Stadtplanung: Die Polierung der Perle
Die "Perle des Orients" ist in Gefahr: Trotz Welterbetitels und Touristenzustroms wollen manche Stadtplaner das architektonische Erbe George Towns schleifen. Doch der Widerstand in der malaysischen Stadt wächst.
Asien ist ein beliebtes Reiseziel: Traumstrände, aber auch die so ganz andere Kultur und Lebensweise als unsere locken. Vielfach macht sich aber Asienreisenden eine klammheimliche Enttäuschung breit, wenn sie im Neonlicht der Metropolen wie Bangkok oder Singapur und an den hübsch gestalteten Stränden und Swimmingpools der genormten globalen Hotelketten von Bali bis Phuket nicht mehr jenen aufregenden und alle Sinne reizenden Fernen Osten findet, wie er in den Büchern von Somerset Maugham oder Joseph Conrad beschrieben ist.
Schmelztiegel von Ost und West
Das multikulturelle Erbe George Towns manifestiert sich in seiner Architektur, in der chinesische Klanhäuser neben kolonialen Prachtbauten europäischer Provenienz stehen. Indische Tempel reihen sich an typische Shophäuser, in denen unten Händler und Handwerker ihrem Gewerbe nachgehen, während oben die Familie wohnt. George Towns ältestes islamisches Gotteshaus – die Kapitan-Kling-Moschee – existiert in friedlicher Eintracht mit chinesischen Tempeln, und in den Gassen hinter der anglikanischen und katholischen Kirche gehen seit der Gründung der Stadt 1786 Damen des horizontalen Gewerbes ihrem Beruf nach.
Droht die Abrissbirne?
Die große Frage lautet: Wie kann das historische George Town samt seinem sozialen Gefüge erhalten werden, ohne gleichzeitig der Zukunft im Weg zu stehen? Ein Patentrezept dafür hat Shaw jedoch ebenso wenig wie die vielen anderen Historiker, Konservierungsexperten, Anthropologen und Denkmalschützer, die sich mit der Stadt beschäftigen. Die engagierten Männer und Frauen des PHT, die seit Jahrzehnten gegen massive Widerstände für den Erhalt ihrer Altstadt kämpfen, wissen, was sie nicht wollen: keine sozialen Aufwertungsprozesse durch wohlhabende Ärzte, Anwälte, Banker, Kreative, Gastronomen und Entwickler, die sich ein teures Shophaus leisten, um daraus die George-Town-Version einer New Yorker Loft oder ein Edelrestaurant zu kreieren. Und sie wollen erst Recht keine "Disneyfizierung" ihrer Stadt, wie sie andere historische Ensemble bereits heimgesucht hat. Sie wissen aber auch, dass es ohne privates Geld und damit einer gewissen Gentrifzierung – so der Fachbegriff für die Aufwertungsbestrebungen – nicht geht.
Die Wiederentdeckung Asiens
Teresa Capol hatte wiederum eine zündende Idee, wie die Arbeit des PHT finanziert werden könnte. Die gelernte Fremdenführerin und aus Kuala Lumpur stammende Tochter indischer Einwanderer und Gattin eines Schweizers rief die "Heritage Walking Tours" ins Leben, geführte Stadtspaziergänge durch George Town. "Das hat unter Touristen, aber auch unter den Einheimischen das Bewusstsein für unser Kulturerbe geweckt", sagt Capol und fügt hinzu: "Ich habe auch Regierungsleute eingeladen, an einer meiner Touren teilzunehmen, um vor Ort zu erleben, was wir haben. Keiner ist gekommen."
Für Battistotti lautet daher die entscheidende Frage: "Wie können wir die Stadt verbessern und entwickeln, ohne ein zweites Singapur zu werden?" Eine anspruchsvolle Aufgabe.
