Direkt zum Inhalt

Religionsgeschichte: "Die katholische Kirche wird keine Konsequenzen ziehen"

Papyrus-Dokument

Herr Theißen, amerikanische Forscher haben ein antikes Stückchen beschrifteten Papyrus entdeckt. Der Text darauf deutet an, dass der historische Jesus verheiratet gewesen sein könnte. Wird die katholische Kirche darauf reagieren?

Gerd Theißen: Nein, denn sollte das Fragment echt sein, stammt es aus einer Zeit lange nach Jesus' Tod. Es zeigt also nur, dass ein Evangelium aus dem zweiten Jahrhundert Maria Magdalena als Jesus' Frau deutet. Damit ist es höchstens ein weiteres Mosaikstück des historischen Bildes von Jesus. Es lässt Spekulationen zu. Aber ein Beweis dafür, dass er tatsächlich verheiratet war, ist es nicht. Das kann die katholische Kirche natürlich dagegenhalten. Außerdem wurden die religiösen Gruppen – von denen das Schriftstück anscheinend stammt – schon öfters als Ketzer abgetan.

Papyrus-Dokument | Die lesbaren Schriftzeichen auf diesem Papyrusfragment deuten auf eine mögliche Ehefrau von Jesus Christus hin.

Es spielt also keine Rolle, ob es echt ist oder nicht?

Die katholische Kirche wird jedenfalls keine konkreten Konsequenzen ziehen. Außerdem ist es auch möglich, dass es sich bei dem Papyrus um eine Fälschung handelt: Es gibt viele, die unzufrieden sind mit der Stellung der Frau in der Kirche. Denen würde ein solches Schriftstück entgegenkommen. Aber das ist reine Spekulation.

Das Schriftstück ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass Maria Magdalena die Ehefrau von Jesus gewesen sein könnte.

Es gibt zumindest Überlieferungen, die beschreiben, dass Maria Magdalena Jesus als Jüngerin gefolgt ist, dass er sie geheilt hat und, dass sie bei seiner Kreuzigung anwesend war. Im Lukas-Evangelium heißt es, Maria Magdalena habe seine Füße gesalbt. Ihr Name wurde später zu einer Verschmelzung mehrerer Frauengestalten.

Laut der Übersetzungen der koptischen Schriftzüge steht auch auf dem Papyrusfetzen, dass Jesus Maria Magdalena für "fähig" hielt, sein Jünger zu sein – spricht das nicht dagegen, Frauen von Priesterämtern auszuschließen?

Gerd Theißen

Der Experte für das Urchristentum gilt als einer der Pioniere in der sozialgeschichtlichen Analyse des Neuen Testaments. Gerd Theißen ist emeritierter Professor für Neutestamentarische Theologie an der Universität Heidelberg. Der 69-Jährige verfasste zahlreiche Bücher, die international Beachtung gefunden haben.

Dagegen spricht vieles, nicht nur das Schriftstück. Es ist zum Beispiel wahrscheinlich, dass es auch weibliche Apostel gab: In Römer 16,7 wird zum Beispiel die Apostelin Junia erwähnt, aus der in der Einheitsübersetzung ein männlicher Junias wurde. Die katholische Kirche hat dieses Argument also weggebügelt. Außerdem sagte schon Paulus, dass alle Menschen – ob Sklaven, Frauen oder Fremdstämmige – vor Gott gleich sind. Was in der Bibel steht, ist aber nicht die letzte Autorität für die katholische Kirche. Und im Grunde ist das ja auch richtig: Alles sollte man nicht wörtlich nehmen. Dennoch ist es eine Tragödie, wie sich die Kirche dadurch festfährt. Zuerst einmal sind es doch die Menschenrechte, die dagegen sprechen, Frauen von Priesterämtern auszuschließen.

Warum, meinen Sie, hält die katholische Kirche dennoch an dieser Tradition fest?

Weil sie sehr an ihren sichtbaren Elementen und Riten hängt. Dass jeden Sonntag ein männlicher Priester die Predigt hält, ist nun einmal ein Ritual. Außerdem neigte die katholische Kirche schon immer dazu, auf äußere Bedrängnisse mit Konservativismus zu reagieren: Sie besinnt sich auf die eigene Tradition und ist auf diese Weise immun gegen Gegenbewegungen. Das kann auch gut sein – zum Beispiel hat sich die Kirche so ja auch gegen die Einflüsse des Nationalsozialismus wehren können, indem sie an ihren Grundsätzen festhielt.

Sie meinen den Grundsatz, dass Juden und Christen vor Gott gleichgestellt sind. Das ist aber etwas anderes, als die katholische Tradition, Frauen weniger religiöse Rechte einzuräumen.

Genau hier liegt ja das Problem: Das neue Testament wertet die Frau nicht ab. Jesus hat sowohl Männer als auch Frauen angesprochen. An einigen Stellen wird er sogar als Verteidiger der Frauen dargestellt. Die katholische Kirche gerät also zunehmend in einen Widerspruch zu ihren eigenen Grundlagen.

Verliert nicht auch das Zölibat seine Legitimation, wenn man das Papyrus tatsächlich als Indiz dafür versteht, dass Jesus verheiratet war?

Zumindest das erzwungene. Doch auch gegen das Zölibat gibt es wichtigere Argumente als die Botschaft auf dem Papyrus: Zum Beispiel, dass Bischöfe häufig in großer Einsamkeit leben – oder aber uneheliche Kinder aus geheimen Beziehungen haben. Mich würde interessieren, wie viele uneheliche Kinder die Bischofskonferenz insgesamt hat. Und für diese Kinder zahlt die katholische Kirche die Alimente. Man muss sich das vorstellen: Sie zahlt für die Familienflucht der Väter.

Warum ist der katholischen Kirche das Zölibat so wichtig?

Sie betont damit zum einen, dass es wichtigeres gibt, als die Frage, wer mit wem schläft. Zum anderen braucht sie Menschen, die sich ganz auf sie ausrichten, ihr ganz zur Verfügung stehen. Das geht nun einmal besser, wenn man keine Familie hat.

Herr Theißen, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.