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News: Die Welle

In 500 Lichtjahren Entfernung zieht ein Pulsar durch das Sternbild Zwillinge und erzeugt dabei eine verräterische Bugwelle. Der europäische Röntgensatellit XMM-Newton hat sie aufgenommen.
Geminga
Neutronensterne sind klein und doch so dicht, dass ein stecknadelkopfgroßes Stück davon hier auf der Erde soviel wöge wie mehrere Supertanker. Und sie entstehen, wenn ein Stern mit mindestens der achtfachen Sonnenmasse am Ende seines Lebens in einer Supernova explodiert, einen Großteil seiner Masse in den Weltraum schleudert, und der Sternenkern - der nun etwa soviel Masse wie die Sonne enthält - auf eine Größe von einem oder zwei Dutzend Kilometer kollabiert.

Dabei wird selbst die Dichte von Atomkernen überschritten; sie lösen sich gleichsam auf und werden zu suprafluider Neutronenmaterie, sodass Neutronensterne eine Dichte von einigen Billionen Kilogramm pro Kubikzentimeter aufweisen.

Und da bei einem solchen schrumpfenden Stern - ähnlich wie bei einer Eistänzerin, die ihre Arme anwinkelt - der Drehimpuls erhalten bleibt, rotieren manche Neutronensterne rasend schnell. Diese so genannten Pulsare drehen sich mit atemberaubenden Geschwindigkeiten, wobei die Drehzahl der langsamsten bei immerhin ein paar Dutzend Umdrehungen pro Minute liegt, während die schnellsten so hochtourig drehen wie Formel-1-Motoren.

Der allernächste dieser Pulsare ist in nur 500 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Zwillinge zu finden, dreht "nur" viermal pro Minute um die eigene Achse und fliegt mit einer Geschwindigkeit von über 20 000 Kilometern pro Stunde durch das All - und zwar ganz genau durch die Sichtlinie des europäischen Satelliten XMM-Newton.

Mit diesem Röntgenteleskop ist es Forschern um Patrizia Caraveo vom Instituto di Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica in Mailand zum ersten Mal gelungen, die mächtige Bugwelle des kaum 20 Kilometer großen Geminga abzubilden. Sie reicht mehr als 3,5 Milliarden Kilometer weit ins All und wird es den Forschern in der Zukunft möglich machen, Masse, Größe, Stärke des Magnetfelds oder Geschwindigkeit des Pulsars von unabhäniger Seite zu überprüfen.

Das Erstaunlich dieser Bugwelle ist, dass XMM-Newton sie sehen kann, denn eigentlich ist Geminga ein reiner Gammastrahler. Diese höchste Energieform des Lichts erzeugt der Pulsar, indem er Elektronen und Positronen - die positiv geladenen Antiteilchen der Elektronen - beschleunigt.

Eigentlich hatten die Forscher gedacht, das die Energie von Geminga - er rotiert rund 240-mal pro Minute - ausreicht, um alle Elektronen und Positronen auf das Gamastrahlenniveau zu beschleunigen. Doch da die Bugwelle auch im Röntgenspektrum leuchtet, muss dies bedeuten, dass zumindest ein gewisser Teil der Elektronen und Positronen dem Neutronenstern entkommt.

Den Grund dafür sehen die Forscher in dem Magnetfeld des Pulsars, welches infolge der Komprimierung des dünnen interstellaren Gases um das Vierfache verstärkt wird und somit kräftig genug ist, die Elektronen abzubremsen und im Röntgenspektrum sichtbar zu machen.

Schon bald wollen sich die Forscher genau diesen Umstand zunutze machen und mithilfe der spektakulären Bugwelle von Geminga eben jenes interstellare Gas erforschen, in dem pro Kubikzentimeter Volumen kaum mehr als eine Handvoll Atome schwirren.

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