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News: Die Lieder der Erde

Irgendwo auf unserem Heimatplanet gewittert es immer. Das Spiel der Blitze wird dabei nicht nur von Donner begleitet, auch im Bereich sehr tiefer Radiofrequenzen machen sich die elektrischen Entladungen bemerkbar. Diese Signale lassen sich noch aus meilenweiter Entfernung empfangen. Wandelt man sie in Audiofrequenzen um, so ertönt eine eigentümliche Symphonie aus Zwitschern, Knacksen und Heulen, als wäre sie einem Sciencefiction-Film entsprungen. Dank eines Online-Empfängers darf sich nun jeder selbst via Internet dem 'überirdischen' Klanggenuss hingeben.
Hundertmal pro Sekunde kracht's auf Erden. Ein Blitz zuckt in den Wolken oder schlägt seine Äste gen Boden. Nur wenig später folgt der Donner. Ist das alles? Hätten wir Antennen anstelle von Ohren, so würde uns das Naturschauspiel obendrein noch allerlei zusätzliche Geräusche bescheren. Die Blitze singen förmlich im Bereich tiefer Radiofrequenzen – very low frequency (VLF). Das lässt sich mit einem entsprechenden Radioempfänger hörbar machen. Ein solches Gerät ist zwar recht einfach aufgebaut, aber nicht sonderlich verbreitet.

Wer trotzdem einmal lauschen möchte, was uns Mutter Erde vorspielt, darf das nun tun: Dennis Gallagher vom Marshall Space Flight Center stellt nämlich im Internet einen Radioempfänger für VLF zur Verfügung. Das Gerät kontrolliert ständig den Frequenzbereich zwischen einigen Hundert Hertz und ungefähr zehn Kilohertz und speist das gewandelte Signal als Audiodatei ins Netz. Was gibt es zu hören?

Drei verschiedene Geräuschtypen treten besonders häufig auf. Das ist zunächst einmal eine Art Prasseln und Knacken, das ein wenig an die Geräuschkulisse eines Lagerfeuers erinnert. Es stammt direkt von Blitzen, die sich in einem Umkreis von etwa tausend Kilometern entluden. Die Wissenschaftler nennen das Geräusch sferics als Kurzform für atmospherics – atmosphärische Störung. Sferics machen sich gleichzeitig im gesamten Frequenzbereich bemerkbar.

Weiterhin vernimmt man aus dem Lautsprecher ein Pfeifen und Piepsen, Forscher nennen es tweek. Das Signal stammt in diesem Fall von Gewittern, die weit entfernt – einige tausend Kilometer – von der Antenne getobt haben. Die Radiosignale im langwelligen Bereich erreichen trotz dieser großen Distanz noch den Empfänger. Sie überwinden die Entfernung dadurch, dass sie mehrfach zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre reflektiert werden. Bill Taylor vom Goddard Space Flight Center erklärt: "Ionosphäre und Erdoberfläche bilden einen natürlichen Wellenleiter für VLF-Signale." Dieser Wellenleiter verhält sich wie ein so genanntes dispersives Medium: Tiefe Frequenzen bewegen sich langsamer als hohe Frequenzen, dadurch wird das Spektrum von sferics aufgeweitet und das Geräusch hört sich anders an, ganz tiefe Frequenzen werden komplett abgeschnitten und sind nicht mehr zu hören.

Schließlich vernimmt man bisweilen auch einen langsam abfallenden Ton – whistler (Pfeifer) genannt. Er kommt zustande, wenn die Ionosphäre doch einmal elektromagnetische Wellen durchlässt und diese später an der Magnetosphäre reflektiert werden. Das Signal ist wesentlich stärker aufgeweitet als bei den tweeks, vor allem deshalb, weil es große Entfernungen durch Plasma zurücklegen musste.

Alle Geräusche gibt das Online-Radio in Huntsville (Alabama) originalgetreu wieder. Da laut Gallagher nachts die beste Zeit zum Lauschen ist, muss ein Europäer sieben Stunden Zeitverschiebung zurückrechnen: Früh morgens sind also die besten Resultate zu erwarten. Wer mag, darf sich einen VLF-Empfänger auch gleich selbst bauen. Einen Schaltplan, eine Anleitung und viele Tipps und Tricks finden sich auf der Homepage Interactive NASA Space Physics Ionosphere Radio Experiments.

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