Direkt zum Inhalt

Endstation Verbraucher: Die Mensa-Welt

Etwa eine Million Essen servieren die Darmstädter Mensen im Jahr. Ob Multikulti, Bio, Vegetarisch, Vollwert oder Rohkost, Studentenwerkschefin Ulrike Laux will ihren Schützlingen alle Wünsche erfüllen. Und dafür legt sie sich ganz schön ins Zeug. Sie beschäftigt Testesser, hängt Kummerkästen in die Speisesäle und stellt sich den Kontrolleuren des Deutschen Instituts für Gemeinschaftsverpflegung. Es verleiht einer ihrer fünf Mensen sogar die Silbermedaille. Und dieses Jahr will sich Laux erstmals im Wettbewerb Mensa des Jahres mit den besten Mensen Deutschlands messen.

All die Mühe hat nur ein Ziel: Den Studierenden das Studium so angenehm wie möglich zu machen. Das ist sogar in den Ländergesetzen über die Studentenwerke festgeschrieben. Für ihren Auftrag, der neben der Verpflegung auch Wohnen, Kinder, Gesundheit, Hobbys und Beratung in allen Lebensfragen umfasst, erhalten die Studentenwerke Geld vom Land.

Und da fängt der ganze Salat an. Wenn Ulrike Laux auf den Einführungsveranstaltungen für Erstsemester romantisch verkündet, das Studentenwerk sei so etwas wie ein Mutterersatz, verschweigt sie, dass diese neue Mutter ganz unromantisch einem Apparat voller Bürokratie und Technik gleicht. Und der bestimmt, was auf den Teller kommt. Zu jedem Mittagessen musste ein Student bis Ende 2007 auch mindestens eine Beilage kaufen. So wollte es der Subventionierungsschlüssel.

Subventionierungsirrsinn – den Studenten zu liebe

Zwölf Millionen Euro erhalten die fünf hessischen Studentenwerke als Zuschuss für ihre Mensen im Jahr. Verteilt wurde das Geld bislang über den so genannten Portionszuschuss: 1,12 Euro erhielt ein Werk für jedes an Studierende verkaufte Hauptgericht mit Beilage. Und wenn sie billig essen wollen, müssen sich die Studierenden auch daran halten. Reicht der kalorienbewussten BWL-Studentin ein Salat zum Mittagessen, ging das Studentenwerk bislang leer aus. Billiger als anderswo ist er trotzdem. Denn in der Küche lässt sich die Subventionierung nicht zu 1,12 Euro pro Mittagessen verteilen. Der Betrag muss einfach das Defizit decken, das nach den Ausgaben für Miete, Möbel, Personal, Fleisch und Kartoffeln noch bleibt.

Für einen möglichst hohen Zuschuss war das Studentenwerk also gehalten, möglichst wenig Alternativen zum Mittagessen mit zwei Beilagen anzubieten. Das Ergebnis: "Viele Studenten kommen mittags gar nicht mehr“, berichtet die Darmstädter Mensachefin Renate Habig. "Der Trend geht zur Zwischenmahlzeit." In Habigs Bistros können die Studenten frei entscheiden. Dort steigen die Umsätze "durch so genannte Mitnahmeartikel, Schokoriegel, Kaffeestückchen, fertig verpackte Salate oder Obstsalate." So gesund der Obstsalat auch sein mag und damit eigentlich auch voll im staatlichen Auftrag liegt, im Förderschlüssel ist er nicht vorgesehen.

"Damit machen wir jetzt Schluss", sagt Laux. Seit 2008 werde der gleiche Betrag gerechter verteilt. Allerdings wird es dafür auch komplizierter. Für jeden Euro Umsatz ob Menu oder Obstsalat, fließen dann 13 Cent. Zusätzlich gibt es noch eine Sockelpauschale pro Student und Mensagröße. So kommen die Studentenwerke den Bedürfnissen der Studierenden nach, sagt Laux.

Achtung Bio!

Und noch etwas verlangen die Studenten von heute: "Bitte einmal Bio." – "Gerne", sagt Mutter Laux. "Wir haben die Zertifizierung letzte Woche erhalten." Ein externes Prüfinstitut hat ihren Mensen bescheinigt, dass sie Bio-Pommes auch in Bio-Öl frittieren und dabei sicher gehen, dass keine Pommes ohne Bio-Siegel dazwischen rutscht. Das hört sich leichter an als es ist. Denn ohne eine vollständige Dokumentation vom Wareneingang über den Kühlschrank und der Friteuse bis zur Schüssel auf dem Tablett eines Studenten, geht gar nichts. Aber das war auch schon ohne Bio so.

HACCP oder Hazard Analysis and Critical Control Point, zu deutsch: Gefährdungsanalyse und kritische Steuerungspunkte. So heißt das Konzept, das die Qualität der Lebensmittel sicherstellen soll. Es ist seit zehn Jahren in der deutschen Lebensmittelhygiene-Verordnung festgeschrieben und fordert kurz gesprochen, dass ein Unternehmen untersucht, durch welche Fehler Lebensmittel verderben könnten, und sich einen Plan überlegt, diese Fehler zu vermeiden.

