News: Die Kraft der Gedanken
Chrirurgische Verfahren können jedoch zu Infektionen oder Blutungen führen, deshalb versuchen andere Forscher, Systeme zu entwickeln, die ohne Implantate auskommen. In Australien wurde bereits das Signal eines Elektroenzephalographen (EEG) benutzt, um einen einfachen Schalter zu steuern. Jetzt geben deutsche und US-amerikanische Forscher an, ein weit besseres System entwickelt zu haben (Experimental Brain Research, Januar 1999, Abstract). "Wir haben Patienten, die vorher überhaupt nicht mehr kommunizieren konnten, dazu gebracht, Nachrichten zu schreiben", sagte Edward Taub von der University of Alabama in Birmingham. Leiter der Arbeitsgruppe ist Niels Birbaumer von der Universität Tübingen.
Die Forscher befestigen zwei etwa pfenniggroße Elektroden oben am Kopf des Patienten, über dem motorischen Kortex, einer Hirnregion, die für Körperbewegungen zuständig ist. Damit wurde das langsame kortikale Potential der Region registiert. Diese Signale können zuverlässiger gemessen werden als andere Anteile wie zum Beispiel Alphawellen, die nicht immer im EEG auftreten.
Die Forscher arbeiteten mit Patienten, die unter amyotropher lateraler Sklerose litten, einer Nervenkrankheit, die nicht selten zu vollständiger Lähmung führt. Die Versuchspersonen wurden einige Monate mit den Geräten trainiert. Sie lernten es, ihre kortikalen Potentiale positiver oder negativer zu machen und damit den Cursor auf dem Bildschirm in "Tore" oben und unten auf dem Bildschirm zu bringen. Bei jedem Training erhöhten die Forscher die Stärke des Potentials, die nötig war, um den Cursor in Bewegung zu versetzen.
Nachdem die Patienten den Cursor "im Griff" hatten, konnten sie beginnen, Nachrichten damit zu schreiben. Sie wählten erst jene Hälfte des Alphabets aus, die den Buchstaben enthielt, den sie schreiben wollten. Diese Hälfte wurde dann erneut geteilt, bis nur noch der gewünschte Buchstabe übrigblieb. Um aus einem Alphabet von insgesamt 32 Buchstaben und Satzzeichen ein Zeichen auszuwählen, wurden im Schnitt 80 Sekunden benötigt. Ein kurzer Satz brauchte etwa eine halbe Stunde.
Die Forscher arbeiten jetzt daran, die Geschwindigkeit ihres "Gedankenübersetzungssystems" zu erhöhen. Unter anderem soll der Computer nach Eingabe der ersten Buchstaben eines Wortes Ergänzungsvorschläge bringen.
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