Optik: Lebensmittelfarbe macht Haut durchsichtig
Fachleute haben die Haut von Mäusen transparent gemacht, indem sie eine Mischung aus Wasser und der gelb-orangen Lebensmittelfarbe Tartrazin auftrugen. Das Verfahren erlaubt es, innere Blutgefäße und Organe zu sehen, ohne Sonden in den Körper einzuführen. Es lässt sich möglicherweise auch am Menschen anwenden und könnte viele medizinische Behandlungen erleichtern, wie die Forscherinnen und Forscher schreiben. Das Team um Zihao Ou, Physiker an der University of Texas in Dallas, berichtet darüber in der Fachzeitschrift »Science«.
Zihao Ou und seine Arbeitsgruppe haben Tartrazin auf den Kopf beziehungsweise den Bauch von lebenden Mäusen aufgetragen. Der Stoff ist unter der Bezeichnung E 102 in der Europäischen Union als Lebensmittelfarbe zugelassen. Er dient als Zusatz beispielsweise von Backwaren, Milchprodukten, Süßigkeiten, Senf und weinhaltigen Getränken. Als die Fachleute ihn – in Wasser gelöst – auf die Mäusehaut rieben, wurde die Haut nach einigen Minuten durchsichtig und gab den Blick frei auf innere Blutgefäße und Organe. Die Wirkung ließ sich durch Abwaschen des Farbstoffs wieder aufheben.
Tartrazin absorbiert langwelliges ultraviolettes sowie blaues Licht, lässt rotes und orangefarbenes Licht aber durch. Löst man den Stoff in Wasser, nimmt die Flüssigkeit einen Brechungsindex an, der dem von wichtigen Bestandteilen des Körpergewebes ähnelt – etwa dem von Lipidmolekülen. Der Brechungsindex ist ein Maß dafür, wie schnell sich das Licht in einem Medium fortpflanzt.
Körpergewebe wie Haut ist meist undurchsichtig, weil der Mix seiner diversen Bestandteile – Wasser, Proteine, Lipide und so weiter – das Licht stark streut. In Wasser gelöstes Tartrazin diffundiert jedoch ins Gewebe hinein, was dazu führt, dass sich die Brechungsindizes der wässrigen und nichtwässrigen Gewebebestandteile einander angleichen. Infolgedessen wird das Licht weniger stark gestreut und das Gewebe klart auf – wie eine Nebelbank, die sich auflöst.
Die durchscheinende Mäusehaut enthüllte im Experiment die Blutgefäße über dem Schädel und die inneren Organe im Bauchraum. Ein ähnlicher Transparenzeffekt lasse sich bei Muskel- und Bindegewebe erzielen, schreibt das Team um Zihao Ou. Das Verfahren schade den Tieren nicht: Der ins Gewebe diffundierte Farbstoff sei bioverträglich, werde verstoffwechselt und mit dem Urin wieder ausgeschieden.
Noch nicht an Menschen getestet
An Menschen hat die Arbeitsgruppe den Farbstoff noch nicht getestet. Das sei auch deutlich schwieriger als bei Mäusen, schreiben die Fachleute, weil die menschliche Haut etwa zehnmal dicker sei. Es sei deshalb nicht klar, welche Tartrazin-Dosis und welche Verabreichungsmethode nötig seien, um das gesamte Gewebe durchsichtig zu machen. Auf keinen Fall solle man die Lebensmittelfarbe, die frei erhältlich ist, einfach so am Menschen ausprobieren. »Wir raten dringend davon ab, da die giftige Wirkung von Farbstoffmolekülen beim Menschen, insbesondere bei äußerer Anwendung, noch nicht vollständig untersucht wurde«, sagte der Materialwissenschaftler Guosong Hong, der an der Studie beteiligt war, der Deutschen Presse-Agentur.
In Zukunft aber könne die Methode möglicherweise dazu beitragen, die Humanmedizin zu verbessern, meint Guosong Hong. »Die Technologie könnte Venen für die Blutentnahme sichtbarer machen, das Entfernen von Tätowierungen mit Hilfe von Lasern vereinfachen oder bei der Früherkennung und Behandlung von Krebserkrankungen helfen.« So könne man womöglich Krebszellen und Tumorvorstufen unter der Haut aufspüren, um diese mit Lasern zu entfernen. Die nächsten Forschungsschritte bestehen laut dem Team darin, herauszufinden, wie sich das Verfahren am besten auf menschliches Gewebe anwenden lässt.
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