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Naturschutz: "Die Zerstörung des Chaco läuft in ganz legalen Bahnen"

Einen Monat sollte sie dauern, neue Erkenntnisse zu einem bisher wenig untersuchten Gebiet bringen: Eine international besetzte Exkursion wollte sich dem Artenreichtum des Chaco-Trockenwaldes widmen. Doch die Regierung Paraguays sagte kurzfristig ab.
Blühende Lapacho-Bäume
Der Gran Chaco ist eines der letzten großen Wildnisgebiete der Erde und Heimat von etwa 50 unkontaktierten Indianern. Nun sollte eine Expedition des Londoner Natural History Museum zusammen mit einheimischen Forschern des Museo National de Historia Natural de Paraguay, der Universidad Nacional de Asuncion und der Umweltorganisation Guyra Paraguay in zwei ausgewiesenen Schutzgebieten den Artenreichtum des Trockenwaldes in Paraguay studieren. Doch die Wissenschaftler dürfen aus Sorge um die Gesundheit der Ureinwohner nicht starten.

Unterdessen geht die großräumige Zerstörung des Ökosystems durch von der Regierung meist erlaubte Ansiedlung von ländlichen Betrieben (Vieh- und Landwirtschaft) weiter. spektrumdirekt sprach aus diesem Grund mit John Burton, der schon mehrfach im Chaco war und dessen Organisation "World Land Trust" mit Spenden versucht, möglichst viel Land zu kaufen und damit Mensch und Tier zu schützen.

spektrumdirekt: Herr Burton, war es eine kluge Entscheidung der paraguayischen Regierung, die Expedition vorerst auszusetzen?

John Burton | John Burton ist seit über 30 Jahren im internationalen Naturschutz aktiv – beispielsweise für Friends of the Earth und Fauna and Flora International. 1989 gründete er den World Land Trust, der vor allem spendenfinanziert Land aufkauft, um es in Schutzgebiete umwidmen zu können.
John Burton: Nein, ich denke nicht. Die gegnerischen Argumente beruhten auf mangelndem Wissen über Ziel und Ablauf der Expedition: Sie sollten wohl einfach nur Unruhe stiften. Aber der Druck einiger kleiner Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich mit Belangen der Ureinwohner beschäftigen, bewog Umweltminister Oscar Rivas dazu, die Forschungsreise vorerst zu stoppen – drei Tage vor dem Start, nach zwölf Monaten Planung und obwohl die meisten seiner Mitarbeiter eigentlich dafür sind und sich daran beteiligen wollten.

Warum kämpfen diese Organisationen gegen die Expedition?

Laut den verlässlichsten Quellen in Paraguay leben im Chaco noch ungefähr 50 Ayoreo isoliert von der Außenwelt, das heißt, sie haben bislang den Kontakt mit Außenstehenden vermieden. Einige Organisationen befürchteten nun, dass diese Menschen durch die Expedition Schaden nehmen könnten – etwa durch eingeschleppte Krankheiten. Dabei haben die Ayoreo nun aber sogar selbst darauf gedrängt, dass eine Organisation dieser Protestbewegung, die Iniciativa Amotocodie, rechtlich überprüft wird: Die Ureinwohner beschweren sich über Lügen und die fehlende Zustimmung der Ayoreo, dass eine internationale Kampagne gestartet wurde, ohne zuvor die nationalen Eingriffsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Sind die genannten Sorgen nicht berechtigt?

Der Trockenwald | Ein bislang wenig erforschtes Gebiet: Trockenwälder im Chaco. Hier dürften noch etliche neue Arten und Erstnachweise bekannter Spezies auf Wissenschaftler warten.
Die beteiligten Wissenschaftler trafen verschiedenste Vorkehrungen, damit es nicht zu einem Kontakt kommt. Und sie haben ihr Forschungscamp zusammen mit Ayoreo-Vertretern geplant, die nicht mehr in freiwilliger Isolation leben. Die Forscher haben außerdem auch kein Gewehr dabei, wie behauptet wurde. Der Widerstand stammt vor allem von Organisationen, die nicht aus Paraguay stammen oder von Ausländern geführt werden.

Ist denn eine Expedition in den Chaco nötig?

Das Gebiet ist sehr artenreich, wurde aber bislang nur oberflächlich studiert. Wahrscheinlich existieren hier noch zahlreiche wissenschaftlich unentdeckte Arten, auch dürfte es etliche Erstnachweise bereits bekannter Spezies für die Region geben. Die Expedition hätte aber ohnehin nur ein sehr kleines Gebiet untersucht – die Ayoreo durchstreifen dagegen eine Region, die etwa zwei Millionen Hektar umfasst.

Ihre Organisation, der World Land Trust, engagiert sich ebenfalls im Chaco, um die Region zu schützen: Wie stark ist der Trockenwald bedroht?

Gerodete Flächen im Chaco | Die Rodung des Trockenwaldes im Chaco geht selten auf illegale Einschläge zurück – meist liegen ganz offizielle Bewirtschaftungspläne mit Abholzungsgenehmigungen seitens staatlicher Behörden vor.
Jeden Tag werden dort Waldflächen gerodet, die der Größe von etwa 1500 Fußballfeldern entsprechen. Allein 2009 gingen 275 000 Hektar Natur verloren: durch Landspekulation, für Viehweiden und, in geringerem Umfang, auch für Landwirtschaft. Zum Teil kommen die Großgrundbesitzer aus Brasilien, um in Paraguay billiges Land zu erwerben. Dagegen kümmerte sich 32 Jahre lang nur ein einziger Ranger um das Schutzgebiet Defensores del Chaco, das zwei Millionen Hektar Trockenwald bewahren soll.

Das Gebiet steht also unter starkem Druck: Ist es dann nicht widersinnig, die Expedition auszusetzen?

Auf alle Fälle! Einige Straßen durchziehen die Region, die zwar selten genutzt werden, aber den Zugang erlauben. Und in der Vergangenheit sind immer wieder Ölprospektoren, Missionare, Wissenschaftler, das Militär oder Anthropologen in die Heimat der Ayoreo vorgedrungen. Die NGOs, die nun die Expedition zum Halten gebracht haben, attackieren mit den Forschern die Falschen. Denn die eigentlichen Verantwortlichen für die Zerstörung des Chaco können sogar auf legaler Basis fortfahren: Sie beruht zunächst auf der Erlaubnis des Instituto Forestal Nacional (Infona), den Wald nach einem ausgearbeiteten Plan zu bewirtschaften – was bedeutet, ihn zu roden. Dies wiederum ermöglicht dem Umweltministerium, nach der Umweltverträglichkeitsprüfung eine Lizenz zu erteilen. Die Umwandlung und Zerstörung des Chaco läuft also in ganz legalen Bahnen ab.

Und was tut der World Land Trust zum Schutz des Chaco?

Wir erwerben mit Spenden so viel Land wie möglich, um es mit unserem nationalen Partner Guyra Paraguay zu schützen. Wir unterstützen bestehende Nationalparks und Reservate logistisch, mit technischem Knowhow und finanziell. Und wir drängen darauf, dass die bestehenden Gesetze gegen Entwaldung strikter durchgesetzt werden – denn sie ist die größte Bedrohung für die Ureinwohner der Region, ob sie nun isoliert leben oder nicht.

Herr Burton, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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