Zoologie: Die Rückkehr des Knochenfressers
Jetzt ist es amtlich: Die europäische Linsenfliege (Thyreophora cynophila), auch Hundefliege genannt, weilt immer noch unter den Lebenden – nachdem sie rund 160 Jahre nicht mehr gesehen worden war. Als erste Fliege überhaupt soll sie durch menschliches Tun ausgerottet worden sein. Mit ihrer gezielten Nachforschung bestätigten die Insektenkundler um Daniel Martín-Vega von der Universidad de Alcalá in Madrid nun jedoch eine Sichtmeldung des Fotografen Julio Verdú, der Ende 2009 Fotos einer seltsamen Fliege geschossen hatte, die er nicht kannte.
Verdú ging deshalb davon aus, dass das Insekt mit dem merkwürdigen, knallroten Kopf eine tropische Art sein müsse, die nach Europa eingeschleppt worden war. Martín-Vega und seine Kollegen erkannten allerdings rasch, dass es sich bei dem Tier um die Linsenfliege handeln müsse – ein spezialisiertes Insekt, das sich vom Knochenmark verendeter Säugetiere ernährt und dort seine Eier ablegt. Sie wurde 1798 auf einem toten Hund entdeckt, galt jedoch ab etwa 1840 als verschollen.
Das markierte den traurigen Höhepunkt ihres langzeitigen Niedergangs: Thyreophora cynophila entwickelte sich wohl während des Pleistozäns, als in Europa zahlreiche Großsäuger hausten, die von einer Menagerie an Raubtieren wie Säbelzahntiger, Hyänen und Höhlenbären erlegt wurden. In die von den kräftigen Fleischfressern geknackten Knochen legte die Fliege dann ihre Eier. Mit dem Ende der Eiszeiten und dem Aussterben des damit verbundenen Bestiariums schrumpfte diese ökologische Nische bereits beträchtlich. Das (vorläufige) endgültige Verschwinden der Linsenfliege fiel dann mit der Industrialisierung Europas zusammen, als in vielen Ländern die letzten großen Fleischfresser wie Bär und Wolf ausgerottet wurden. Dadurch ging die Zahl der Kadaver in der Landschaft nochmals zurück und damit auch der Zugang zum Knochenmark. Auch alternative Nahrungsquellen versiegten, weil die verbesserte Veterinärmedizin weniger Vieh eingehen ließ und Kadaver gezielt entsorgt wurden.
Martín-Vegas Team ging nach dem Auftauchen des Fotos allerdings gezielt auf die Suche nach Thyreophora cynophila – und würde fündig: In Wäldern bei Madrid stellten sie gezielt Fallen auf, in die die Fliegen letztlich auch gingen. Zur gleichen Zeit stieß eine zweite Gruppe von Insektenforschern im Nationalpark Sierra de Cebollera in der Provinz Rioja ebenfalls auf einen überlebensfähigen Bestand der Insekten, die wohl von den zahlreichen Wild- und Nutztieren im Gebirge profitierten. Mit ihren Funden erweitern die Biologen das Verbreitungsgebiet der Art beträchtlich: Ursprünglich galt ihr Vorkommen als beschränkt auf Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich.
Jetzt soll die Art weiter erforscht werden, denn über ihr Verhalten weiß man bislang nur wenig. Und Martín-Vega fordert strenge Schutzbestimmungen für die bizarre Fliege: Ihr roter Kopf – von dem die Beobachter im 19. Jahrhundert annahmen, dass er nachts leuchtet – macht sie zu einem begehrten Sammlerstück. (dl)
Verdú ging deshalb davon aus, dass das Insekt mit dem merkwürdigen, knallroten Kopf eine tropische Art sein müsse, die nach Europa eingeschleppt worden war. Martín-Vega und seine Kollegen erkannten allerdings rasch, dass es sich bei dem Tier um die Linsenfliege handeln müsse – ein spezialisiertes Insekt, das sich vom Knochenmark verendeter Säugetiere ernährt und dort seine Eier ablegt. Sie wurde 1798 auf einem toten Hund entdeckt, galt jedoch ab etwa 1840 als verschollen.
Das markierte den traurigen Höhepunkt ihres langzeitigen Niedergangs: Thyreophora cynophila entwickelte sich wohl während des Pleistozäns, als in Europa zahlreiche Großsäuger hausten, die von einer Menagerie an Raubtieren wie Säbelzahntiger, Hyänen und Höhlenbären erlegt wurden. In die von den kräftigen Fleischfressern geknackten Knochen legte die Fliege dann ihre Eier. Mit dem Ende der Eiszeiten und dem Aussterben des damit verbundenen Bestiariums schrumpfte diese ökologische Nische bereits beträchtlich. Das (vorläufige) endgültige Verschwinden der Linsenfliege fiel dann mit der Industrialisierung Europas zusammen, als in vielen Ländern die letzten großen Fleischfresser wie Bär und Wolf ausgerottet wurden. Dadurch ging die Zahl der Kadaver in der Landschaft nochmals zurück und damit auch der Zugang zum Knochenmark. Auch alternative Nahrungsquellen versiegten, weil die verbesserte Veterinärmedizin weniger Vieh eingehen ließ und Kadaver gezielt entsorgt wurden.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Linsenfliege zu Zeiten und Jahreszeiten unterwegs ist, in denen sich Entomologen seltener in der Natur aufhalten und auch nicht unbedingt mit ihren Studienobjekten rechnen: Die Aasverwerter fliegen nachts und vor allem während der Wintermonate, während der zu früheren Zeiten reichlicher Nahrung durch verhungerte oder getötete Wildtiere anfiel. Und schließlich besiedeln sich Leichen erst in einem fortgeschrittenen Verwesungszustand, was Forscher womöglich ebenfalls leicht abschreckt.
Martín-Vegas Team ging nach dem Auftauchen des Fotos allerdings gezielt auf die Suche nach Thyreophora cynophila – und würde fündig: In Wäldern bei Madrid stellten sie gezielt Fallen auf, in die die Fliegen letztlich auch gingen. Zur gleichen Zeit stieß eine zweite Gruppe von Insektenforschern im Nationalpark Sierra de Cebollera in der Provinz Rioja ebenfalls auf einen überlebensfähigen Bestand der Insekten, die wohl von den zahlreichen Wild- und Nutztieren im Gebirge profitierten. Mit ihren Funden erweitern die Biologen das Verbreitungsgebiet der Art beträchtlich: Ursprünglich galt ihr Vorkommen als beschränkt auf Deutschland, Österreich, die Schweiz und Frankreich.
Jetzt soll die Art weiter erforscht werden, denn über ihr Verhalten weiß man bislang nur wenig. Und Martín-Vega fordert strenge Schutzbestimmungen für die bizarre Fliege: Ihr roter Kopf – von dem die Beobachter im 19. Jahrhundert annahmen, dass er nachts leuchtet – macht sie zu einem begehrten Sammlerstück. (dl)
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