Exoplaneten: Vier Exoplaneten im Rhythmus
Dank dem Weltraumteleskop Kepler der NASA sind Exoplaneten nicht länger Mangelware: Seit der Entdeckung der ersten Exoplaneten vergingen mehr als 20 Jahre, in denen 3410 weitere entdeckt wurden, neben unzähligen möglichen Kandidaten. Die erstaunliche Vielfalt der Planeten und ihrer Eigenschaften wirft die Frage auf, wie sich Planetensysteme bilden und entwickeln. Anhand der Daten von Kepler entdeckten Wissenschaftler um Sean M. Mills ein System aus vier Planeten, das wohl über viele Millionen Jahren in dieser Form stabil geblieben ist. An ihm lassen sich Modelle zur Entstehung von Planetensystemen überprüfen.
Der Schlüssel zur langen Stabilität des Systems von Kepler 223 liegt im gemeinsamen Rhythmus der Planeten: Durch gravitative Wechselwirkungen untereinander stehen sie in Resonanz. Das bedeutet, dass ihre Umlaufzeiten im Verhältnis ganzer Zahlen zueinander stehen. Von Resonanz spricht man beispielsweise, wenn ein Umlauf eines äußeren Planeten zeitlich genau zwei Umläufen eines inneren entspricht. Dadurch treffen sich die Planeten immer wieder an denselben Positionen, was ihren Orbit stabilisieren kann. Dieses Phänomen wurde zum ersten Mal bei drei der vier großen Jupitermonde entdeckt. Bei Exoplaneten wiederum sind, verglichen mit ihrer großen Zahl, nur relativ wenige bekannt, die in Resonanz sind. Beim System Kepler 223 befinden sich alle vier Planeten in Resonanz, ihre Umlaufdauern stehen im Verhältnis von 3 : 4 : 6 : 8.
Die Forscher verwendeten die Daten aus dem Messzeitraum von März 2009 bis Mai 2013. Das Licht von Kepler 223 wird abgeschwächt, wenn einer seiner Planeten aus unserer Sichtachse gesehen vor den Zentralstern tritt. Aus den Daten berechneten die Wissenschaftler die Dauer der Umläufe. Leichte Schwankungen der Zeiten konnten sie durch die gegenseitigen gravitativen Einflüsse der Planeten erklären. Sie simulierten das Planetensystem rechnerisch und schlossen, dass es über sehr viele Millionen Jahre hinweg stabil sein sollte.
Nimmt man an, dass sich das System von Kepler 223 seit dieser Zeit nicht mehr wesentlich verändert hat, könnte es eine frühere Phase unseres Sonnensystems verdeutlichen. Auch die vier großen Gasplaneten in unserem System – Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun – standen vielleicht einst in Resonanz. Ein solcher Zustand kann aber durch den gravitativen Einfluss eines weiteren kleinen Planeten (ein Planetesimal) oder durch den aufsummierten Effekt vieler Asteroiden zerstört werden. Das könnte der Grund dafür sein, warum sich nur wenige Planetensysteme in Resonanz befinden.
Allgemein unterscheiden sich die Planeten um Kepler 223 deutlich von denjenigen unseres Sonnensystems: Bei uns existieren keine Gasplaneten kleiner als Neptun (so genannte Mini-Neptune), während alle vier Exoplaneten von Kepler 223 zu dieser Klasse gehören. Auch liegen ihre Umlaufbahnen viel enger um den Zentralstern, und der Radius beträgt für alle nur etwa ein Zehntel des Abstands Erde-Sonne. Somit sind auch ihre Perioden viel kürzer, für einen Umlauf um ihren Zentralstern benötigen sie zwischen 7 und 20 Tagen.
Wie gelangten die Planeten aber so nahe an ihren Stern? Entstanden sie "vor Ort" aus der protoplanetaren Scheibe, wie man es bei den vier Gesteinsplaneten unseres Systems – Merkur, Venus, Erde und Mars – vermutet? Mills und seine Kollegen favorisieren ein anderes Modell: Die vier Exoplaneten bildeten sich wohl weiter außen und sind im Lauf der Zeit gemeinsam in die Nähe ihres Zentralgestirns gewandert. Um zwischen den beiden konkurrierenden Modellen – der Entstehung in situ, also einer Entstehung vor Ort, oder der Wanderung von den äußeren Bereichen des Planetensystems nach innen – wählen zu können, simulierten die Astrophysiker eine "Planetenwanderung" durch die Scheibe. Sie erhielten dabei ähnliche Systeme wie dasjenige von Kepler 223. Allein dadurch lässt sich zwar die Entstehung vor Ort nicht ausschließen, aber immerhin das andere Modell als ein mögliches bestätigen. Viel stärker noch wiegt jedoch die Erkenntnis der Forscher, dass die vier Exoplaneten in so präziser Resonanz stehen, dass eine zufällige Entstehung vor Ort unwahrscheinlich ist. Auch für eine Bildung durch gewaltige Einschläge sei ein solches System zu fragil, schließen sie.
Um aus dem reichen Datenschatz von Kepler diese Ergebnisse herauszufiltern, mussten die Astronomen ausgefeilte statistische Analysen verwenden und deren Rechenleistung optimieren. In Verbindung mit den Beobachtungen des Keck-Observatoriums waren sie darüber hinaus in der Lage, die Größen und Massen der vier Planeten zu bestimmen. Das Observatorium steht auf dem Gipfel des Bergs Mauna Kea auf Hawaii. Es besteht aus zwei Zehn-Meter-Teleskopen für den optischen und infraroten Spektralbereich mit einer laserbasierten adaptiven Optik und aufwändigen Spektrografen.
Die Frage bleibt jedoch weiterhin, warum bei den Exoplaneten um den Stern Kepler 223 die Resonanz so lange erhalten blieb und warum sie bei den meisten anderen Planetensystemen verloren ging, falls sie je vorhanden war. "Bereits kleine Massen, zum Beispiel Planetesimale, die den Orbit der Planeten kreuzen, können die vier Exoplaneten aus der Resonanz bringen", schloss das Autorenteam in der Veröffentlichung in "Nature" aus seinen Simulationen. Kepler 223 könnte also durch besondere Eigenschaften seiner protoplanetaren Scheibe frei sein von derartigen Planetesimalen. Bei den meisten anderen Systemen hätten Effekte von Reibung und Streuung die resonanten Himmelskörper aus ihrem genau getakteten Rhythmus geworfen.
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