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News: Die innere Uhr der Leber

Zur gewohnten Mittagsstunde knurrt der Magen - die Verdauung arbeitet bereits auf Hochtouren in Erwartung des Leckerbissens. Dahinter steckt eine unserer vielen inneren Uhren. Doch muss sich dieser Zeitgeber der zentralen Uhr im Gehirn unterordnen, die dem Tag-Nacht-Rhythmus folgt? Oder kann sie unabhängig davon kurzfristig darauf reagieren, wann es etwas zu essen gibt? Versuche an Ratten bestätigen frühere Ergebnisse, dass sie sich sehr schnell den Fütterungszeiten anpassen kann. Das stellt die übergeordnete Rolle der Uhr im Gehirn erneut in Frage.
In unserem Körper ticken unablässig verschiedene Uhren. Zentraler Zeitgeber ist nach Ansicht vieler Wissenschaftler die innere Uhr im suprachiasmatischen Kern des Gehirns, die über direkte Signale von der Netzhaut auf den Hell-Dunkel-Rhythmus unserer Umwelt reagiert. Sie scheint die anderen biologischen Uhren in verschiedenen Organen zu kontrollieren, die sich auf unser Verhalten und das Ablesen bestimmter Gene auswirken. Soweit die verbreitete Lehrmeinung. Aber wie direkt wirkt sich diese zentrale Uhr wirklich auf die Zeitgeber in anderen Organen wie der Leber oder der Lunge aus? Und welche Rolle spielen äußere Umweltreize? Um diese Fragen zu beantworten, untersuchten Michael Menaker und seine Kollegen von der University of Virginia in Charlottesville, wie sich festgelegte Fütterzeiten auf die verschiedenen inneren Uhren von genetisch veränderten Ratten auswirken. Die Wissenschaftler hatten an ein "Uhr-Gen", das per1, das Gen für Luciferase gekoppelt. Dieses Enzym bewirkt das Leuchten von Glühwürmchen und diente den Forschern so als Hinweis dafür, dass per1 gerade abgelesen wird. Dann setzten sie den Tieren nur noch zu bestimmten Zeiten Futter vor. Die Ratten reagierten innerhalb von zwei Tagen auf die beschränkte Nahrungsverfügbarkeit: Sie begannen jeweils einige Stunden vor der Fütterungszeit, verstärkt in ihren Laufrädern zu rennen und waren auch nachts aktiver, obwohl es nur in der Hellphase etwas zu fressen gab. Dieses schon länger bekannte Verhalten tritt auch bei anderen Säugetieren und Vögeln auf. Gleichzeitig steigt häufig die Körpertemperatur, der Magen-Darm-Trakt gerät in Bewegung und Verdauungsenzyme werden ausgeschüttet – alles eine Vorbereitung auf den wartenden Leckerbissen. Ein solches Verhalten ist früheren Versuchen zufolge unabhängig von dem Hell-Dunkel-Rhythmus, denn es zeigt sich auch bei konstantem Licht oder bei Tieren, deren suprachiasmatischer Kern geschädigt ist. Forscher gehen daher davon aus, dass die Zeitgeber, die durch das Futterangebot reguliert werden, unabhängig von der zentralen Uhr im Gehirn sind. Als Menaker und seine Kollegen in Gewebeproben die Luciferase-Gehalte maßen, stellten sie fest, dass der Rhythmus der Uhr im suprachiasmatischen Kerns tatsächlich unbeeinflusst von dem beschränkten Nahrungsangebot blieb, obwohl sich die Aktivitätsmuster der Tiere verschoben hatten. Doch selbst nach 19 Tagen folgte diese innere Uhr und damit die Expression des per1-Gens immer noch dem Hell-Dunkel-Rhythmus. In der Leber jedoch veränderte die beschränkte Nahrungsverfügbarkeit eindeutig das Ablesen des per1-Gens und damit den Luciferase-Gehalt. Schon nach zwei Tagen hatte sich das Expressionsmuster um zehn Stunden verschoben. Ihre Ergebnisse bestätigen Resultate von Ueli Schibler und seinen Kollegen vom Department of Molecular Biology der Université de Genève, die am 1. Dezember 2000 in Genes & Development von einer ähnlichen Arbeit an Mäusen berichteten. Auch sie schlossen aus den Ergebnissen, dass die Leber womöglich die einzigartige Fähigkeit besitzt, sich kurzfristig daran anzupassen, dass Nahrung nur zu bestimmten Zeiten verfügbar ist. Da sie sich dabei nicht von der zentralen Uhr im Gehirn beeindrucken lässt, müsste man wohl die bisher angenommene Hierarchie, bei der eine Zentrale die anderen inneren Uhren reguliert, noch einmal überdenken. Die Ergebnisse könnten auch weitreichende Konsequenzen für Menschen haben, deren Tagesrhythmus sich häufig ändert – sei es, weil sie in Schichten arbeiten oder viel auf Reisen sind und darum unter Jetlag leiden. Denn sie klagen oft auch über Magen-Darm-Probleme, da ihre innere "Verdauungsuhr" nicht mit den derzeit aktuellen Essenszeiten übereinstimmt.
  • Quellen
Science 291 (5503): 490

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