Direkt zum Inhalt

News: Die Portrait-Komposition beäugen

Eigentlich ist die Analyse der Strukturen von Gemälden nichts neues. Allgemeine geometrische Beziehungen wurden schon lange verwendet, um ästhetisch ansprechende Kompositionen zu erreichen. Einem äußerst faszinierenden Prinzip der Komposition jedoch scheinen Portrait-Maler der letzten sechs Jahrhunderte gefolgt zu sein, ohne daß die Maler, geschweige denn die Kunsthistoriker sich dessen bewußt waren.
Wie in der Ausgabe von Nature vom 30. April 1998 berichtet, hat Christopher Tyler vom Smith-Kettewell Eye Research Institute in San Francisco, Kalifornien, herausgefunden, daß in einem Portrait ein Auge konsistent auf der Mittel-Vertikale des Bildes liegt.

Tyler studierte Portrait-Bilder von 256 Malern, von Botticelli im 15. Jahrhundert bis zu Picasso im 20. Jahrhundert. Er entdeckte, daß immer wenn beide Augen im Portrait dargestellt waren, ein Auge auf der Mittel-Vertikale lag. Dabei war es egal, ob die Person von vorne, in der klassischen Dreiviertel-Ansicht oder Picasso-ähnlich kubistisch dargestellt war.

Wie konnte ein solch auffälliges Merkmal bisher übersehen werden? Vielleicht war es etwas zu Instinktives und derart Normales, als daß es jemals hätte besonders auffallen müssen. Die Beziehung kann zum Teil von der Abneigung begleitet sein, ein Gesicht symmetrisch auf der Leinwand abzubilden. Eine andere Möglichkeit ist, daß der Betrachter natürlicherweise mittig vor dem Bild steht, und da Augen häufig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, mag der Künstler ein Auge ebenso naturbedingt in die Mitte plazieren.

Die Genauigkeit der Plazierung des Auges in der Mitte ist bemerkenswert ähnlich zu derjenigen, mit der Personen Objekte in die Mitte eines Rahmens plazieren können, wenn sie darum gebeten werden. Das heißt, daß die unbewußte oder nicht willentliche Handlung des Malers beim Positionieren des Auges mit einer ähnlichen Präzision geschieht, mit der Personen Dinge positionieren können, wenn sie sich bewußt darauf konzentrieren.

"Diese Genauigkeit", glaubt er, "resultiert aus Wahrnehmungsprozessen, die dem Maler nicht direkt bewußt werden. Daher läßt sich vermuten, daß versteckte Prinzipien bei ästhetischen Beurteilungen wirken und möglicherweise in vielen Bereichen neben der Portrait-Kunst."

  • Quellen

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.