Nachruf: Die letzte Expedition
"Ich bin glücklich, auf ein langes Leben in der Natur zurückblicken zu können. Besonders die Erkenntnisse der vergangenen Jahre haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, uns in unserer Maßlosigkeit gegenüber der Natur einzuschränken. Nur dann haben auch künftige Generationen die Chance auf eine lebenswerte Zukunft," sprach einst Heinz Sielmann. Er verstarb am Freitag, den 6. Oktober 2006 in München.
Unvergessen ist diese eine Szene aus dem ruandischen Bergregenwald, wo Heinz Sielmann und seine Begleiter eine Familiengruppe der vom Aussterben bedrohten Berggorillas ausfindig gemacht hat. Mitten im dichten Blätter- und Bambuswerk rasten, fressen und spielen die Tiere, und Heinz Sielmann kommentiert mit Flüsterstimme, aber wohlbekanntem Näseln, das Verhalten der scheuen Primaten. Dem Anführer der Affenhorde – einem mächtigen Silberrücken – wird dies alles bald zu bunt: Er geht zum Angriff über. Sielmann, studierter Biologe, macht jedoch alles richtig, wendet sich vom Gorillachef ab, um ihn nicht mit weiteren Blickkontakten zu provozieren, und geht in die Hocke – worauf der Silberrücken die Einladung zum Bockspringen annimmt und über den Tierfilmer hinweg hüpft.
Frühes Talent
Dort geriet er sogleich unter die Fittiche von Erwin Stresemann, einem der bedeutendsten Ornithologen des frühen 20. Jahrhunderts, und Horst Siewert, Leiter der Forschungsstätte "Deutsches Wild" und ebenfalls Tierfilmer, die für Sielmanns späteres Leben stark von Bedeutung sein sollten. Denn nur ein Jahr nach seinem wider elterlichen Erwarten erfolgreichen Abitur brach der Zweite Weltkrieg aus, während dem der frisch eingeschriebene Biologiestudent 1943 an die Ostfront abkommandiert werden sollte.
Stresemann bewahrte Sielmann jedoch davor, tatsächlich in diese Kriegshandlungen verwickelt zu werden. Kurz vor dem Abmarsch war sein zweiter Mentor Siewert auf Kreta bei Dreharbeiten verstorben, und nun sollte das Nachwuchstalent die Arbeiten fortsetzen: Statt Panzerschlacht am Don hieß es deshalb Eleonorenfalken in der Ägäis, sodass Heinz Sielmann den Krieg unbeschadet überstanden hatte, als er in britische Kriegsgefangenschaft geriet und nach London gebracht wurde. Eine weitere positive Schicksalswendung, denn die Briten verschafften ihm 1947 eine Stelle als Regisseur und Kameramann für naturkundliche Unterrichtsfilme am Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht in Hamburg (später München), dessen Produktionen über Specht, Hamster oder Rote Waldameise wohl fast jeder Schüler Deutschlands gesehen haben dürfte.
Diese neuartige Darstellung der Tiere und ihrer Umwelt begründeten den Ruf Sielmanns als Pionier und verschafftem ihm den endgültigen Durchbruch im Fernsehen, für das er in den folgenden Jahrzehnten Hunderte von Produktionen fabrizierte. Filme, die ihn nicht nur in alle Welt auf der Suche nach interessanten Motiven verschlugen, sondern die auch weltweit verkauft und ausgezeichnet wurden. So erhielt er mehrfach den Bundesfilmpreis für Tierdokumentationen, den ersten Preis der Filmfestspiele Moskaus für "Herrscher des Urwaldes" über die Gorillas des Kongos, den großen Preis der Internationalen Filmfestspiele in Trento für einen Film über die Galapagosinseln, silberne und goldene Bären beim entsprechenden Festival in Berlin, Goldene Kameras, Bambis – darunter auch für sein Lebenswerk –, das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland und viele mehr.
