technik forscht. Andere Unternehmen hoffen währenddessen, dass sie den Aufwand nicht selbst stemmen müssen. "Mag schon sein, dass derartige Techniken neue Wege öffnen, über die wir unsere Investitionen absichern können", erklärt etwa Brett Lund, der früher die Abteilung zum Schutz geistigen Eigentums im Bereich Biosprit beim Agrogiganten Syngenta in Basel geleitet hat. Der einfachste und beste Weg, so ergänzt er, "wären aber unsere Patente".
Der Artikel ist im Orginal unter dem Titel "Seed-patent case in Supreme Court" auf der Nature-Website veröffentlicht worden.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben