Neozoen: Die Körperfresser kommen
Globalisierung ist nicht nur etwas für Ökonomen, in der Umwelt findet quer über alle Kontinente und Ozeane ebenfalls ein reger Austausch statt. Auch das alte Europa ist an diesem Im- und Export fleißig beteiligt - und häufig nicht immer nur zum Vorteile seiner Bewohner.
Oberflächlich besehen ist die Region zwischen Gibraltar und dem Ural, zwischen Nordkap und Sizilien ein biologischer Hort des Friedens, in dem sich die vergleichsweise wenigen Ein- und Zuwanderer harmonisch in das ökologische Gefüge einpassen, ohne die Alteingesessenen übermäßig zu be- oder gar verdrängen. In Neuseeland oder Australien sieht das ganz anders aus, bei uns aber nehmen Bisam, Mandarinente oder Rotwangen-Schmuckschildkröte nach vielerlei Zoologenmeinungen nur die freien Plätze ein, die von der letzten Eiszeit in das Netzwerk der Natur gerissen wurden.
Unter Wasser jedoch spielen sich wahre Dramen ab: Invasionsartig übernehmen vorderasiatische Dreikantmuscheln (Dreissena polymorpha) Flussbetten, Seen oder Kühlwasserzuleitungen für Kraftwerke. Im Rhein leben fast mehr exotische als heimische Wirbellose, die ihre Posten nach diversen Chemieunfällen nahezu kampflos räumen mussten und sie nun nicht mehr von den Fremdarten zurückgewinnen können. Über Wasserstraßen und Kanäle dringen Arten der Donau in den Rhein ein und umgekehrt.
Doch diese aquatische Internationalisierung spielt sich weitgehend im Verborgenen ab, denn im Gegensatz zu schrillen Sittichen, gefräßigen Kartoffelkäfern oder pelzigen Nerzen bleibt das Treiben von Mollusken, Flohkrebsen oder Wollhandkrabben der breiten Öffentlichkeit zumeist verborgen. Und auch Zoologen sehen nicht immer auf Anhieb, ob etwa der Rückgang einer einheimischen Fischart nun von Neozoen ausgelöst wird oder ob allgemeine Umweltbedingungen wie die Wassergüte dies verantworten.
Ist der Fall somit bereits aufgeklärt und der Blaubandbärbling als Schuldiger eines vorhersehbaren Artentods überführt? Ganz so eindeutig ist der Befund nicht, wie eine Gruppe von Zoologen um Rodolphe Gozlan vom britischen Winfrith-Technology-Centre nun entschlüsselt hat. Die Beobachter wollten genauer wissen, auf welche Weise der eine Fisch den anderen verdrängt: Ist es Nahrungskonkurrenz? Oder belegen die Blaubandbärblinge die angestammten Laichplätze der Moderlieschen? Aufklärung versprachen sie sich von Laboraquarien, in denen Leucaspius delineatus sowie Pseudorasbora parva getrennt oder vereint leben sollten.
Blaubandbärblingsfreie Becken waren für die Moderlieschen dabei so etwas wie Jungbrunnen: Sie prosperierten, lebten lange und produzierten reichlich Nachwuchs, der von den Eltern sorgsam umhegt wird – sie stellen die einzige Art in Europa, die ein derartige Brutpflege betreibt. Ganz anders sah dagegen das Bild in den gemischten Beständen aus, denn hier kümmerten die europäischen Lokalmatadoren rasch vor sich hin. Sie magerten ab, ihre Sterblichkeitsrate pro Jahrgang stieg auf siebzig Prozent der Individuen an und sie legten kein einziges Ei ab – die Population war mittelfristig nicht überlebensfähig.
Bestätigt wurde dieses Verlustgeschäft der Moderlieschen außerdem in einem Naturteich, der vor dem Besatz mit Blaubandbärblingen noch einen Aufschwung der Europäer um 13 Prozent vorweisen konnte. Als anschließend allerdings die Exoten von Gozlan und seinen Kollegen in das Miniatur-Ökosystem eingebracht wurden, waren die Einheimischen dem Tode geweiht: Innerhalb von drei Laichperioden nahmen sie um 96 Prozent ab.
Da aber die vegetarischen und allenfalls Insekten fressenden Fische sich nicht gegenseitig verzehrten, mussten andere Gründe für die Misserfolge im Brutgeschäft, den körperlichen Verfall und das darauf folgende Ende der Moderlieschen eine Rolle spielen. Folglich untersuchten die Ichthyologen Gewebematerial verstorbener Fische und fanden in den inneren Organen der Tiere – inklusive der Fortpflanzungsapparate – großflächige Infektionen mit pilzartig anmutenden parasitären Organismen, die nahe mit den so genannten Choanoflagellaten oder Kragengeißeltierchen verwandt scheinen.
Aus einer scheinbar unheilvollen Zweierbeziehung wurde also eine komplizierte Dreiecksgeschichte, bei der die europäische Fischart letztendlich den Kürzeren zieht. Nun blicken die Forscher mit Sorge auf das eingeschleppte Unheil – welches die übertragenden Blaubandbärblinge unversehrt davon kommen lässt –, ob es noch weitere Kreise zieht, denn Moderlieschen bilden einen wichtigen Teil der Nahrungskette im Wasser. Und zudem könnten nahe Verwandte wie der Karpfen ebenfalls von dem Pathogen befallen und damit die Fischerei geschädigt werden – eine kleine Ursache zeigt große Wirkung.