Im Jahr 1959 startete schließlich die Erfolgsserie "Expeditionen ins Tierreich", die bis 1991 in der ARD lief. Sie zeigt den Zuschauern das absonderliche wie vergnügliche Balzverhalten von Paradiesvögeln in Papua-Neuguinea, brütende Pinguine in der Antarktis, Alligatoren in den Sümpfen der Everglades und natürlich die eingangs erwähnten Szenen mit den Berggorillas. Während dieser Reisen mussten Heinz und Inge Sielmann aber ebenso einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen, als ihr einziger Sohn Stephan 24-jährig während einer Afrikareise 1978 an den Folgen eines Unfalls stirbt.
Vom Regisseur zum aktiven Naturschützer
Zu dieser Zeit erwachte auch der Naturschützer und Ökologe im Tierfilmer, der 1972 zusammen mit den kongenialen Bernhard Grzimek und Horst Stern sowie Lorenz, Eibl-Eibesfeldt und anderen die "Gruppe Ökologie" gründete, die sich "gegen einen Fortschritt von der Natur weg sowie mangelndes Ökologiebewusstsein der Industriegesellschaft" richtete und als einer der Vorläufer der modernen Umweltbewegung gelten muss. Mehr und mehr schlugen sich entsprechende Ansichten in den Filmen nieder, in denen Sielmann vor der unkontrollierten Abholzung der Regenwälder, der Zubetonierung der Landschaft oder dem Überfischen der Meere warnte – Sendungen dieses Tenors wie "Sielmann 2000" oder "Sielmann Report" liefen zu Beginn der 1990er Jahre sogar auf RTL und SAT.1. Diese Zusammenarbeit verärgerte allerdings die ARD, die sich deshalb 1991 von ihm trennte.
Ein zweiter Schwerpunkt – und eine von Sielmanns Herzensangelegenheiten – gilt seit langem auch der Sicherung des Grünen Bands entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Noch vor dem Fall der Mauer wird dieser über tausend Kilometer langen Wildnis ein Filmporträt gewidmet. Hier sollte nach dem Willen von Heinz Sielmann ein Nationalpark von der Ostsee bis Thüringer Wald entstehen – ein Wunsch, dessen Erfüllung im Zuge der Wiedervereinigung näher zu rücken schien. Auch die anschließenden jahrelangen Verhandlungen zur Finanzierung des Naturschutzprojekts "Grünes Band" zwischen Bund, Ländern, Naturschützern und ehemaligen Flächeneignern ließen den Wunsch nach einer eigenen, finanzkräftigen Naturschutzorganisation reifen. Heute besitzt die Stiftung mehrere tausend Hektar Land und besuchen knapp zehntausende Menschen jährlich die Reservate wie das Natur-Erlebniszentrum Gut Herbigshagen in Niedersachsen: ein Vermächtnis für die Zukunft.
Deshalb dürfte auch weiterhin gelten, dass – neben dem bereits 1987 verschiedenen Bernhard Grzimek ("Serengeti darf nicht sterben") – wohl kaum ein anderer das Naturbild der Deutschen und ihr Verständnis für die Natur so sehr wie Heinz Sielmann prägte und prägen wird. Er verstarb am 6. Oktober nach Angaben seiner Stiftung ruhig und würdevoll im Kreise seiner Familie und Freunde.
Bilder wie diese fesselten vor der Einführung des Privatfernsehens Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen und begründeten den Ruf des am 2. Juni 1917 im Rheinland geborenen, späteren Ostpreußen. Früh schon interessierte er sich für seine natürliche Umwelt und wie sie sich am besten auf Film oder Foto bannen ließe. So begeisterte er sich bereits in seiner Jugend für die Schnepfen- und Watvögel der neuen Heimat Königsberg, denen er mit seiner ersten Mentor-Spiegelreflexkamera nachstellte – zum Leidwesen des Vaters, der Nachteile für die schulischen Leistungen seines Sohnes befürchtete. Auf der anderen Seite gewährten ihm Lehrer auch Sonderurlaub, damit er an der schon damals renommierten Vogelwarte Rossitten auf der Kurischen Nehrung seiner naturfilmerischen Leidenschaft nachgehen konnte.
