Direkt zum Inhalt

News: Die Wurzeln der muskulären Dystrophie

Auch zu wenig Zucker kann schädlich sein. So bei Patienten mit muskulärer Dystrophie, bei denen ein unzureichend gezuckertes Enzym mit seinen biologischen Partnern nicht mehr interagieren kann.
Erblich bedingter Muskelschwund, der in mindestens 30 verschiedenen Formen auftritt, betrifft nicht immer nur die Muskulatur. Bei dem Walker-Warburg-Syndrom (WWS), der muskulären Dystrophie Fukuyama und der Muscle-Eye-Brain-Erkrankung (MEB) ist auch das Gehirn der Patienten involviert, und die Erkrankung führt hier zu schweren geistigen Behinderungen.

Für diese drei Krankheitsformen interessierte sich das Wissenschaftlerteam um Dan Michele und Steven Moore von der University of Iowa besonders. "Da sie mehr als nur Muskeln betreffen, sind sie für uns besonders interessant", beschreibt der ebenfalls beteiligte Physiologe Kevin Campbell die speziellen Muskelschwund-Erkrankungen.

Bereits vor zehn Jahren entdeckte Campbell einen großen Proteinkomplex, bei dem das beteiligte Protein Dystroglycan als molekularer Drahtzieher der Dystrophien wirkt. Dass Dystroglycan der grundlegend Verantwortliche für den angeborenen Muskelschwund ist, zeigten spezielle Mäuse, die – zumindest im Gehirn – völlig auf das Protein verzichten mussten. Mit dieser Unterversorgung erging es den Mäusen recht schlecht. Sie entwickelten eine ganze Reihe schwerer Entwicklungsfehler des Gehirns, welche den Hirndefekten von Patienten mit Fukuyama, WWS und MEB sehr ähnelten. Während die Wissenschaftler anfangs nicht vermuteten, dass Dystroglycan möglicherweise klinisch relevant sein könnte, überzeugte sie der Mäuseversuch restlos davon.

Über die Jahre hinweg konnte das Team zeigen, dass Dystroglycan zwar in Muskelzellen von Patienten mit Fukuyama und MEB vorkommt, jedoch in einer etwas seltsamen Form. Die normalerweise an seiner Oberfläche angehefteten Zuckermoleküle waren erstaunlich spärlich gesät, sodass das Protein unzureichend mit Zuckern ausgestattet war.

Der Schlüssel hierzu liegt allerdings nicht im Dystroglycan selbst, denn dessen Genvorlage ist bei Muskelschwunderkrankungen völlig in Ordnung. Schuldig ist vielmehr ein Enzym, dessen Aufgabe im Anheften von Zuckerketten besteht – der so genannten Glykosylierung. Trägt es einen genetischen Defekt, wie im Fall der muskulären Dystrophien, fehlen den Proteinen einige ihrer Kohlenhydratanhängsel.

Mit Lücken auf seiner Oberfläche kann aber Dystroglycan seinerseits keinen Kontakt mehr mit seinen biologischen Partnern aufnehmen. Als Folge versagt der große Proteinkomplex, dessen Bestandteil Dystroglycan ist, und die Brücke zwischen Zellinnerem- und äußerem kann nicht geschlagen werden. Für die physikalische Integrität der Muskelzelle ist dies aber Grundvoraussetzung.

Mit Hilfe der der Resultate könnten nun einerseits präzisere Diagnosen und akkurate Vorhersagen für Muskelschwund-Patienten getroffen werden, und andererseits eine verbesserte genetische Beratung erfolgen. "Diese Ergebnisse helfen uns die Ursachen muskulärer Dystrophien besser zu verstehen," sagt Campbell," und je mehr wir verstehen, desto besser werden wir ausgestattet sein, um entsprechende Therapien zu entwickeln."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.