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News: Die Mathematik des Krawattebindens

Ob man es nun im Schlafzimmer, vor einem Spiegel oder gar am Frühstückstisch erledigt - das Binden eines handelsüblichen Schlipses ist eine wohlvertraute Szene. Doch warum verwenden wir im täglichen Leben nur eine Handvoll verschiedener Knoten? Jetzt gibt es auf diese Frage eine Antwort. Sie kommt jedoch nicht von einem Modedesigner, sondern aus dem Munde von Physikern, die sich mit diesem wichtigen Problem wissenschaftlich auseinandergesetzt haben.
Thomas Fink und Yong Mao vom Cavendish-Laboratory der University of Cambridge beschäftigten sich in einem wissenschaftlichen Artikel mit diesem wichtigen Requisit unserer urbanen Mode – der Krawatte (Nature, Ausgabe vom 4. März 1999). Die Forscher gingen das Problem mathematisch an, doch ihre Erkenntnisse haben klaren Bezug zur Praxis: Ihre Methode erklärt nämlich nicht nur, warum wir unsere Knoten so und nicht anders knüpfen, sondern sagt auch, welche neuartigen Stile möglich wären.

Schaut man beim Binden einer Krawatte zu, wird sofort klar, daß es das breite Schlipsende ist, mit dem die Bewegungen ausgeführt werden. Es gibt dabei drei mögliche Richtungen: Das Krawattenende kann am zentralen Knoten des Schlipses jeweils entweder links oder rechts vorbeigeführt oder aber durch die Lücke oberhalb des Knotens hindurch gefädelt werden (zentrale Bewegung). In jeder einzelnen dieser Zonen kann sich das Ende des Schlipses entweder zum Hemd hin oder vom Hemd weg bewegen.

Um die Beschreibung des Bindevorganges zu vervollständigen, müssen einige wichtige Einschränkungen bei der Abfolge der Bewegungen berücksichtigt werden. So muß zum Beispiel die Abfolge damit enden, daß das breite Ende hinter dem Knoten hinweg nach vorne und dann durch zur endgültigen Festigung durch ihn hindurch gezogen wird.

Dennoch besteht zwischen einem Knoten, der auf dem Papier funktioniert, und einem stilvoll und praktisch gebundenen Schlips ein himmelweiter Unterschied. Fink und Mao sahen ein, daß sie einige Zusatzbedingungen in ihre Berechnungen mit einfließen lassen müßten. So begrenzt zum Beispiel die endliche Länge eines realen Schlipses die Anzahl der Windungen. Außerdem sollte der Knoten ästhetisch ansprechend sein. Wer möchte schon ein Gebilde um den Hals tragen, bei dem der Knoten die Größe eines Kropfes hat? Deswegen wurden Parameter eingesetzt, die Form, Symmetrie und Balance des Knotens bestimmen.

Die Form wird vor allem durch den Anteil der zentralen Bewegungen bestimmt – nicht nach links, nicht nach rechts, sondern durch die Mitte. Werden nur wenige zentrale Bewegungen ausgeführt, erhalten wir einen engen Knoten, ein großer Anteil aber ergibt einen breiten Knoten, wie den Windsor. Auf ihrer Suche nach formschönen Schlipsknoten fanden Fink und Mao heraus, daß dieser Anteil zwischen einem Viertel und einhalb liegen sollte. Um symmetrische Schlipse zu erzeugen, beschränkten sie einfach die Differenz zwischen der Menge der rechten und linken Windungen auf ein Minimum.

Der letzte Faktor – die Balance – bestimmt, wie sicher der Schlips verknotet wird und wie gut er seine Form beibehält. Eine gute Balance wurde erreicht, in dem der Umlaufsinn der Bewegungen (mit oder gegen den Uhrzeiger) sich möglichst wenig änderte. Diese letzte Beigabe machte das Schlipsknoten-Rezept der Physiker perfekt.

Die Analyse der möglichen Bewegungsfolgen kann nun zum Beispiel ergeben, welche Knoten sich im Alltag wohl finden lassen – zumindest wenn man von einer natürlichen Selektion bei Krawattenknoten ausgeht. Die Zuverlässigkeit der angewandten Mathematik kann also sozusagen "auf der Straße" überprüft werden – doch sehr nützlich ist das nicht gerade. Doch nehmen wir einmal an, das Modell besteht diesen Test. Dann würde die Möglichkeit bestehen, einige völlig neue Schlipsknoten zu erfinden. Sollte es zwei Physikern gelingen, einen Modecoup zu landen?

Die auf dieser Basis vorhergesagte Hitliste der Schlipsknoten war jedenfalls ein echter Triumph: Aus insgesamt 85 möglichen Arten, einen handelsüblichen Schlips zu knoten, ließ das Modell nur zehn praktische und ästhetische Knoten zu. Hierzu zählen zum Beispiel vier der allgemein gebräuchlichsten Varianten – der Standard-Knoten (four-in-hand), der Pratt-Knoten von 1989, der halbe Windsor- und der Windsor-Knoten von 1936. Außerdem gehört zu den zehn auch ein im Westen seltener Knoten, der aber offenbar bei der kommunistischen Jugendorganisation in China sehr beliebt ist.

Und auch neue Arten, einen Schlips formschön zu binden, wurden von den Physikern gefunden – sechs an der Zahl. Fink hat diese mit Hilfe seiner Freunde ausprobiert, wobei ihn aber die geringe Anzahl von Krawattenträgern in seinem Fachbereich nach eigenen Aussagen stark einschränkte. Der Wissenschaftler wird allerdings darauf verzichten, durch seine "Krawattenformel" gefundene neue Knoten patentieren zu lassen.

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