Mutualismus: Die Hängenden Gärten von Amazonien
Die Herrscher des Urwalds sind die Ameisen - und gegen ihre geballte Macht kommen nur wenige andere Lebewesen an. Gut für den, der sie zum Verbündeten wählt. Eine Belohnung oder zumindest ein wenig Verführung benötigt es dafür allerdings schon.
Das wahre Leben tropischer Regenwälder spielt sich in den Baumkronen ab: Dort leben die meisten Insekten, fliegen die buntesten Vögel und toben Affen durchs Geäst. Und auch die Orchideen oder Bromelien, deren bunte Blüten die bildlichen Vorstellungen eines Dschungels mitbestimmen, finden sich oft nur außerhalb des Blickfeldes des zu Fuß durch den Wald laufenden Betrachters.
So vorteilhaft der luftige Standort für die Epiphyten ist, weil sie dort verglichen mit dem düsteren Waldboden ausreichend Licht bekommen, so problematisch mag jedoch ihre Ausbreitung sein. Verlassen sie sich auf den Wind, könnten ihre Samen ins Nirgendwo geblasen oder an lebensfeindlichen Standorten abgelagert werden. Auch der Transport durch Wasser oder durch mechanisches Auswerfen garantiert nicht den notwendigen Erfolg. Viele Pflanzen setzen deshalb auf tierische Überträger, die den Samen häufig punktgenau absetzen: Ameisen wie Camponotus femoratus beispielsweise, die die Fortpflanzungsprodukte in ihre Nester eintragen, wo sie erfolgreich keimen und aufwachsen.
Mindestens zehn Epiphytenarten aus sieben verschiedenen Pflanzenfamilien (darunter Bromelien, Aronstabgewächse und sogar kleine Kakteen) verlassen sich auf diese Dienstleistung. Darüberhinaus profitieren sie von den Nährstoffen, die sie im Ameisenbau vorfinden, und dem Schutz, den die wehrhaften Insekten ihnen indirekt zuteil werden lassen – der berühmte Ameisenforscher Edward O. Wilson stuft Camponotus femoratus gar als die aggressivste ihrer Zunft ein: Potenzielle Fraßfeinde der Pflanzen müssten bitterlich durch Bisse und Säureattacken büßen. Umgekehrt stabilisieren die austreibenden Wurzeln die Behausung der Sechsbeiner und verhindern, dass diese durch Wind und Wetter zu große Schäden nehmen, wie Elsa Youngsteadt von der North Carolina State University in Raleigh und ihre Kollegen schreiben. Mitunter ist der Bewuchs sogar so dicht und artenreich, dass die Wissenschaftler von Ameisengärten sprechen.
Erste Beobachtungen typischer Ameisengartengewächse legen allerdings nahe, dass es im Regenwald nicht unbedingt eine leckere Belohnung für die verschleppenden Kerfe gibt: Selbst wenn anhaftendes Fruchtfleisch oder Elaiosome entfernt wurden, trugen Arbeiterinnen von Camponotus femoratus die Samen ins Nest, ohne sie dort weiter zu beachten. Aber warum – wenn sie davon doch keinen offen ersichtlichen individuellen Nutzen hatten?
Es könnte an attraktiven Düften liegen, meinen nun die Biologen um Youngsteadt, die im peruanischen Madre de Dios den kleinen Regenwaldlebewesen nachstellten: In neun der zehn für Ameisengärten typischen Pflanzenarten wiesen sie einander ähnelnde, flüchtige phenolische Bestandteile nach, die als Lockmittel dienen könnten – darunter ein Stoff mit dem eingängigen Namen methyliertes 2-Hydroxy-6-Methylbenzoat (kurz 6-MMS), das unter anderem auch in Sexualduftstoffen von Ameisen auftaucht und in geringen Mengen in den Mandibel-Drüsen von Camponotus femoratus gebildet wird. Nach bisherigem Kenntnisstand fehlt der Stoff dagegen in verwandten Gewächsen, die in Ameisengärten zudem nicht siedeln. Weitere Ingredenzien des Samenparfüms glichen typischen Blütengerüchen oder -botenstoffen.
Haben die ersten Ameisen dann überhaupt einmal die Samen aufgenommen, ist es ein selbstverstärkender Mechanismus: Immer mehr der Tiere nehmen sich ein Vorbild an ihren Artgenossen, bedienen sich nun an dieser vermeintlichen Nahrungsquelle und schleppen sie in die heimatliche Trutzburg. Werden die Pflanzen dort erwachsen, liefern sie den Insekten schließlich Futterkörperchen, Fruchtfleisch und Nektar: Völlig ohne Belohnung entlassen sie ihre Träger- und Schutztruppe also doch nicht aus dem Dienst.
Diese Epiphyten genannten Pflanzen siedeln in Astgabeln oder auf dicken Zweigen der großen Urwaldriesen und bilden dort richtige kleine Ökosysteme, in denen Frösche, Spinnen und Schlangen hausen. Üblicherweise schädigen sie dabei ihren Träger nicht – außer ihr Gewicht übersteigt irgendwann die maximale Belastungsgrenze der Pflanze. Denn die Epiphyten schmarotzen nicht die Leistungen des Baums, sondern schaffen sich ihre Lebensgrundlage selbst, indem sie Nährstoffe aus der Atmosphäre sammeln, ihren eigenen Boden aus dem Bestandsabfall aufbauen und Wasser zwischen Wurzeln oder in ihrem trichterartigen Aufbau speichern. Mitunter treiben sogar die derart belasteten Bäume kleine Wurzeln in ihren Epiyphyten-Rasen, um als eine Art Entschädigung dort Nährelemente abzustauben.
