Weltraumschrott: Die letzten Stunden des Röntgensatelliten Rosat
Am Wochenende ist es so weit: Der ausgediente Röntgensatellit Rosat wird unkontrolliert in die Erdatmosphäre eintreten und - zumindest teilweise - verglühen.
Der vor mehr als 21 Jahren gestartete Röntgensatellit Rosat steht unmittelbar vor seinem Absturz. Seine Bahn ist 53 Grad gegen den Erdäquator geneigt, so dass er alle Bereiche der Erde überfliegt, die zwischen dem 53. nördlichen und dem 53. südlichen Breitengrad liegen. Somit führt seine Bahn auch über Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit, dass Trümmerteile von Rosat auf deutschem Territorium niedergehen, beträgt nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) allerdings nur 1:580.
Am 22. Oktober wird der Satellit noch dreimal über Deutschland hinwegziehen, gegen 13:34, 15:06 und 16:37 Uhr MESZ. Den wahrscheinlichsten Absturztermin geben verschiedene Quellen übereinstimmend mit dem Vormittag des 23. Oktober an. Allerdings beträgt die Unsicherheit der Prognosen rund 10 Stunden. Das macht es auch schwierig, den Absturzort vorherzusagen, denn Rosat umrundet in knapp 90 Minuten einmal den gesamten Erdglobus.
Update 1 vom 22.10.2011, 19.30 Uhr: Aktualisierte Prognosen für den Absturzzeitpunkt von Rosat schwanken nun zwischen 4.30 Uhr MESZ und 15.30 Uhr MESZ am 23. Oktober. Im ersten Bereich dieses Zeitfensters fliegt Rosat hauptsächlich über die Ozeane, so dass ein Absturz über bewohntem Gebiet sehr unwahrscheinlich ist. Europa wäre dann außerhalb der Risikozone. Im zweiten Teil des Zeitfenster wären noch zwei Überflüge über Deutschland möglich: Gegen 12.54 Uhr MESZ (etwa auf der Linie Bad Bergzabern – Bamberg) und gegen 14.25 Uhr MESZ (entlang einer Linie vom Emsland nach Schwedt/Oder).
Update 2 vom 22.10.2011, 23.30 Uhr: Das DLR veröffentlichte um 22.00 Uhr eine aktuelle Prognose, die den erwarteten Wiedereintrittszeitpunkt von Rosat auf die Zeitspanne zwischen 1.30 Uhr MESZ und 7.00 Uhr MESZ am 23. Oktober einengt. In dieser Zeit führt die Bahn von Rosat nicht über Europa, sondern hauptsächlich über die Weltmeere sowie über Teile des amerikanischen Doppelkontinents, Afrika und Asien.
Rosat hat eine Masse von insgesamt 2,4 Tonnen. Das DLR schätzt, dass rund 1,7 Tonnen davon die Gluthitze des Wiedereintritts überstehen und in rund 30 Trümmerstücken zur Erde fallen werden. Der größte Teil davon dürfte auf die so genannte Wolter-Optik zur scharfen Abbildung von Röntgenstrahlung entfallen. Sie besteht überwiegend aus der hitzebeständigen Glaskeramik Zerodur. Auch die Strukturteile, welche die Wolter-Optik zusammenhalten, sind recht robust. DLR-Experten vermuten, dass die größten Trümmerstücke 400 Kilogramm wiegen könnten. Sollte allerdings der aus vier ineinandergeschichteten Segmenten bestehende Spiegel intakt bleiben, betrüge die Masse 1,6 Tonnen. Da die Trümmer mit einer geschätzten Geschwindigkeit von 400 Kilometern pro Stunde auf die Erdoberfläche auftreffen, entspräche die Bewegungsenergie eines 400 Kilogramm schweren Teils derjenigen eines Formel-1-Rennwagens in voller Fahrt. Größere Schäden sind also nicht zu erwarten, selbst wenn die Trümmerstücke über bewohntem Gebiet niedergehen sollten. Bisher sind noch nie Menschen beim Absturz von Weltraumschrott zu Schaden gekommen, obwohl mehrmals pro Jahr Stücke von Satelliten oder Raketen zurück auf die Erde fallen.
Die Gefahr, dass Personen durch Rosat zu Schaden kommen, liegt laut DLR bei 1:700 000. Sollten wider Erwarten weltweit dennoch Menschen oder Sachwerte leiden, so haftet die Bundesregierung dafür in voller Höhe. Schon in den 1960er Jahren wurde in einem Grundlagenvertrag über die Weltraumfahrt international festgelegt, dass jede Regierung für eventuelle Schäden ihrer Raumfahrtaktivitäten aufkommen muss.
Während seiner aktiven Forschungszeit von 1990 bis 1999 war Rosat ein Kronjuwel der deutschen Astronomie. Er erstellte unter anderem die erste vollständige Kartierung des Röntgenhimmels mit einem abbildenden Röntgenteleskop und konnte dabei rund 80 000 Röntgenquellen aufspüren. Nachdem er die Himmelsdurchmusterung abgeschlossen hatte – etwa ein Jahr nach Beginn der Beobachtungen – wurde der Satellit gezielt auf Einzelobjekte ausgerichtet, um diese im Detail und auch mit längerer Belichtungszeit zu untersuchen. Beobachtungsobjekte waren unter anderem Schwarze Löcher, Neutronensterne und Supernova-Überreste aber auch der Mond und Planeten, bei denen man eigentlich nicht mit Röntgenstrahlung gerechnet hatte.
Rund acht Jahre lang, geplant war ursprünglich eine Gesamtlebensdauer von anderthalb Jahren, konnte Rosat diesen Beobachtungen nachgehen, aus denen bislang rund 8000 Veröffentlichungen hervorgingen. Durch Ausfall eines Sternsensors wurde Rosat Ende 1998 unabsichtlich auf die Sonne ausgerichtet, so dass der letzte aktive Sensor der Röntgenoptik stark geschädigt wurde. Daher entschloss man sich Anfang 1999 zur Aufgabe des Satelliten und schaltete ihn ab. Seitdem umlief er passiv als Weltraumschrott die Erde und nähert sich nun seinem endgültigen Ende.
Aktuelle Informationen zum Wiedereintritt von Rosat finden Sie unter twitter.com/Sterne_Weltraum
Uwe Reichert und Tilmann Althaus
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