Dekontamination: "Die Menge der Radionuklide sinkt nur durch Zerfall"
Auch wenn Fukushima I noch nicht völlig unter Kontrolle ist, diskutieren Experten bereits, wie man die betroffenen Regionen wieder entseuchen kann. spektrumdirekt sprach mit Gerhard Frank vom Karlsruher Institut für Technologie, wie man mit den freigesetzten Radionukliden umgehen kann.
spektrumdirekt: Wenn radioaktive Substanzen freigesetzt werden – etwa durch das Ablassen von radioaktiv kontaminiertem Wasserdampf oder durch eine Explosion des Reaktors –, welche Sofortmaßnahmen müssen dann ergriffen werden, um eine langfristige Kontamination der Umwelt möglichst zu minimieren?
Gerhard Frank: Ist die Freisetzung bereits erfolgt, kann eine Kontamination der Umwelt nicht verhindert werden. Die radioaktiven Stoffe befinden sich dann gasförmig oder an Aerosole gebunden in der Luft und werden gemäß den vorherrschenden meteorologischen Bedingungen transportiert. Aus dieser so genannten Wolke werden sie früher oder später über unterschiedliche Mechanismen wie Sedimentation, Diffusion oder über Turbulenzen der Luftströmungen – die so genannte Impaktion – auf Oberflächen abgelagert.
Das erste Ziel muss in jedem Fall sein, eine Freisetzung zu vermeiden. So werden in deutschen Kernkraftwerken Rückhaltesysteme – Filter – verwendet, die zumindest im Fall einer kontrollierten Druckentlastung aus dem Containment (dem Sicherheitsbehälter um den Reaktorkern, Anm. d. Red.) einen Großteil der radioaktiv belasteten Stoffe zurückhalten.
Gibt es unterschiedliche Methoden der Dekontamination: Behandelt man beispielsweise freigesetztes radioaktives Jod anders als Zäsium oder Plutonium?
Dekontamination ist nichts anderes als die Beseitigung von giftigen Substanzen, in diesem Fall eben von radioaktiven Stoffen. Entsprechend werden genau die gleichen Hilfsmittel eingesetzt,
Wie kann man verhindern, dass sich radioaktive Substanzen langfristig in der Umwelt anreichern?
Wenn man die radioaktiven Stoffe nicht wirklich aus der Umwelt entfernt und entsorgt, bleiben sie entweder da, wo sie sich befinden. Oder sie werden durch natürliche Transportprozesse wie Erosion und Auswaschung oder durch biologische Aktivität verfrachtet, etwa indem Tiere und Pflanzen die Nuklide aufnehmen und sie dadurch an andere Orte gelangen. Die Tatsache, dass sie radioaktiv sind, beeinflusst diese Prozesse erst einmal in keiner Weise.
Allein der radioaktive Zerfall sorgt dafür, dass die Menge der Radionuklide im Lauf der Zeit weniger wird. Jod-131 etwa hat eine Halbwertszeit von rund acht Tagen und verschwindet daher recht schnell aus der Umwelt, Zäsium-137 dagegen eine von mehr als 30 Jahren.
Was passiert mit kontaminierten Bauteilen rund um einen Reaktor?
Im Wesentlichen gibt es zwei Prinzipien: sicherer Einschluss und Rückbau. Im ersten Fall werden Maßnahmen ergriffen, gezielt die Radioaktivität vor Ort zu belassen, aber dafür zu sorgen, dass eine Freisetzung radioaktiver Stoffe sowie eine Strahlenexposition der Bevölkerung ausgeschlossen werden kann. Beim Rückbau – im Idealfall bis zur "grünen Wiese" – wird das radioaktive Inventar entsorgt und eingelagert.
