Erdgeschichte: Dünne Luft auf der jungen Erde
Vor rund 2,7 Milliarden Jahren, als die Erde nicht einmal halb so alt war wie heute, zeigte sich unser Planet von seiner unfreundlichen Seite. Zu dieser Epoche enthielt die bodennahe Atmosphäre praktisch keinen Sauerstoff, so dass in der als Archaikum bezeichneten Zeit nur primitive einzellige Lebensformen auftraten. Für diese war Sauerstoff sogar ein starkes Gift. Wir wissen bislang nur wenig über die frühe Erdatmosphäre, so dass zwei kürzlich veröffentlichte Arbeiten von zwei unterschiedlichen Wissenschaftlergruppen aufhorchen lassen.
Die Forschergruppe um Sanjoy M. Som von der University of Washington im gleichnamigen US-Bundesstaat untersuchte vulkanische Gesteine, Basalte, die vor 2,7 Milliarden Jahren erstarrten und heute in Westaustralien zu finden sind. Sie folgern aus ihren Messdaten, dass die Erdatmosphäre damals nur etwa den halben Oberflächendruck im Vergleich zu heute aufwies. Das andere Wissenschaftlerteam um Andrew G. Tomkins von der Monash University in Melbourne untersuchte Kalksteine aus Westaustralien, die ebenfalls vor 2,7 Milliarden Jahren entstanden, und konnte aus diesen 60 Mikrometeorite extrahieren, die zu jener Zeit auf die Erde gefallen waren. Ihre chemische Analyse weist darauf hin, dass in Höhen um 75 Kilometer über der Oberfläche die dünne Atmosphäre größere Mengen an freiem Sauerstoff enthielt, der in den tieferen Lagen eindeutig fehlte.
Wie aber konnten die Forscher um Som den Luftdruck vor 2,7 Milliarden Jahren bestimmen? Dafür untersuchten sie Basaltgesteine im Pilbara-Kraton, einer Region des australischen Kontinents, die sich seit dieser Zeit geologisch nur wenig verändert hat. Basalte sind Gesteine, die bei Temperaturen um 1100 Grad Celsius flüssig aus einem Vulkan austreten und Lavaströme bilden. Lava enthält immer größere Mengen an Gasen, die in der Gesteinsschmelze gelöst sind. Durch die Druckentlastung beim Austritt an der Erdoberfläche dehnen sich die Gase aus und bilden im dann erstarrten Basalt charakteristische Blasen. Sie zeigen sich als Hohlräume, aus denen die Gase längst entwichen sind. Damit erinnert Basalt ein wenig an einen gehenden Hefeteig, bei dem Mikroorganismen mit ihrem Stoffwechsel Kohlendioxid freisetzen und damit den Teig aufblähen.
In den Basalten vom Beasley River in Pilbara haben sich diese Blasen bis heute erhalten. Sie wurden allerdings über die lange Zeitspanne hinweg mit Mineralen wie Kalzit oder Achat aufgefüllt und erscheinen heute als helle rundliche Flecken in den rostbraunen Basalten. Den Forschern kam es aber vor allem auf ihre Volumina an und nicht auf die Füllungen. Die Größenverteilung der Blasen in den alten Gesteinen belegt, dass im Vergleich zu heute der Luftdruck deutlich niedriger war. Der wahrscheinlichste Wert liegt bei etwa einem halben Bar – nur halb so viel wie heute. Um nicht einer Fehlinterpretation aufzusitzen, hatten die Forscher bei der Auswahl der Gesteine sichergestellt, dass diese eindeutig in Wasser auf Meereshöhe erstarrt sind und nicht etwa auf einem hohen Berg bei entsprechend niedrigerem Luftdruck.
Ebenfalls auf Gesteine aus der Pilbara-Region griffen die Forscher um Andrew G. Tomkins zurück. Sie waren aber nicht direkt an ihnen interessiert, sondern extrahierten aus ihnen kosmische Einsprenglinge, nämlich fossile Mikrometeorite. Sie fielen vor 2,7 Milliarden Jahren auf die Erde und wurden in kalkhaltigen Sedimenten im Meer eingeschlossen, aus denen später Kalkstein wurde. Sie konnten durch chemische Auflösung des Kalksteins mittels starker Säuren 60 Mikrometeoriten herauspräparieren und diese dann mit hochauflösenden Rasterelektronenmikroskopen im Detail analysieren. Bei ihrem Eintritt in die Erdatmosphäre verglühten die zwischen 50 und 100 Mikrometer großen Partikel nicht – sie wurden aber durch die Reibungshitze in Höhen zwischen 75 und 90 Kilometern weitgehend aufgeschmolzen. Dabei reagierte die in ihnen enthaltene metallische Eisen-Nickel-Legierung mit den Gasen der Erdatmosphäre, wobei Eisenoxidminerale entstanden, darunter Magnetit und Wüstit. Dies ist erstaunlich, da ja die frühe Erdatmosphäre praktisch sauerstofffrei war. Tatsächlich ähneln die fossilen Mikrometeoriten – übrigens die derzeit ältesten bekannten – denjenigen, die heute auf der Erde gefunden werden.
Diesen Widerspruch lösen die Forscher um Tomkins damit auf, in dem sie annehmen, dass die hohe Erdatmosphäre reich an Sauerstoff war, während die darunterliegenden Atmosphärenschichten eine Mischung aus Kohlendioxid, Stickstoff und Wasserdampf enthielten. Der Sauerstoff in der hohen Atmosphäre könnte beispielsweise durch die energiereiche ultraviolette Strahlung der Sonne aus Kohlendioxid freigesetzt worden sein. Sie vermuten, dass vor 2,7 Milliarden Jahren die Erdatmosphäre einen ausgeprägten Schichtaufbau besaß. Möglicherweise wurde die tiefere, sauerstofffreie Atmosphäre durch eine Dunstschicht aus Methan von der hohen sauerstoffreichen Atmosphäre abgeschirmt. Diese Dunstschicht könnte dafür gesorgt haben, dass die mittleren Lagen wärmer als heute waren und so die vertikale Durchmischung der Atmosphäre unterbunden haben. Eine solche Methan-Dunstschicht lässt sich heute in der dichten Stickstoffatmosphäre des größten Saturnmonds Titan beobachten.
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