Dieser geheimnisvolle Ferne Osten mit seinen Düften und Traditionen ist allerdings noch nicht so ganz verschwunden. Die Altstadt von George Town auf der malaysischen Insel Penang an der Meeresstraße von Malakka hat sich seit seiner Gründung als Handelshafen der britischen Kolonialmacht wenig verändert. Chinesische Pagoden, indische Tempel, Kirchen, Moscheen, koloniale Fassaden bestimmen das Bild der Stadt. In den engen Gassen geht es geschäftig zu: Kaum ein Haus, in dem nicht kleine Handwerker ihre Betriebe haben, chinesische Apotheken zu finden sind, indische Händler bunte Stoffe oder duftende Gewürze feilbieten oder in Garküchen Dim Sum gedämpft werden, scharfe Currys köcheln, Chinesen, Malaien und Inder in Cafés palavern.
Schmelztiegel von Ost und West
Die Unesco hat George Town im Juli zusammen mit der Stadt Malakka in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen: Nirgendwo sonst sei der historische und kulturelle Zusammenfluss von West und Ost noch so sichtbar und erhalten wie in den beiden Städten an der Straße von Malakka mit ihrem "multikulturellen Erbe, das seinen Ursprung in den Handelsrouten von Großbritannien und Europa durch den Nahen Osten, den indischen Subkontinent, das malaiische Archipel nach China hat", heißt es auf der Webseite der Unesco.
Das multikulturelle Erbe George Towns manifestiert sich in seiner Architektur, in der chinesische Klanhäuser neben kolonialen Prachtbauten europäischer Provenienz stehen. Indische Tempel reihen sich an typische Shophäuser, in denen unten Händler und Handwerker ihrem Gewerbe nachgehen, während oben die Familie wohnt. George Towns ältestes islamisches Gotteshaus – die Kapitan-Kling-Moschee – existiert in friedlicher Eintracht mit chinesischen Tempeln, und in den Gassen hinter der anglikanischen und katholischen Kirche gehen seit der Gründung der Stadt 1786 Damen des horizontalen Gewerbes ihrem Beruf nach.
Vor allem sind es aber die Menschen, welche die wirkliche Faszination George Towns ausmachen: "Es gibt hier auf der Insel eine regionale Identität. Sie beruht darauf, dass alle nicht von hier sind, selbst die Malaien nicht, denn vor der britischen Kolonialzeit war hier auf Penang so gut wie niemand. Die ganze Bevölkerung hier stammt also von Zuwanderern ab", sagt der Sozialanthropologe Christian Giordano und fügt hinzu: "Das soziale Leben hier ist für mich das Wichtige und das Schöne. In den Straßen George Towns spazierenzugehen und diese kleinen Gewerbe wie den Speichenverkäufer, den Rattanstuhlflechter, den Nähmaschinenhändler, den Gewürzmüller oder den Friseur zu erleben, ist faszinierend." Der Professor von Universität Fribourg in der Schweiz kommt jedes Jahr für ein paar Monate in die einstmals als "Perle des Orients" gepriesene Stadt und bringt Doktoranden mit, die am lebendigen Objekt Studien über multikulturelles Leben betreiben sollen.
Droht die Abrissbirne?
Das soziale Leben in der Altstadt George Towns ist aber bedroht. Alte Häuser zu erhalten und zu restaurieren ist eine Sache, das Leben in diesen Häusern zu erhalten, ein andere, weitaus schwierigere Aufgabe. "Die Stadt hat noch keinen Masterplan für den Umgang mit ihrem neuen Status als Weltkulturerbe und sie hat auch keine Vision", kritisierte Steve Shaw von der London Metropolitan University in seinem Vortrag "Maximierung des sozialen Nutzens einer urbanen historischen Umwelt", den er im Sommer in George Town auf Einladung des Penang Heritage Trust (PHT) gehalten hatte.
Die große Frage lautet: Wie kann das historische George Town samt seinem sozialen Gefüge erhalten werden, ohne gleichzeitig der Zukunft im Weg zu stehen? Ein Patentrezept dafür hat Shaw jedoch ebenso wenig wie die vielen anderen Historiker, Konservierungsexperten, Anthropologen und Denkmalschützer, die sich mit der Stadt beschäftigen. Die engagierten Männer und Frauen des PHT, die seit Jahrzehnten gegen massive Widerstände für den Erhalt ihrer Altstadt kämpfen, wissen, was sie nicht wollen: keine sozialen Aufwertungsprozesse durch wohlhabende Ärzte, Anwälte, Banker, Kreative, Gastronomen und Entwickler, die sich ein teures Shophaus leisten, um daraus die George-Town-Version einer New Yorker Loft oder ein Edelrestaurant zu kreieren. Und sie wollen erst Recht keine "Disneyfizierung" ihrer Stadt, wie sie andere historische Ensemble bereits heimgesucht hat. Sie wissen aber auch, dass es ohne privates Geld und damit einer gewissen Gentrifzierung – so der Fachbegriff für die Aufwertungsbestrebungen – nicht geht.