Unter Wasser jedoch spielen sich wahre Dramen ab: Invasionsartig übernehmen vorderasiatische Dreikantmuscheln (Dreissena polymorpha) Flussbetten, Seen oder Kühlwasserzuleitungen für Kraftwerke. Im Rhein leben fast mehr exotische als heimische Wirbellose, die ihre Posten nach diversen Chemieunfällen nahezu kampflos räumen mussten und sie nun nicht mehr von den Fremdarten zurückgewinnen können. Über Wasserstraßen und Kanäle dringen Arten der Donau in den Rhein ein und umgekehrt.
Doch diese aquatische Internationalisierung spielt sich weitgehend im Verborgenen ab, denn im Gegensatz zu schrillen Sittichen, gefräßigen Kartoffelkäfern oder pelzigen Nerzen bleibt das Treiben von Mollusken, Flohkrebsen oder Wollhandkrabben der breiten Öffentlichkeit zumeist verborgen. Und auch Zoologen sehen nicht immer auf Anhieb, ob etwa der Rückgang einer einheimischen Fischart nun von Neozoen ausgelöst wird oder ob allgemeine Umweltbedingungen wie die Wassergüte dies verantworten.
Ein derartiges Rätsel ist etwa der Fall des europäischen Moderlieschens (Leucaspius delineatus), das sich bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts weiter Verbreitung in den Gewässern des Kontinents erfreute. Seit damals befindet sich der Schuppenträger jedoch in großem Umfang auf dem Rückzug und verschwindet aus immer mehr Gebieten, sodass die Art heute europaweit in der Roten Liste geführt wird. Seinen Platz nimmt dagegen zunehmend der asiatische Blaubandbärbling (Pseudorasbora parva) ein, der um 1960 in einigen Teichen entlang des rumänischen Donauabschnitts ausgesetzt wurde und von dort seinen Eroberungsfischzug begann – das Auftauchen der einen und der Exitus der anderen Spezies trafen denn auch häufig nahezu zeitgleich ein.
Ist der Fall somit bereits aufgeklärt und der Blaubandbärbling als Schuldiger eines vorhersehbaren Artentods überführt? Ganz so eindeutig ist der Befund nicht, wie eine Gruppe von Zoologen um Rodolphe Gozlan vom britischen Winfrith-Technology-Centre nun entschlüsselt hat. Die Beobachter wollten genauer wissen, auf welche Weise der eine Fisch den anderen verdrängt: Ist es Nahrungskonkurrenz? Oder belegen die Blaubandbärblinge die angestammten Laichplätze der Moderlieschen? Aufklärung versprachen sie sich von Laboraquarien, in denen Leucaspius delineatus sowie Pseudorasbora parva getrennt oder vereint leben sollten.
Blaubandbärblingsfreie Becken waren für die Moderlieschen dabei so etwas wie Jungbrunnen: Sie prosperierten, lebten lange und produzierten reichlich Nachwuchs, der von den Eltern sorgsam umhegt wird – sie stellen die einzige Art in Europa, die ein derartige Brutpflege betreibt. Ganz anders sah dagegen das Bild in den gemischten Beständen aus, denn hier kümmerten die europäischen Lokalmatadoren rasch vor sich hin. Sie magerten ab, ihre Sterblichkeitsrate pro Jahrgang stieg auf siebzig Prozent der Individuen an und sie legten kein einziges Ei ab – die Population war mittelfristig nicht überlebensfähig.
Bestätigt wurde dieses Verlustgeschäft der Moderlieschen außerdem in einem Naturteich, der vor dem Besatz mit Blaubandbärblingen noch einen Aufschwung der Europäer um 13 Prozent vorweisen konnte. Als anschließend allerdings die Exoten von Gozlan und seinen Kollegen in das Miniatur-Ökosystem eingebracht wurden, waren die Einheimischen dem Tode geweiht: Innerhalb von drei Laichperioden nahmen sie um 96 Prozent ab.
Da aber die vegetarischen und allenfalls Insekten fressenden Fische sich nicht gegenseitig verzehrten, mussten andere Gründe für die Misserfolge im Brutgeschäft, den körperlichen Verfall und das darauf folgende Ende der Moderlieschen eine Rolle spielen. Folglich untersuchten die Ichthyologen Gewebematerial verstorbener Fische und fanden in den inneren Organen der Tiere – inklusive der Fortpflanzungsapparate – großflächige Infektionen mit pilzartig anmutenden parasitären Organismen, die nahe mit den so genannten Choanoflagellaten oder Kragengeißeltierchen verwandt scheinen.
Zudem weist das noch namenlose Pathogen große Übereinstimmungen mit dem bekanntermaßen ebenfalls letal wirkenden Sphaerothecum destruens auf, der das Verhängnis schon im Namen trägt und vorzugsweise verschiedene Lachsarten befällt. Mithilfe spezifischer DNA-Primer für einen kleinen Abschnitt ribosomaler Sphaerothecum-DNA konnten die Wissenschaftler denn auch die Anwesenheit der neuen Moderlieschen-Heimsuchung im Wasser nachweisen – jedoch nur in Becken, in denen ebenso Blaubandbärblinge schwammen.
Aus einer scheinbar unheilvollen Zweierbeziehung wurde also eine komplizierte Dreiecksgeschichte, bei der die europäische Fischart letztendlich den Kürzeren zieht. Nun blicken die Forscher mit Sorge auf das eingeschleppte Unheil – welches die übertragenden Blaubandbärblinge unversehrt davon kommen lässt –, ob es noch weitere Kreise zieht, denn Moderlieschen bilden einen wichtigen Teil der Nahrungskette im Wasser. Und zudem könnten nahe Verwandte wie der Karpfen ebenfalls von dem Pathogen befallen und damit die Fischerei geschädigt werden – eine kleine Ursache zeigt große Wirkung.
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