So vorteilhaft der luftige Standort für die Epiphyten ist, weil sie dort verglichen mit dem düsteren Waldboden ausreichend Licht bekommen, so problematisch mag jedoch ihre Ausbreitung sein. Verlassen sie sich auf den Wind, könnten ihre Samen ins Nirgendwo geblasen oder an lebensfeindlichen Standorten abgelagert werden. Auch der Transport durch Wasser oder durch mechanisches Auswerfen garantiert nicht den notwendigen Erfolg. Viele Pflanzen setzen deshalb auf tierische Überträger, die den Samen häufig punktgenau absetzen: Ameisen wie Camponotus femoratus beispielsweise, die die Fortpflanzungsprodukte in ihre Nester eintragen, wo sie erfolgreich keimen und aufwachsen.
Mindestens zehn Epiphytenarten aus sieben verschiedenen Pflanzenfamilien (darunter Bromelien, Aronstabgewächse und sogar kleine Kakteen) verlassen sich auf diese Dienstleistung. Darüberhinaus profitieren sie von den Nährstoffen, die sie im Ameisenbau vorfinden, und dem Schutz, den die wehrhaften Insekten ihnen indirekt zuteil werden lassen – der berühmte Ameisenforscher Edward O. Wilson stuft Camponotus femoratus gar als die aggressivste ihrer Zunft ein: Potenzielle Fraßfeinde der Pflanzen müssten bitterlich durch Bisse und Säureattacken büßen. Umgekehrt stabilisieren die austreibenden Wurzeln die Behausung der Sechsbeiner und verhindern, dass diese durch Wind und Wetter zu große Schäden nehmen, wie Elsa Youngsteadt von der North Carolina State University in Raleigh und ihre Kollegen schreiben. Mitunter ist der Bewuchs sogar so dicht und artenreich, dass die Wissenschaftler von Ameisengärten sprechen.
Das Ausnützen von Ameisen ist in der Flora eine nicht unübliche Strategie, bauen doch weltweit rund 3000 Pflanzenarten auf die Hilfe der Krabbeltiere, um sich auszubreiten. Üblicherweise belohnen sie ihre Transmitter mit so genannten Elaiosomen: nahrhaften Anhängseln an den Samen, die reich an Eiweißen und Fetten sind. Die Ameisen tragen sie in den Bau, fressen dort die Elaiosomen und lassen den Rest liegen, wo er unter den günstigen Bedingungen rasch keimt. Bekannt sind solche auf Gegenseitigkeit beruhenden Beziehungen beispielsweise von Veilchen in gemäßigten Regionen oder aus Feuerökosystemen wie am Mittelmeer und in Südafrika; in den Tropen kennt man ihre Funktionsweise hingegen kaum, obwohl Ameisen dort die häufigsten Insekten sind.
Erste Beobachtungen typischer Ameisengartengewächse legen allerdings nahe, dass es im Regenwald nicht unbedingt eine leckere Belohnung für die verschleppenden Kerfe gibt: Selbst wenn anhaftendes Fruchtfleisch oder Elaiosome entfernt wurden, trugen Arbeiterinnen von Camponotus femoratus die Samen ins Nest, ohne sie dort weiter zu beachten. Aber warum – wenn sie davon doch keinen offen ersichtlichen individuellen Nutzen hatten?
Es könnte an attraktiven Düften liegen, meinen nun die Biologen um Youngsteadt, die im peruanischen Madre de Dios den kleinen Regenwaldlebewesen nachstellten: In neun der zehn für Ameisengärten typischen Pflanzenarten wiesen sie einander ähnelnde, flüchtige phenolische Bestandteile nach, die als Lockmittel dienen könnten – darunter ein Stoff mit dem eingängigen Namen methyliertes 2-Hydroxy-6-Methylbenzoat (kurz 6-MMS), das unter anderem auch in Sexualduftstoffen von Ameisen auftaucht und in geringen Mengen in den Mandibel-Drüsen von Camponotus femoratus gebildet wird. Nach bisherigem Kenntnisstand fehlt der Stoff dagegen in verwandten Gewächsen, die in Ameisengärten zudem nicht siedeln. Weitere Ingredenzien des Samenparfüms glichen typischen Blütengerüchen oder -botenstoffen.
Um ihren Verdacht zu erhärten, extrahierten die Forscher das olfaktorische Öl aus den Samen von Peperomia macrostachya – einem Vertreter der Pfeffergewächse – und behandelten damit die Fortpflanzungsprodukte der verwandten Piper laevigatum, die von den Ameisen normalerweise verschmäht wird. Die Parfümierung zeigte sogleich ihre Wirkung: Plötzlich stürzten sich die Krabbeltiere auf die Frucht und schleppten mehr als vier Fünftel der aufgepeppten Samen in ihr Nest. Die nur mit Hexan versetzte Kontrollgruppe blieb hingegen fast völlig unbeachtet. Zugleich wirkte das Odeur sammlerspezifisch: Von siebzig im Gebiet beobachteten Ameisenarten nahmen nur drei überhaupt Peperomia macrostachya auf, und von diesen trug die gärtnernde Camponotus femoratus den Löwenanteil von 85 Prozent der gezählten Samen in ihre Heimstatt – den Rest scheint 6-MMS also eher abzuschrecken.
Haben die ersten Ameisen dann überhaupt einmal die Samen aufgenommen, ist es ein selbstverstärkender Mechanismus: Immer mehr der Tiere nehmen sich ein Vorbild an ihren Artgenossen, bedienen sich nun an dieser vermeintlichen Nahrungsquelle und schleppen sie in die heimatliche Trutzburg. Werden die Pflanzen dort erwachsen, liefern sie den Insekten schließlich Futterkörperchen, Fruchtfleisch und Nektar: Völlig ohne Belohnung entlassen sie ihre Träger- und Schutztruppe also doch nicht aus dem Dienst.
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