In der Mensa heißt das: "Der Küchenleiter überprüft und dokumentiert beim Fleisch ab der Warenannahme Temperatur, Qualität, Aussehen und ob die Kühlkette eingehalten wird", sagt Habig. Außerdem wird festgehalten, wie es weiterverarbeitet wurde, wie lange es im Ofen war und wie hoch dort die Kerntemperatur war. Ziemlich viele Daten, die zum Glück weitgehend automatisch erfasst werden. "Alle Geräte sind über Computer auslesbar", erklärt Habig.

Doch Bio darf die Mensa trotzdem nicht verkaufen. "Wir haben das Problem, dass auch unsere Lieferanten zertifiziert sein müssen." Es könnte ja sein, dass Habig Biokartoffeln bestellt, und die im LKW gegen normale Kartoffel vertauscht werden oder der Lieferant ganz dreist normale Kartoffeln als Bio verkauft. Ob die Dokumentation des Lieferanten solche Fehler verhindern könnte, muss erst ein Prüfinstitut bescheinigen. Und das koste so viel Geld, dass nur die großen Lieferanten darüber nachdenken, erklärt Laux. Und auch Laux muss Kompromisse machen. "Ein komplettes Biomenu ist schwierig, da Biogewürze unverhältnismäßig teuer sind." Bei den Beilagen wie Äpfeln, Karotten oder Kartoffeln sei der Aufpreis jedoch vertretbar.

Technikdiktat in der Produktion

Früher hat das Studentenwerk sogar noch selbst geschlachtet, berichtet Habig. 1994 hat das Studentenwerk jedoch die eigene Fleischerei geschlossen. Denn wer eine Kuh restlos verwerten will, produziert viel Hausmacherwurst, wie Schwartenmagen und Leberwurst. "Das isst ja heute keiner mehr", sagt Habig. An Schnitzel und Filet habe es der Mensa jedoch ständig gemangelt. Und der Küchenchef hat oft doch zum Metzger gehen müssen.

Auch die Brötchen werden schon lange bereits als Teig-Rohlinge angeliefert, die nur noch fertig gebacken werden müssen. "Wir konnten die Menge einfach nicht mehr bewältigen", berichtet Habig. Da die Mehlqualität ständig schwanke, seien auch die Brötchen mal härter, mal luftiger, brauner und heller gewesen. Das Problem kennt jeder Bäcker, meist bewältigt er es mit jeder Menge Triebmitteln und Zusatzstoffen. Gleiches gilt für die Mensa-Bäckerei. Die Rohlinge aus der Fabrik enthalten einfach weniger Chemie. Anders beim Kuchen. Da lohnt sich das Selbermachen noch.

Allerdings läuft das auch nicht wie bei unseren Müttern zu Hause. Um Salmonellen vorzubeugen, verwendet die Mensa Flüssigei. Und um 200 Liter Teig anzurühren, bedarf es auch einen etwas größeren Stabmixer. Der Robot Coupe MP 600 bringt es auf gut einen Meter Länge und etwa fünf Kilogramm Gewicht. Und mit 750 Watt Leistung dürfte er so manche Bohrmaschine übertrumpfen.

"Von den Größen ist das für Leute, die das nicht kennen, schon etwas Besonderes", sagt Alexandra Karls vom Darmstädter Spezialisten für Großenküchentechnik Lacher. "Ich war auch überwältigt, als ich das erste Mal hier drin war", gesteht sie. Aber wer wäre das nicht bei einem Schneebesen von 1,50 Meter Länge?

Doch in der Großküche ist nicht nur alles größer, sondern auch einfach anders. Das beginnt beim Material. Keine Arbeitsfläche, die nicht aus Chromnickelstahl gefertigt ist. Die Legierung kann nicht rosten und ist hitze- sowie säurebeständig.

Die Spülmaschinen sind viel schneller als zu Hause, dafür aber wählerisch. "Man unterscheidet zwischen Geschirr und Gläsern", erklärt Karls. "Die Gläser werden viel heißer gespült." Durch die höhere Temperatur trocknen sie schneller und damit ohne Schlieren und Flecken. "So bleibt der Glanz erhalten."

Auch die Backöfen sind wahre Rennfahrer. Der Tornado vom Hersteller Turbochef kocht bis zu zwölf mal schneller als ein herkömmlicher Ofen. Dazu kombiniert er Hochgeschwindigkeitsabluft, Doppelmikrowelle und eine Infrarotheizung. So ist eine Tiefkühlpizza schon nach 75 Sekunden fertig. Vor allem beim FastFood zählt jede Sekunde und so steht in jedem Subway-Restaurant ein Tornado.

Bei Mensa-Chefin Habig geht es da etwas ruhiger zu. Sie schwört auf das SelfCooking Center von Rational. "Da kommt der Braten nachmittags in den Ofen und über einen Kerntemperaturmesser bekommt er genau 60 Grad." Morgens um sieben, wenn in der Küche die Lichter angehen, ist der Braten schon fertig. Und wird gleich auf drei Grad gekühlt. "Warmes Fleisch zerfasert beim Schneiden", erklärt Habig. Für einen schönen Schnitt kommt nur kaltes Fleisch in die Aufschnittmaschine. "Und mittags wird’s wieder warm gemacht."

Sebastian Weissgerber


Dieser Beitrag ist Teil eines Projektes der Studenten des 3. und 5. Semester Wissenschaftsjournalismus der Hochschule Darmstadt zum Thema "Ernährung":
Das große Fressen

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.