Geologie: Die Lücke in der Erdgeschichte
Wer den Grand Canyon bis fast ganz unten hinabsteigt, stößt irgendwann auf einen markanten Gesteinswechsel: the Great Unconformity genannt. Hier liegt geschichtetes Sedimentgestein der Tonto-Gruppe aus dem Kambrium vor 500 bis 544 Millionen Jahren direkt über dem Vishnu-Grundgestein, das verfaltet und stark überformt ist – das mehr als 1,2 Milliarden Jahre älter ist. Geologisch bezeichnet man diesen Sprung als Diskordanz, das unregelmäßige Aufeinanderliegen von Gesteinsschichten. An verschiedenen Orten weltweit wurde eine ähnliche Lücke im fraglichen Zeitraum festgestellt, doch unklar ist, was sie schuf. Brenhin Keller von der University of California in Berkeley und sein Team legen in der »PNAS« eine neue Erklärung für das Phänomen vor: Sie vermuten einen Zusammenhang mit dem »Schneeball Erde«, einer geologischen Epoche vor 750 bis 580 Millionen Jahren, während der unser Planet komplett vereist sein soll.
Die erdumspannenden Gletscher rasierten während ihres Wachstums und nachfolgenden Vorstößen nach kurzen Tauperioden quasi einen großen Teil des Gesteins der Kontinente ab und trugen das Material in die Ozeane ein. Das würde auch erklären, warum nach Ende dieser globalen Vereisung die Sedimentablagerung dramatisch zunahm: Vor dem »Schneeball« finden sich ungefähr 0,2 Kubikkilometer Gestein pro Jahr weltweit in der Schichtabfolge wieder, so stieg das Volumen auf rund einen Kubikkilometer pro Jahr nach der Schmelze: eine gewaltige Zunahme, die sich durch die freigesetzten, enormen Mengen an Erosionsmaterial erklären ließen. Ingesamt hobelte das Eis während der zehn Millionen Jahre eine Milliarde Kubikkilometer Material ab, so die Rechnung der Geologen. Eine drei bis fünf Kilometer mächtige Gesteinsschicht wurde damit abgetragen. Die Abtragungsrate entspräche damit ungefähr dem, was heute bei grönländischen Gletschern beobachtet werden könne, so die Forscher.
Das oberhalb der Great Unconformity liegende Sedimentgestein weise zudem Zirkone – sehr langlebige Minerale – mit typischen Isotopenverhältnisse von Hafnium und Sauerstoff auf: Sie wurden aus alten Gesteinen freigesetzt und unter kühlen Bedingungen abgelagert, was für das beschriebene Erosionsszenario passe, schreiben Keller und Co. Außerdem könnte es eine Erklärung dafür sein, dass wir relativ viele Einschlagkrater von Asteroiden kennen, die weniger als 700 Millionen Jahre alt sind. Dagegen hat man erst zwei Krater entdeckt, die aus der Zeit davor stammen – auch sie wurden also von den Gletschern womöglich ausradiert.
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