Kanadische Ureinwohner: Die genetischen Narben der Kolonialisierung
Von Europäern eingeschleppte Krankheiten haben im 18. und 19. Jahrhundert die kanadische Urbevölkerung drastisch dezimiert. Das Ergebnis lässt sich heute deutlich in ihren Genen ablesen, berichtet ein Team um Ripan Malhi von der University of Illinois in Urbana: Sie betrachteten wichtige Immunsystemgene und verglichen die Varianten, die sie bei 25 heute lebenden Angehörigen der Küsten-Tsimshian fanden, mit denen, die sie aus ebenso vielen 1000 bis 6000 Jahre alten Skeletten extrahierten.
Es zeigte sich, dass Varianten, die vor der Einwanderung positiv selektiert – und demnach besonders günstig für die Menschen waren – erheblich an Verbreitung eingebüßt haben. Sie waren nach dem Kontakt offenbar nicht mehr so günstig wie zuvor. Malhi und Kollegen haben insbesondere die Pocken im Verdacht, aber auch andere Krankheiten wie Masern oder Tuberkulose wirkten sich verheerend auf die Einheimischen aus und könnten darum Auslöser der genetischen Veränderung gewesen sein. Die Epidemien überlebten vor allem jene Menschen, deren Immunsystem besser mit den Erregern umgehen konnte. Sie prägten den Genpool der heutigen Generation.
Dies bedeutet aber auch, dass in den so genannten HLA-Genen für das Immunsystem, die die Forscher untersuchten, diejenigen Varianten seltener wurden oder gar verschwanden, die das Ergebnis einer Jahrtausende währenden evolutionären Anpassung an die Verhältnisse vor Ort waren. Überhaupt sank die genetische Vielfalt durch den Populationseinbruch: Ihr heutiger geringer Wert lässt den Schluss zu, dass vor zirka 175 Jahren die effektive Populationsgröße um 57 Prozent schrumpfte.
Genetische Studien hatten bereits vor einigen Jahren gezeigt, dass die an der Nordküste der kanadischen Provinz British Columbia beheimateten Stämme seit vielen Generationen in der Region leben. Zumindest tragen Menschen, die dort vor Jahrtausenden bestattet wurden, dieselben mtDNA-Haplogruppen wie die heute dort lebenden.
Die Geschichte der kanadischen "First Nations" bestehe vor allem aus mündlich von Generation zu Generation weitergegebenen Geschichten, sagt Joycelynn Mitchell, Koautorin der Studie und Metlakatla-Indianerin. "Unsere Überlieferung erzählt davon, wie ein großer Anteil unserer Bevölkerung den Krankheiten der Europäer zum Opfer fiel. Besonders die Pocken waren eine Katastrophe für unsere Region. Es freut uns, dass wissenschaftliche Ergebnisse nun unsere Überlieferungen bestätigen."
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