News: Die rauhe Wirklichkeit des Klebens
Was es uns erspart, in einer solchen klebrigen Welt zu leben, ist die Tatsache, daß Oberflächen rauh sind. Selbst blankpolierte Glasscheiben haben mikroskopische Erhebungen und Vertiefungen. Zwei feste Dinge kommen sich deshalb einfach nicht nahe genug, um einen nennenswerten Energiegewinn aus ihrer Berührung zu ziehen. Wirklichen Kontakt haben sie stets nur mit einem winzigen Bruchteil ihrer Gesamtfläche. Schon ein kleines bißchen Schwerkraft reicht aus, und sie fallen wieder auseinander.
Ein Klebstoff muß deshalb eine zähe Masse oder ein gelöster Stoff sein, der diese Erhebungen und Vertiefungen ausgleichen kann und so der Oberfläche den angestrebten Energiegewinn verschafft. Die Qualität eines Klebers sollte man also, ordentliches Ausfüllen der Poren vorausgesetzt, relativ einfach aus dem Gewinn an Grenzflächenenergie ermitteln können. Nun gibt es aber Substanzen, die zum Teil zehntausendmal klebriger sind als es diese einfachen Überlegungen voraussagen.
Neue Berechnungen von Cyprien Gay und Ludwik Leibler von Centre National de la Recherche Scientifique und Elf Atochem in Levallois-Perret in Frankreich berücksichtigen Phänomene, die in diesem einfachen Modell nicht vorkommen und gelangen so zu erstaunlichen Übereinstimmungen von Klebetheorie und klebriger Praxis (Physical Review Letters, 1. Februar 1999).
Da die Oberflächen des zu klebenden Körpers und des Klebstoffes ursprünglich rauh sind – die des Klebstoffes sogar noch mehr, wie man beim Betrachten von Heftpflaster oder Klebeband selbst mit bloßem Auge sehen kann – werden beim Aneinanderdrücken Luftblasen eingeschlossen. Versucht man, die Verbindung nun wieder zu trennen, tritt ein Effekt wie bei Saugnäpfen ein. Die Luftblasen werden gestreckt, ihr Volumen vergrößert sich, und in ihnen entsteht ein Unterdruck. Darüber hinaus bilden sich durch die Ausdehung Verbindungen zwischen den Blasen und viele kleinere Hohlräume beginnen sich zu großen zu vereinigen. Irgendwann einmal ist in diesem Prozeß die Kante des festen Körpers erreicht, Luft dringt in das gesamte Netz von Blasen ein. Man hört ein typisches Geräusch, und die Verbindung ist gelöst.
Bei ihrem Modell berücksichtigten Gay und Leibler nicht nur das Vakuum in den sich dehnenden Blasen, sondern auch die Brüche, die durch das weiche Material laufen und die energetischen Phänomen bei der Vereinigung der kleinen Bläschen zu größeren. Damit konnten sie eine "Haftenergie" berechnen, die gut mit den Meßergebnissen bei typischen Klebstoffen übereinstimmt. So haftet wieder eine Theorie ein bißchen enger mit der Praxis zusammen.
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