Steinzeitkunst: Die Schwäbische Venus
Die Schwäbische Alb gilt schon lange als Eldorado für steinzeitliche Kunstwerke. Doch jetzt tauchte eine Elfenbeinschnitzerei auf, die alles Bisherige in den Schatten stellt - sogar die berühmte "Venus von Willendorf".
Riesige Brüste, eine Vagina, die zwischen dem dicken Bauch und dem breiten Hüften deutlich hervortritt, ein kleiner, gesichtsloser Lockenkopf – was die österreichischen Eisenbahnbauarbeiter am 7. August 1908 in den Händen hielten, erschien unglaublich. Heute gilt die "Venus von Willendorf" als archäologisches Highlight des Naturhistorischen Museums in Wien. Denn die etwa elf Zentimeter große Kalksteinfigur kann auf ein erstaunliches Alter von 22 000 bis 27 000 Jahren zurückblicken und gehörte damit lange Zeit zu den ältesten menschlichen Figuren der Welt.
Zu Beginn unseres Jahrtausends ging es dann Schlag auf Schlag: 2003 präsentierten Archäologen um Nicholas Conard von der Universität Tübingen einen Pferdekopf, einen Wasservogel sowie einen weiteren, wenn auch winzig kleinen Löwenmenschen. Im Jahr darauf folgte das älteste Musikinstrument der Welt – eine ebenfalls aus Elfenbein geschnitzte Flöte –, 2006 ein vollständiges Mammut und 2007 ein Phallus aus Stein. Die Funde stammen sämtlich aus der Kulturstufe des Aurignacien, das vor etwa 35 000 Jahren die jüngere Altsteinzeit, das Jungpaläolithikum, einläutete.
Ins Auge fällt sofort, worauf es dem steinzeitlichen Künstler ankam: Mit Liebe zum Detail hatte er (oder sie) einen mächtigen Busen geschnitzt, riesige Schamlippen münden übergangslos in die Pobacken. Arme und Beine erscheinen dafür winzig klein, der Kopf ist gar auf ein ösenförmiges Gebilde geschrumpft. "Es besteht kein Zweifel, dass mit den übergroßen Brüsten, den betonten Gesäßhälften und den Genitalien die Geschlechtsmerkmale der Figur absichtlich übertrieben dargestellt werden sollten", schreibt Conard.
Conards Kollege Paul Mellars von der britischen University of Cambridge unterstützt diese Deutung: "Das Füllhorn der kleinen, geschnitzten Elfenbeinstatuetten aus den süddeutschen Fundorten muss als Geburtsstätte einer europäischen – wenn nicht globalen – Tradition echter Bildhauerkunst gewertet werden." [2]
Die kunstbegeisterten Schwaben bleiben somit für ihre Zeit ohne Beispiel – und rätselhafter denn je. Wie aus dem Nichts tauchten die Zeugnisse ihrer Kultur auf. Von den Künstlern selbst fehlt jede Spur, alle bisher gefundenen menschlichen Überreste erwiesen sich als deutlich jünger. Conard ist zwar überzeugt, dass es sich um den aus Afrika eingewanderten Homo sapiens handelte, der vor schätzungsweise 40 000 Jahren den in Europa ansässigen Neandertaler nach und nach verdrängte. "Doch diese Vermutung", betont er, "kann mit den verfügbaren Skelettfunden aus den schwäbischen Höhlen weder bestätigt noch widerlegt werden."
Doch die österreichische Dame bekommt nun Konkurrenz aus dem Schwabenland. Schon seit den 1930er Jahren haben sich die Höhlen der Schwäbischen Alb an der oberen Donau als wahre Fundgrube für steinzeitliche Meisterwerke offenbart, als hier mehrere aus Mammutelfenbein geschnitzte Tierplastiken auftauchten. Geschätztes Alter: 30 000 bis 36 000 Jahre. Besonders beeindruckend ist der knapp 30 Zentimeter große Löwenmensch, der 1988 aus zahlreichen Splittern wieder zusammengeklebt werden konnte.
Zu Beginn unseres Jahrtausends ging es dann Schlag auf Schlag: 2003 präsentierten Archäologen um Nicholas Conard von der Universität Tübingen einen Pferdekopf, einen Wasservogel sowie einen weiteren, wenn auch winzig kleinen Löwenmenschen. Im Jahr darauf folgte das älteste Musikinstrument der Welt – eine ebenfalls aus Elfenbein geschnitzte Flöte –, 2006 ein vollständiges Mammut und 2007 ein Phallus aus Stein. Die Funde stammen sämtlich aus der Kulturstufe des Aurignacien, das vor etwa 35 000 Jahren die jüngere Altsteinzeit, das Jungpaläolithikum, einläutete.
In diese Reihe schienen zunächst auch die sechs Elfenbeinfragmente zu passen, welche die Tübinger Archäologen im September 2008 aus der Höhle "Hohle Fels" bei Schelklingen zusammenklaubten. Doch schnell wurde klar, um welch außergewöhnlichen Fund es sich handelte: Die Bruchstücke fügten sich zu einer sechs Zentimeter hohen und 30 Gramm schweren weiblichen Figur zusammen [1].
Ins Auge fällt sofort, worauf es dem steinzeitlichen Künstler ankam: Mit Liebe zum Detail hatte er (oder sie) einen mächtigen Busen geschnitzt, riesige Schamlippen münden übergangslos in die Pobacken. Arme und Beine erscheinen dafür winzig klein, der Kopf ist gar auf ein ösenförmiges Gebilde geschrumpft. "Es besteht kein Zweifel, dass mit den übergroßen Brüsten, den betonten Gesäßhälften und den Genitalien die Geschlechtsmerkmale der Figur absichtlich übertrieben dargestellt werden sollten", schreibt Conard.
Damit ist die Ähnlichkeit zur Venus von Willendorf unverkennbar. Die österreichische Figur stammt jedoch aus dem Gravettien und ist somit rund 10 000 Jahre jünger als ihr schwäbisches Pendant. Denn Radiokarbondatierungen aus dessen Fundschicht deuten sogar auf ein Alter von mehr als 36 000 Jahren hin. "Die Venus von Hohle Fels", meint der aus den USA stammende Tübinger Archäologe, "ist die älteste aller Figurinen, die in den schwäbischen Höhlen entdeckt worden sind, und vielleicht weltweit das früheste Exemplar figurativer Kunst."
Conards Kollege Paul Mellars von der britischen University of Cambridge unterstützt diese Deutung: "Das Füllhorn der kleinen, geschnitzten Elfenbeinstatuetten aus den süddeutschen Fundorten muss als Geburtsstätte einer europäischen – wenn nicht globalen – Tradition echter Bildhauerkunst gewertet werden." [2]
Die kunstbegeisterten Schwaben bleiben somit für ihre Zeit ohne Beispiel – und rätselhafter denn je. Wie aus dem Nichts tauchten die Zeugnisse ihrer Kultur auf. Von den Künstlern selbst fehlt jede Spur, alle bisher gefundenen menschlichen Überreste erwiesen sich als deutlich jünger. Conard ist zwar überzeugt, dass es sich um den aus Afrika eingewanderten Homo sapiens handelte, der vor schätzungsweise 40 000 Jahren den in Europa ansässigen Neandertaler nach und nach verdrängte. "Doch diese Vermutung", betont er, "kann mit den verfügbaren Skelettfunden aus den schwäbischen Höhlen weder bestätigt noch widerlegt werden."
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