Die Anlage bleibt dabei in ihren wesentlichen Bestandteilen im jeweiligen Zustand und für eine längere Zeit bestehen, wobei das radioaktive "Innenleben" sicher eingeschlossen und versiegelt ist – etwa der Reaktordruckbehälter. Die Brennstäbe und andere relativ flüchtige radioaktive Bestandteile wie Kühlmittel werden dagegen entfernt. In Deutschland befindet sich zum Beispiel der Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop im sicheren Einschluss.
Welche medizinischen Maßnahmen muss man ergreifen, um im Fall von Japan Strahlenschäden an Menschen zu verhindern oder zu minimieren?
Echte medizinische Maßnahmen – außer gegebenenfalls der Gabe von Jod – sind nach derzeitigem Kenntnisstand vermutlich nicht zweckmäßig. Welche zusätzliche Dosis bei der betroffenen Bevölkerung in Japan nun tatsächlich auftritt, wird in erster Linie durch deren Lebensgewohnheiten bestimmt, etwa ihre Aufenthaltsdauer in kontaminierten Gebieten oder durch ihre Essgewohnheiten. Darüber kann man die Belastung zu einem gewissen Maß steuern.
Solange die radioaktiven Substanzen noch nicht in den Körper gelangt sind, kann man sie zudem einfach mit Seife abwaschen – wobei die Reinigungsflüssigkeit dann nicht wieder in die Umwelt gelangen sollte. Beim Dekontaminieren ist zudem unbedingt darauf zu achten, dass keine radioaktiven Stoffe über die Haut, Einatmen oder Verschlucken in den Körper gelangen.
Wenn radioaktiver Fallout beispielsweise über Tokio niederginge: Wie kann man eine Stadt dieser Größe dekontaminieren?
Prinzipiell gilt: Dekontaminieren bedeutet "radioaktive Verunreinigungen entfernen". In welchem Maß dies in Tokio sinnvoll und machbar ist, lässt sich von hier aus leider nicht pauschal beantworten.
Herr Frank, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Gerhard Frank: Ist die Freisetzung bereits erfolgt, kann eine Kontamination der Umwelt nicht verhindert werden. Die radioaktiven Stoffe befinden sich dann gasförmig oder an Aerosole gebunden in der Luft und werden gemäß den vorherrschenden meteorologischen Bedingungen transportiert. Aus dieser so genannten Wolke werden sie früher oder später über unterschiedliche Mechanismen wie Sedimentation, Diffusion oder über Turbulenzen der Luftströmungen – die so genannte Impaktion – auf Oberflächen abgelagert.
Vor allem die nasse Deposition, also das Auswaschen durch Niederschläge, spielt hier eine bedeutende Rolle. An dieser Stelle besteht unter Umständen die wohl einzige Möglichkeit, die Ausbreitung der freigesetzten Schadstoffe durch künstlich ausgelöste Niederschlägen zu beeinflussen. So versprühten die Sowjets nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl Silberjodid, um eine möglicherweise auf Moskau zuziehende Wolke in dünn besiedeltem Gebiet abregnen zu lassen.
Das erste Ziel muss in jedem Fall sein, eine Freisetzung zu vermeiden. So werden in deutschen Kernkraftwerken Rückhaltesysteme – Filter – verwendet, die zumindest im Fall einer kontrollierten Druckentlastung aus dem Containment (dem Sicherheitsbehälter um den Reaktorkern, Anm. d. Red.) einen Großteil der radioaktiv belasteten Stoffe zurückhalten.
Gibt es unterschiedliche Methoden der Dekontamination: Behandelt man beispielsweise freigesetztes radioaktives Jod anders als Zäsium oder Plutonium?
Dekontamination ist nichts anderes als die Beseitigung von giftigen Substanzen, in diesem Fall eben von radioaktiven Stoffen. Entsprechend werden genau die gleichen Hilfsmittel eingesetzt,
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wie sie zur Beseitigung von anderen Verunreinigungen eingesetzt werden. Unterschiedliche Vorgehensweisen in Bezug auf unterschiedliche Radionuklide sind eher von akademischem Interesse und finden deshalb in der Praxis kaum Anwendung. Wichtig ist in jedem Fall, die weitere Behandlung der verwendeten Hilfsmittel und Rückstände mit zu berücksichtigen und kontaminiertes Material anschließend sicher zu verwahren. Wie kann man verhindern, dass sich radioaktive Substanzen langfristig in der Umwelt anreichern?
