Sinnesentwicklung: Die Welt im Schlaf begreifen
Die Sinne von Neugeborenen müssen oft erst noch durch Wahrnehmungen geschärft werden. So können Ratten erst ab einem Alter von zwei Wochen ihre Barthaare richtig benutzen, um die Umgebung zu ertasten. Forscher der University of Iowa haben jetzt entdeckt, dass die kleinen Nager aber vorher schon üben – und zwar im Schlaf: Das Zucken einzelner Schnauzhaare aktiviert Nervenbahnen, die in der weiteren Entwicklung den Tastsinn ausprägen.
Im wachen Zustand bewegen Babyratten ihre Tasthaare sehr unkoordiniert. Im Schlaf jedoch fangen die Haare einzeln oder in kleinen Gruppen an, sehr schnelle und komplexe Bewegungsmuster zu durchlaufen. Marc Blumberg und seine Kollegen mussten Videoaufnahmen mit 200 Bildern pro Sekunde machen, um die blitzartigen Zuckungen überhaupt zeigen zu können.
Um zu untersuchen, was im Hirn der träumenden Rattenjungen passierte, benutzten die Wissenschaftler eine Art Farbstoff, der auf die elektrische Aktivität von Nervenzellen reagiert. Sie beobachteten, dass jedes zuckende Haar eine unmittelbare Aktivitätswelle in dem Gehirnbereich verursachte, der für Tasten zuständig ist. In wachen Jungratten wurden vergleichbare Aktivitätsmuster nur selten beobachtet.
Dass Bewegung der Schnauzhaare notwendig ist, um den Tastsinn von kleinen Ratten zu schärfen, ist unumstritten. Bisher hatte man aber angenommen, die passive Berührung von Mutter und Geschwistern könnte dafür ausreichen. Blumberg und sein Team bringen mit ihrer Studie eine neue Möglichkeit ins Spiel: Aktive Bewegung durch das Neugeborene selbst ist verantwortlich für die Entwicklung des Tastsinns.
Die Forscher mutmaßen, dass die schnellen, sich wiederholenden Bewegungen besonders gut dafür geeignet sind, die Organisation des somatosensorischen Kortex zu festigen. Jedes Tasthaar versorgt dort ein bestimmtes Feld mit Information, so dass eine innere Landkarte entsteht.
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