Manch Entwickler würde dagegen am liebsten die Altstadt abreißen und stattdessen Bürotürme und Appartmenthochhäuser bauen. Das sagt zwar heute niemand mehr laut, aber der pensionierte Professor für Stadtplanung Alex König aus Berlin ist sich sicher, dass jene Betonriege, die jahrzehntelang jegliche Bemühungen zum Erhalt von George Twons Altstadt und überhaupt jeden Ansatz von Stadtplanung torpediert hat, noch nicht aufgegeben hat. König weiß wovon er spricht: Er war Anfang der 1990er Jahre der erste Beauftragte für Stadtentwicklung in der malaysischen Metropole. Mit Unterstützung von Organisationen wie der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit sollte seinerzeit eine Stadtplanung für George Town entwickelt werden, in die der Erhalt des historischen Erbes integriert war. "Alle unsere Projekte wurden sabotiert", erinnert sich König. Die Entwickler hätten sich zwar bisher nicht mit ihren Abrissplänen durchsetzen können, aber durch ein faktisches Verbot der Restaurierung alter Häuser hätten sie den Zahn der Zeit die Arbeit der Abrissbirne erledigen lassen wollen.
Die Wiederentdeckung Asiens
Im Zentrum der Kämpfer für den Erhalt ihrer Stadt stehen seit gut 20 Jahren zwei Frauen: Khoo Salma und Teresa Capol. Salmas Familie besitzt in der Armenian Street ein altes Haus, in dem Sun Yat-sen, der Revolutionär und spätere erste Präsident der Republik China – den Sturz des letzten chinesischen Kaisers plante. Sie hat unermüdlich und angespornt von Alex König die alte Bausubstanz George Towns fotografiert und dokumentiert sowie Bücher über dieses kulturelle Erbe geschrieben – ohne jede finanzielle Unterstützung durch die Stadt und die Landesregierung von Penang.
Teresa Capol hatte wiederum eine zündende Idee, wie die Arbeit des PHT finanziert werden könnte. Die gelernte Fremdenführerin und aus Kuala Lumpur stammende Tochter indischer Einwanderer und Gattin eines Schweizers rief die "Heritage Walking Tours" ins Leben, geführte Stadtspaziergänge durch George Town. "Das hat unter Touristen, aber auch unter den Einheimischen das Bewusstsein für unser Kulturerbe geweckt", sagt Capol und fügt hinzu: "Ich habe auch Regierungsleute eingeladen, an einer meiner Touren teilzunehmen, um vor Ort zu erleben, was wir haben. Keiner ist gekommen."
Unterstützung erfahren die Denkmalschützer dagegen von dem Italiener Marco Battistotti, Generalmanager des schicksten und modernsten Hotels in George Town. Das G-Hotel liegt am Gurney Drive mit seinen Hochhäusern und Shopping Malls, wo George Town am modernsten wirkt. "Wir setzen auf die junge, Lifestyle bewusste Zielgruppe mit einem modernen, urbanen Stil", sagt Battistotti. Viele von ihnen würden über das Wochenende aus Bangkok, Singapur oder Kuala Lumpur einfliegen, nur um in den Garküchen am Gurney Drive und in der historischen Altstadt zu essen. "George Town hat den Ruf die beste Küche Asiens zu bieten", sagt der Deutsch-Italiener und fügt hinzu: "Viele der jungen Leute wollen aber auch ihre Kultur wiederentdecken, die in den anderen Metropolen Südostasiens weit gehend verschwunden ist."
Für Battistotti lautet daher die entscheidende Frage: "Wie können wir die Stadt verbessern und entwickeln, ohne ein zweites Singapur zu werden?" Eine anspruchsvolle Aufgabe.
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