Frühes Talent
Dort geriet er sogleich unter die Fittiche von Erwin Stresemann, einem der bedeutendsten Ornithologen des frühen 20. Jahrhunderts, und Horst Siewert, Leiter der Forschungsstätte "Deutsches Wild" und ebenfalls Tierfilmer, die für Sielmanns späteres Leben stark von Bedeutung sein sollten. Denn nur ein Jahr nach seinem wider elterlichen Erwarten erfolgreichen Abitur brach der Zweite Weltkrieg aus, während dem der frisch eingeschriebene Biologiestudent 1943 an die Ostfront abkommandiert werden sollte.
Stresemann bewahrte Sielmann jedoch davor, tatsächlich in diese Kriegshandlungen verwickelt zu werden. Kurz vor dem Abmarsch war sein zweiter Mentor Siewert auf Kreta bei Dreharbeiten verstorben, und nun sollte das Nachwuchstalent die Arbeiten fortsetzen: Statt Panzerschlacht am Don hieß es deshalb Eleonorenfalken in der Ägäis, sodass Heinz Sielmann den Krieg unbeschadet überstanden hatte, als er in britische Kriegsgefangenschaft geriet und nach London gebracht wurde. Eine weitere positive Schicksalswendung, denn die Briten verschafften ihm 1947 eine Stelle als Regisseur und Kameramann für naturkundliche Unterrichtsfilme am Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht in Hamburg (später München), dessen Produktionen über Specht, Hamster oder Rote Waldameise wohl fast jeder Schüler Deutschlands gesehen haben dürfte.
Via Institut lernte Sielmann auch seine spätere Frau Inge kennen, mit der er seit 1951 verheiratet war und die ihn regelmäßig zu Dreharbeiten im In- und Ausland begleitete. Zu dieser Zeit entstanden in Zusammenarbeit mit Konrad Lorenz und Irenäus Eibl-Eibesfeldt bahnbrechende Filmeinblicke in das Verhalten von Tieren – etwa in das Brutgeschäft der Spechte in ihrer Baumhöhle. Zu diesem Zweck wurde der Baum aufgesägt und die Wand durch Glasplatten ersetzt, hinter denen die Kamera angebracht wurde. Die englische Fassung "Woodpecker" der BBC übertraf 1954 mit ihren Einschaltquoten auf der ornithophilen Insel sogar jene des damaligen Endspiels der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz.
Diese neuartige Darstellung der Tiere und ihrer Umwelt begründeten den Ruf Sielmanns als Pionier und verschafftem ihm den endgültigen Durchbruch im Fernsehen, für das er in den folgenden Jahrzehnten Hunderte von Produktionen fabrizierte. Filme, die ihn nicht nur in alle Welt auf der Suche nach interessanten Motiven verschlugen, sondern die auch weltweit verkauft und ausgezeichnet wurden. So erhielt er mehrfach den Bundesfilmpreis für Tierdokumentationen, den ersten Preis der Filmfestspiele Moskaus für "Herrscher des Urwaldes" über die Gorillas des Kongos, den großen Preis der Internationalen Filmfestspiele in Trento für einen Film über die Galapagosinseln, silberne und goldene Bären beim entsprechenden Festival in Berlin, Goldene Kameras, Bambis – darunter auch für sein Lebenswerk –, das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland und viele mehr.
