Artensterben : Dinosaurier von Asteroid auf falschem Fuß erwischt
Ihren Todesstoß erhielten die Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren durch einen Asteroiden, der auf die Erde stürzte. Womöglich wären sie aber gar nicht völlig ausgelöscht worden, wenn dieser Treffer sich nicht zufällig in einem sehr ungünstigen Zeitfenster ereignet hätte – einer Epoche, in der ungünstige Klimaereignisse den großen Dinos ohnehin schon das Leben schwer machte. Denn tatsächlich hatten weltweit sinkende Durchschnittstemperaturen in den Jahrhunderttausenden vor dem Asteroidenabsturz die Vielfalt der großen Pflanzenfresser drastischer reduziert als zuvor vermutet, wie eine neue Studie nun unterstreicht. Damit war das Ökosystem, an dessen Spitze Fleisch fressende Riesenechsen standen, ohnehin anfällig für einen dramatischen Populationskollaps, erklärt Stephen Brusatte: "Wäre der Asteroid ein paar Millionen Jahre früher oder später abgestürzt, so wären Dinosaurier gegen die Begleiterscheinungen womöglich besser gewappnet gewesen", meint der Paläontologe der University of Edinburgh.
Schon fast traditionell diskutieren Dinosaurierforscher über die Bedeutung des Asteroidentreffers für die Dinosaurier – umstritten ist dabei vor allem, wie sehr die Population schon im Niedergang begriffen war, als die Katastrophe sich ereignete. Ebendas haben nun Brusatte und Kollegen neuerlich untersucht. Sie werteten dazu die wachsende Datenbank zur Artenvielfalt der Dinosaurier aus – allein im letzten Jahrzehnt konnten darin Hunderte neue Fossilien aufgenommen werden [1]. Ziel der Übung war herauszubekommen, wann genau wo welche Arten häufiger oder seltener geworden sind. Die reinen Zahlen müssen dabei sorgfältig analysiert werden: Falsche Schlüsse drohen beispielsweise, wenn unberücksichtigt bliebe, dass einige Fossilfundstellen viel häufiger und gründlicher untersucht wurden als andere.
Lokales Wachstum
Die Analyse ergab nun zunächst, dass die meisten Dinosaurierarten zum Zeitpunkt des Einschlags sogar eher in einer Boomphase waren: "Global betrachtet finden wir jedenfalls keinerlei Beleg für einen langfristigen Trend hin zu abnehmenden Artenzahlen", erklärt Teammitglied Richard Butler, ein Paläontologe der University of Birmingham. "Keinesfalls drohte den Dinosauriern insgesamt ein nahes Ende, das von dem Asteroiden dann nur beschleunigt wurde."
Aber: In Nordamerika waren – acht bis zehn Millionen Jahre vor dem Einschlag – zwei große Gruppen von Pflanzenfressern doch allmählich immer weiter geschrumpft: die Entenschnabeldinosaurier und die Triceratops-Verwandtschaft. Teilweise existiert offenbar nur noch eine einzige Spezies in diesen einst artenreichen Gruppen. Ein solcher lang andauernder Rückgang ist beispiellos: Andere Spezies litten an anderen Orten und Zeiten zwar gelegentlich, konnten sich dann aber immer wieder erholen.
Modellrechnungen aus dem Jahr 2012 zeigen, was sich im Fall der Entenschnabel- und Triceratops-Arten abgespielt haben könnte: Offenbar hatten sinkende Temperaturen lokal für ein deutlich gebremstes Pflanzenwachstum gesorgt; die Vegetation konnte daraufhin die großen Pflanzenfresser vor Ort nicht mehr ernähren – und diese wurden dann so rar, dass die Fleischfresser ebenfalls Probleme bekamen; ein klassischer Fall zusammenbrechender Nahrungsnetze [2]. Mit der Situation kamen die Dinofauna wohl noch klar – sie steckte aber eben gerade in einem fordernden Transformationsprozess, der die Reserven des Gesamtsystems angriff. Und genau nun schlug das Geschoss aus dem All ein und überlastete das System: Die Dinosaurier starben aus (mit Ausnahme einiger Spezialisten: der Vögel).
Ziemlich genau so dürfte es gewesen sein, kommentiert auch der Paläontologe David Archibald von der San Diego State University in California, der an der neuen Studie selbst nicht beteiligt war: "Am Ende hat dann jedenfalls der Asteroid den Dinosauriern den Rest gegeben." Allerdings unterstreicht er auch noch einmal, wie schnell man falschliegen kann, wenn man die einzelnen, unterschiedlich gut erforschten Fundstellen nicht korrekt einordnet: So seien nach seiner Einschätzung – anders als das Brusatte und Kollegen errechnet haben – in Nordamerika auch bestimmte kleine zweibeinige Theropoden-Fleischfresser im Niedergang begriffen gewesen [3]. Aber man habe ja auch erst seit kurzer Zeit überhaupt genug Informationen, um die Entwicklungen einigermaßen nuanciert beschreiben zu können, gibt Archibald zu bedenken.
Dieser Artikel erschien in einer ausführlicheren Version in "Nature".
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