News: Die Melodie der Photosynthese
Doch ein Lichtfeld, das für eine solche Kontrolle geeignet ist, lässt sich nur für sehr einfache Systeme vorhersagen. Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching haben deshalb – gemeinsam mit Kollegen der Lund University, der Vrije Universiteit in Amsterdam sowie von der University of Glasgow – ein selbstlernendes Experiment konzipiert, mit dem sich das optimale Lichtfeld auch für komplexe Moleküle finden lässt. Damit ist es ihnen jetzt zum ersten Mal gelungen, einen ultraschnellen biologischen Prozess – die Lichternte, also den ersten Schritt der bakteriellen Photosynthese – erfolgreich zu kontrollieren.
Bei diesem Prozess werden in biologischen Lichternte- beziehungsweise Lichtsammelkomplexen die verschiedenen Farben des Lichtspektrums von spezialisierten Molekülen absorbiert und zu einem gemeinsamen Ziel weitergeleitet. Allerdings fließt hierbei stets ein Teil der absorbierten Energie in Verlustkanäle und geht so für die Photosynthese verloren. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, genau diese Aufspaltung des Energieflusses in zwei Kanäle "kohärent zu kontrollieren".
Doch was versteht man unter "kohärenter Kontrolle"? Nun, während die Sonne das Licht ungeordnet, gewissermaßen wie Dauerlärm, anbietet und ein Laserpuls im Femtosekunden-Bereich wie ein Knall von weniger als einem Millionstel Teil einer Millionstel Sekunde wirkt, haben die Garchinger Wissenschaftler die Farben des Lichts in bestimmte Melodien (Pulsformen) geordnet.
Mit einem speziellen Verfahren, dem evolutionären Algorithmus, haben sie dazu aus der Vielzahl vorstellbarer Melodien gerade diejenigen herausgefiltert, die im Lichtsammelkomplex eine Resonanz bewirken: Dazu wurden die verschiedenen Melodien zuerst im Computer berechnet, dann mit einem Pulsformer hergestellt und an einem Lichtsammel-Molekül getestet. Nur die erfolgreichsten Melodien kombinierte der Algorithmus zu einer weiteren Generation von Pulsformen, die dann wieder am Lichtsammelkomplex getestet wurden, und so weiter.
Auf diese Weise fanden die Forscher Formen von Lichtpulsen, mit denen sie kontrollieren können, wohin die geerntete Energie in einem Molekül fließt. Dabei konnten sie zeigen, dass auch in biologischen Molekülkomplexen, die sich aus Zehntausenden von einzelnen Atomen zusammensetzen, Quantenphänomene wie die Kohärenz eine wichtige Rolle spielen. Denn nicht nur die zeitabhängige Struktur – die Amplitude –, sondern auch die Phase des Lichtfeldes sind entscheidend für die Kontrolle der inneren Vibration in den Molekülen.
Damit ist es erstmals gelungen, einen auf Licht beruhenden biologischen Vorgang auf der physikalischen Mikroebene gezielt zu beeinflussen. Bisher konnten die Wissenschaftler jedoch nur den Anteil an Energie steigern, der in den Verlustkanälen versickert. In weiteren Experimenten wollen sie nun umgekehrt versuchen, mit geformtem Licht den Energieanteil, der in die Photosynthese fließt, zu erhöhen.
Doch neben der Möglichkeit, biochemische Reaktionen steuern zu können, eröffnen sich mit dieser Art von Experimenten völlig neue Möglichkeiten, um hochkomplexe Moleküle zu untersuchen. Denn die spezielle Form des Lichtpulses, mit dem sich ein molekularer Prozess kontrollieren lässt, ist gleichsam ein "Fingerabdruck" des Moleküls, der viele zusätzliche Informationen preisgeben kann.
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
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