Im Jahr 1959 startete schließlich die Erfolgsserie "Expeditionen ins Tierreich", die bis 1991 in der ARD lief. Sie zeigt den Zuschauern das absonderliche wie vergnügliche Balzverhalten von Paradiesvögeln in Papua-Neuguinea, brütende Pinguine in der Antarktis, Alligatoren in den Sümpfen der Everglades und natürlich die eingangs erwähnten Szenen mit den Berggorillas. Während dieser Reisen mussten Heinz und Inge Sielmann aber ebenso einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen, als ihr einziger Sohn Stephan 24-jährig während einer Afrikareise 1978 an den Folgen eines Unfalls stirbt.
Vom Regisseur zum aktiven Naturschützer
Zu dieser Zeit erwachte auch der Naturschützer und Ökologe im Tierfilmer, der 1972 zusammen mit den kongenialen Bernhard Grzimek und Horst Stern sowie Lorenz, Eibl-Eibesfeldt und anderen die "Gruppe Ökologie" gründete, die sich "gegen einen Fortschritt von der Natur weg sowie mangelndes Ökologiebewusstsein der Industriegesellschaft" richtete und als einer der Vorläufer der modernen Umweltbewegung gelten muss. Mehr und mehr schlugen sich entsprechende Ansichten in den Filmen nieder, in denen Sielmann vor der unkontrollierten Abholzung der Regenwälder, der Zubetonierung der Landschaft oder dem Überfischen der Meere warnte – Sendungen dieses Tenors wie "Sielmann 2000" oder "Sielmann Report" liefen zu Beginn der 1990er Jahre sogar auf RTL und SAT.1. Diese Zusammenarbeit verärgerte allerdings die ARD, die sich deshalb 1991 von ihm trennte.
Die alleinige Notierung bedenklicher Entwicklungen genügten Sielmann und seiner Frau jedoch bald nicht mehr: Sie gründeten 1994 die Heinz-Sielmann-Stiftung. Sie soll vor allem Kinder und Jugendliche über eigene Erlebnisse an die Natur heranführen, die Öffentlichkeit für die Natur und ihren Schutz sensibilisieren, ein Tier- und Naturfilmarchiv aufbauen sowie große und kleinere Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten. Seit Jahren kauft die Stiftung deshalb Naturflächen auf, um sie dauerhaft unter Schutz zu stellen. Besonders im Blickfeld stehen dabei Gebiete im dünnbesiedelten Osten Deutschlands, wo große, unzerschnittene Areale einen ungestörten Lebensraum für See- und Fischadler, Fischotter und vielleicht einmal auch Wölfe bieten sollen.
Ein zweiter Schwerpunkt – und eine von Sielmanns Herzensangelegenheiten – gilt seit langem auch der Sicherung des Grünen Bands entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Noch vor dem Fall der Mauer wird dieser über tausend Kilometer langen Wildnis ein Filmporträt gewidmet. Hier sollte nach dem Willen von Heinz Sielmann ein Nationalpark von der Ostsee bis Thüringer Wald entstehen – ein Wunsch, dessen Erfüllung im Zuge der Wiedervereinigung näher zu rücken schien. Auch die anschließenden jahrelangen Verhandlungen zur Finanzierung des Naturschutzprojekts "Grünes Band" zwischen Bund, Ländern, Naturschützern und ehemaligen Flächeneignern ließen den Wunsch nach einer eigenen, finanzkräftigen Naturschutzorganisation reifen. Heute besitzt die Stiftung mehrere tausend Hektar Land und besuchen knapp zehntausende Menschen jährlich die Reservate wie das Natur-Erlebniszentrum Gut Herbigshagen in Niedersachsen: ein Vermächtnis für die Zukunft.
Deshalb dürfte auch weiterhin gelten, dass – neben dem bereits 1987 verschiedenen Bernhard Grzimek ("Serengeti darf nicht sterben") – wohl kaum ein anderer das Naturbild der Deutschen und ihr Verständnis für die Natur so sehr wie Heinz Sielmann prägte und prägen wird. Er verstarb am 6. Oktober nach Angaben seiner Stiftung ruhig und würdevoll im Kreise seiner Familie und Freunde.
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