Wenn man die radioaktiven Stoffe nicht wirklich aus der Umwelt entfernt und entsorgt, bleiben sie entweder da, wo sie sich befinden. Oder sie werden durch natürliche Transportprozesse wie Erosion und Auswaschung oder durch biologische Aktivität verfrachtet, etwa indem Tiere und Pflanzen die Nuklide aufnehmen und sie dadurch an andere Orte gelangen. Die Tatsache, dass sie radioaktiv sind, beeinflusst diese Prozesse erst einmal in keiner Weise.
Allein der radioaktive Zerfall sorgt dafür, dass die Menge der Radionuklide im Lauf der Zeit weniger wird. Jod-131 etwa hat eine Halbwertszeit von rund acht Tagen und verschwindet daher recht schnell aus der Umwelt, Zäsium-137 dagegen eine von mehr als 30 Jahren.
Was passiert mit kontaminierten Bauteilen rund um einen Reaktor?
Im Wesentlichen gibt es zwei Prinzipien: sicherer Einschluss und Rückbau. Im ersten Fall werden Maßnahmen ergriffen, gezielt die Radioaktivität vor Ort zu belassen, aber dafür zu sorgen, dass eine Freisetzung radioaktiver Stoffe sowie eine Strahlenexposition der Bevölkerung ausgeschlossen werden kann. Beim Rückbau – im Idealfall bis zur "grünen Wiese" – wird das radioaktive Inventar entsorgt und eingelagert.
Was bedeutet sicherer Einschluss?
Die Anlage bleibt dabei in ihren wesentlichen Bestandteilen im jeweiligen Zustand und für eine längere Zeit bestehen, wobei das radioaktive "Innenleben" sicher eingeschlossen und versiegelt ist – etwa der Reaktordruckbehälter. Die Brennstäbe und andere relativ flüchtige radioaktive Bestandteile wie Kühlmittel werden dagegen entfernt. In Deutschland befindet sich zum Beispiel der Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop im sicheren Einschluss.
Welche medizinischen Maßnahmen muss man ergreifen, um im Fall von Japan Strahlenschäden an Menschen zu verhindern oder zu minimieren?
Echte medizinische Maßnahmen – außer gegebenenfalls der Gabe von Jod – sind nach derzeitigem Kenntnisstand vermutlich nicht zweckmäßig. Welche zusätzliche Dosis bei der betroffenen Bevölkerung in Japan nun tatsächlich auftritt, wird in erster Linie durch deren Lebensgewohnheiten bestimmt, etwa ihre Aufenthaltsdauer in kontaminierten Gebieten oder durch ihre Essgewohnheiten. Darüber kann man die Belastung zu einem gewissen Maß steuern.
Solange die radioaktiven Substanzen noch nicht in den Körper gelangt sind, kann man sie zudem einfach mit Seife abwaschen – wobei die Reinigungsflüssigkeit dann nicht wieder in die Umwelt gelangen sollte. Beim Dekontaminieren ist zudem unbedingt darauf zu achten, dass keine radioaktiven Stoffe über die Haut, Einatmen oder Verschlucken in den Körper gelangen.
Wenn radioaktiver Fallout beispielsweise über Tokio niederginge: Wie kann man eine Stadt dieser Größe dekontaminieren?
Prinzipiell gilt: Dekontaminieren bedeutet "radioaktive Verunreinigungen entfernen". In welchem Maß dies in Tokio sinnvoll und machbar ist, lässt sich von hier aus leider nicht pauschal beantworten.
Herr Frank, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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