Neurolinguistik: Die Macht des Worts
Wessen Wort hat mehr Gewicht – das von Peer Steinbrück oder das eines unbekannten Professors? Wie die Machtposition einer Person unsere Wahrnehmung beeinflusst, zeigte ein Team um die Neurolinguistin Ina Bornkessel-Schlesewsky von der Philipps-Universität Marburg.
Die Forscher spielten 18 Studienteilnehmern Videos mit plausiblen und unglaubwürdigen Äußerungen vor. Dabei hatten sie zwei prominente Sprecher gewonnen: den diesjährigen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück sowie den ehemaligen ARD-Nachrichtensprecher Ulrich Wickert. Als Kontrollsprecher fungierte ein unbekannter Hochschullehrer. Die Aussagen ließen sich entweder der Kategorien "Allgemeinwissen" oder "Politik" zuordnen. Während die Probanden einschätzten, ob die jeweilige Behauptung wahr oder falsch war, maßen die Wissenschaftler ihre Hirnströme mittels EEG.
Bei erfundenen Aussagen zum Allgemeinwissen wie "Fidel Castro ist ein Popsänger" spielte es keine Rolle, welcher Sprecher sie vortrug. Das Gehirn der Probanden reagierte immer gleich. Gab jedoch Steinbrück, der zur Zeit der Studie Bundesfinanzminister war, ein unwahrscheinliches politisches Statement ab wie "Die Bundesregierung verkündet den Austritt aus dem NATO-Verbund", so löste dies eine andere Hirnreaktion aus als beim Beobachten der beiden anderen Sprecher. Die EEG-Kurven der Probanden zeigten dann einen speziellen Spannungsausschlag, N400 genannt. Diese Welle erscheint typischerweise, wenn eine Aussage als unplausibel oder falsch erkannt wird. Weshalb ließen die Probanden die gleiche Fehlinformation aus dem Munde von Wickert oder eines Unbekannten eher durchgehen?
Die Antwort der Forscher: Der jeweilige Status eines Redners beeinflusst uns schon auf der neuronalen Ebene der Sprachverarbeitung. Wem wir die Macht zugestehen, die jeweilige Ansage auch in die Tat umzusetzen, bei dem schlägt unsere Ungläubigkeit stärker zu Buche. Vorwissen prägt die Wahrnehmung somit schon sehr früh.
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