News: Die Lücke geschlossen
Gleich zwei konkurrierende Teams entdeckten SAX J1808.4-3658 mit Hilfe der Sonde Rossi X-ray Timing Explorer. Die Gruppe um Michiel van der Klis und Rudy Wijnands von der University of Amsterdam fand ihn als erste und maß die Abstände zwischen den Röntgenpulsen, aus denen sich die Rotationsgeschwindigkeit berechnen ließ. Das zweite Team unter der Leitung von Deepto Chakrabarty und Edward Morgan vom Massachusetts Institute of Technology wiesen die zweistündige Umlaufzeit und die Größe der Umlaufbahn des Begleitsterns nach. Beide Arbeitsgruppen haben ihre Ergebnisse in Nature vom 23. Juli 1998 veröffentlicht.
"Seit langem haben Astrophysiker die Theorie, daß Millisekunden-Pulsare nur deshalb existieren, weil sie Schwung aus der Materie eines Begleitsternes gewinnen. Aber dies ist das erste Mal, daß wir einen dabei erwischt haben. Das wurde manchmal als der Heilige Gral der Röntgen-Astronomie bezeichnet, und Rudi hat ihn zu guter letzt gefunden", freut sich van der Klis.
Chakrabarty vermutet, daß der Pulsar sich seit 100 Millionen oder sogar bis zu einer Milliarde Jahren von seinem Begleiter ernährt. Jener hat dadurch wahrscheinlich bis zur Hälfte seiner ursprünglichen Masse verloren. Momentan wiegt er nur noch 15 Prozent der Sonne. Doch nicht alle Masseverluste gehen auf die Akkretion zurück: "Millisekunden-Pulsare verschleudern Materie, die sie nicht aufsaugen können, indem sie ihren Begleiter durch Röntgenstrahlen und Teilchenstrahlung 'verdampfen'. Wenn akkretiertes Gas auf die Oberfläche des Pulsars stürzt, erhitzt es sich und emittiert Röntgenstrahlung. Wenn die Phase der Akkretion vorbei ist, schleudert der Pulsar unter Umständen einen Strahl subatomarer Teilchen aus, der weitere Materie vom Begleiter wegbläst. Im Verlaufe von Milliarden Jahren könnte auf diese Weise der Begleitstern völlig verschwinden", erläutert Tod Strohmayer vom Rossi-Team der NASA. "Das könnte erklären, warum Millisekunden-Pulsare häufig vereinzelt gefunden werden, ungeachtet der Tatsache, daß sie einen Begleitstern brauchen, um auf Touren zu kommen. Es ist die stellare Version des perfekten Verbrechens."
Im Falle von SAX J1808.4-3658 ist die Röntgenstrahlung etwas weniger intensiv, wenn sich der Pulsar auf der erdabgewandten Seite des Orbits befindet. Die Forscher vermuten, daß die dazwischenliegende Materie, die vom Begleiter "weggeblasen" wurde, dafür verantwortlich ist.
Vor der Entdeckung von SAX J1808.4-3658 waren zwei Populationen von Neutronensternen, zu denen die Millisekunden-Pulsare zählen, bekannt, die beide relativ schwache Magnetfelder hatten. Zum einen gibt es die alten Neutronensterne, die Materie akkretieren und deshalb intensive Röntgenstrahlung aussenden. Zum anderen kannte man schnell rotierende Pulsare, die Radiowellen emittieren und allmählich langsamer werden. Die Wissenschaftler vermuteten, daß beide Typen miteinander zusammenhängen, was sich nun durch SAX J1808.4-3658 bestätigte.
Obwohl das Magnetfeld der beiden Arten von Neutronensternen viel stärker als das der Erde ist, erreicht es für Pulsare nur geringe Stärken. Nach Ansicht der Astrophysiker erlaubt erst das schwache Magnetfeld, daß die Akkretion die Sterne beschleunigt. Nach Abschluß der Akkretionsphase verschwindet die Emission der Röntgenstrahlung, weil keine weitere Materie auf die Oberfläche fällt. Außerdem nimmt die Rotationsgeschwindigkeit ohne ihren Antrieb ab. Das Magnetfeld des Pulsars dreht sich mit dem Stern. Der neue Millisekunden-Pulsar beginnt schließlich, Radiowellen auszuschicken, indem subatomare Teilchen von seiner Oberfläche durch das rotierende Magnetfeld in das Weltall beschleunigt werden.
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