News: Die richtigen Schwingungen für mehr Fingerspitzengefühl
H + D2O -> D + HOD (II)
Nun wissen Chemiker aber schon seit langem, dass manche Abläufe mit ein bisschen zusätzlicher Schwingungsenergie viel leichter in Gang zu bringen sind als durch Erhitzen. In einigen Fällen lässt sich dabei sogar steuern, in welche von mehreren möglichen Richtungen die Reaktion verläuft. Und gerade das erscheint Wissenschaftlern und Ingenieuren natürlich verlockend, zumal Wasserstoff als Energieträger anscheinend eine vielversprechende Zukunft vor sich hat.
Gleich zwei voneinander unabhängige Arbeitsgruppen vermelden in Science vom 3. November 2000 wichtige Details zu den oben angeführten Reaktionen mit schwerem Wasser. Michael Collins von der Australian National University und Doghui Zhang von der National University of Singapore haben den beschwerlichen Weg über die Theorie gewählt. So ein Molekül ist nun mal kein starres Gebilde, sondern ein höchst dynamisches System, das um mehrere Achsen rotiert, sich verbiegt und entlang seiner Bindungen schwingt. Sollen zwei Teilchen miteinander reagieren, müssen sie sich nicht nur nahe genug kommen – wie es die Lehrbücher zeigen –, auch alle anderen Parameter müssen zueinander passen. Für den Austausch eines Deuteriumatoms durch ein Wasserstoffradikal (oben Reaktion II) sowie einige andere Prozesse berechneten die beiden Forscher 1000 Molekülgeometrien. Mehrere Monate waren ihre Computer damit beschäftigt, dann erstellten Collins und Zhang eine genaue multidimensionale Karte der potenziellen Energie – sozusagen die ernstzunehmende Variante des Lehrbuchdiagramms. Sie enthält alle sechs internen Freiheitsgrade der Reaktionen und macht Voraussagen für deren Verläufe.
Die hohe Qualität der Simulation wird eindrucksvoll durch die experimentellen Daten bestätigt, die Floyd Davis und seine Mitarbeiter von der Cornell University gewonnen haben. In ihrem aufwendigen Versuch kreuzten sie je einen Molekülstrahl mit Deuterium (D2) und mit Hydroxylradikalen (OH) (oben Reaktion I). Vier Laserstrahlen registrierten die Zustände der Ausgangsmoleküle und der Endprodukte. Das Ergebnis hätte vor einem Jahr für noch größere Aufregung in der physikalischen Chemie gesorgt. Bis vor kurzem nahmen Wissenschaftler nämlich an, die Energie im HOD-Molekül würde sich statistisch verteilt in allen Schwingungmoden niederschlagen, erklärt Davis. Doch sein Team fand heraus, dass sie bevorzugt in die Streckung der O-D-Bindung fließt, nicht in eine Verformung des ganzen Moleküls. Erst in diesem Jahr hatte eine neue theoretische Arbeit das Gleiche vorhergesagt. Und auch Collins und Zhang hatten auf Grund ihrer Simulation diese Verteilung der Energie erwartet.
Die untersuchten Reaktionen sind natürlich keine typischen Vorgänge aus dem täglichen Leben. Sie dienen den Wissenschaftlern vor allem als einfache Modelle, an denen sich grundlegende Prinzipien erkennen und studieren lassen. Doch gerade wenn es um Wasserstoff geht, lesen Vertreter der angewandten Forschung aufmerksam mit. Denn als ein möglicher Energieträger der Zukunft wird dieses Element eifrig in jeder Hinsicht getestet. Und selbst Grundlagenforscher Davis gibt zu: "Natürlich ist es letztendlich unser Ziel, effizientere Wege zu entwickeln, um eine Form von Energie in eine andere zu überführen..."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 13.10.1999
"Nobelpreis für Chemie 1999"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 24.7.1998
"Ohne Ansehen der Masse"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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