Sauropoden: Evolution der Giganten
Unter allen Tieren, die einst unseren Planeten bevölkerten, halten die langhalsigen und langschwänzigen Sauropoden den Größenrekord. Kein anderes Landtier hat jemals auch nur annähernd ihre kolossalen Ausmaße erreicht. Sie stellten alle übrigen Dinosaurier in den Schatten, egal ob schnabeltragende Hadrosaurier, gehörnte Ceratopsier, gepanzerte Ankylosaurier oder räuberische Tyrannosaurier. Und die zu den Nashornartigen gehörende Säugetiergattung Paraceratherium, die mit einem Gewicht von bis zu 20 Tonnen die größten Landsäugetiere aller Zeiten stellte, erscheint im Vergleich zu manchem Sauropoden als Leichtgewicht.
Für einen Evolutionsbiologen wie mich stellen die Sauropoden eine faszinierende Besonderheit dar. In der Evolutionsgeschichte wimmelt es von Beispielen für das Phänomen der Konvergenz, bei der sich dasselbe Merkmal unabhängig voneinander in mehreren Gruppen von Lebewesen entwickelt hat. Als klassisches Exempel gelten die muskelbetriebenen Flügel, die bei Vögeln, Fledermäusen, Flugsauriern und Insekten entstanden. Die einzelnen Skelettbauteile der Flugapparate unterscheiden sich jedoch grundlegend bei den Tiergruppen, was ihren unabhängigen evolutionären Ursprung belegt. Auch bei sehr komplexen Merkmalen tritt Konvergenz häufig auf: Warmblütigkeit, bewegliche fokussierende Augen, zweibeinige Fortbewegung, gänzlich fehlende Gliedmaßen, Werkzeuggebrauch oder Lebendgeburt tauchten in verschiedenen Tiergruppen mehrfach auf. Im Pflanzenreich sind Konvergenzen ebenfalls weit verbreitet: Fleisch fressende Pflanzen entstanden mindestens ein Dutzend Mal, Wurzeln entwickelten sich mehr als einmal, und sogar die typisch baumförmige Wuchsform, Arboreszenz genannt, wurde mehrfach »erfunden«. Vor diesem Hintergrund stellt die einzigartige Größe der Sauropoden an sich schon eine Anomalie dar. Kein anderes Landtier hat je auch nur ein Drittel des Gewichts der größten Sauropoden erreicht. Weshalb also ragten jene Dinosaurier im wahrsten Sinn des Wortes derart aus der Vielzahl der anderen Tiere heraus?
Die in den letzten Jahrzehnten ausgegrabenen Sauropodenfossilien liefern erste Hinweise auf mögliche Antworten. Analysen des rasch zunehmenden Fossilienbestands zeigen, wo und wann sich Sauropoden zu Riesen entwickelten und was es ihnen ermöglichte, im Lauf ihrer fast 150 Millionen Jahre währenden Vorherrschaft immer wieder Extremmaße zu erreichen. Zudem deuten einige Funde darauf hin, dass sogar noch gigantischere Formen ihrer Entdeckung harren.
Nur spärliche Funde
Wie Sauropoden ihre einzigartigen Körperdimensionen erreichen konnten, blieb lange Zeit schwierig zu beantworten, weil man in der Vergangenheit bloß wenige Fossilien von ihnen gefunden hatte – viel weniger als bei anderen Landtieren und um Größenordnungen geringer als bei Meeresbewohnern. Damit ein toter Körper zum Fossil werden kann, muss er zunächst unter die Erde gelangen. Bei den riesigen Sauropoden musste sich also eine beachtliche Menge an Sedimenten in kurzer Zeit über dem Körper ablagern, etwa im Rahmen eines Erdrutsches oder einer Sturzflut, die in einer Region vielleicht nur wenige Male pro Jahrzehnt oder Jahrhundert auftritt – im Gegensatz zu saisonalen Überschwemmungen durch Bäche und Flüsse, die mehrmals im Jahr kleinere Tiere begraben. Außerdem können heftige Erd- oder Wasserbewegungen die Einzelteile eines Skeletts, die bei Sauropoden besonders vielgestaltig waren – neben baumdicken Extremitäten gab es wabenförmige Wirbel sowie winzige papierdünne Schädelknochen –, zerstreuen oder wegtragen.
Hinzu kommt ein menschlicher Faktor, der den Erkenntnisgewinn über Sauropoden verzögert haben dürfte: Ein Paläontologe kann eine Saison im Feld damit verbringen, eine Hand voll Sauropodenknochen auszugraben, oder er spürt in der gleichen Zeit mehrere vollständige Skelette kleinerer Arten auf. Gleichfalls können Wissenschaftler in ihrer begrenzten Forschungszeit in einem Museum darauf warten, dass ihnen per Gabelstapler ein einzelner riesiger Knochen aus dem Hochregal gebracht wird, oder sie untersuchen stattdessen die komplette Anatomie eines Tiers von normalerer Dimension.
Doch trotz derartiger Hemmnisse wuchsen in den vergangenen Jahrzehnten sowohl der Fossilienbestand als auch die Erkenntnisse über die Sauropoden stark an. Bis ins späte 20. Jahrhundert gelangten nur wenige unbekannte Spezies ans Tageslicht. Das änderte sich in den 1990er Jahren, da das Interesse an Dinosauriern anstieg und zu mehr Ausgrabungen führte (siehe »Spektrum« März 2024, S. 52). Um die Jahrtausendwende nahm schließlich die Anzahl neu entdeckter Sauropodenspezies rasch zu (siehe »Neu beschriebene Sauropodenarten pro Jahr«). Im vergangenen Jahrzehnt konnten Forscherinnen und Forscher praktisch jährlich etwa zehn neue Arten beschreiben. Diese umfangreiche Datenvielfalt erlaubt es uns endlich zu ergründen, wie die Sauropoden ihre enormen Ausmaße erreichten.
Eine Fülle an Formenvielfalt
Um herauszufinden, weshalb Sauropoden so außergewöhnlich waren, müssen wir zunächst verstehen, wann, wo und wie sie sich entwickelt haben. Derzeit kennen wir weltweit etwa 250 Sauropodenspezies. Und stetig kommen Neuentdeckungen hinzu – aus zuvor wenig erforschten Gebieten wie der Antarktis, aber auch aus Regionen, die seit Jahrzehnten untersucht werden, wie etwa Australien oder Nordamerika. Die geborgenen Skelette offenbaren eine Vielfalt an Größen und Körperformen: Manche Sauropoden waren offensichtlich schlank wie Giraffen, andere stämmig wie Elefanten. Einige besaßen einen langen Hals als elegantes Gegenstück zum Schwanz, während andere merkwürdig unproportioniert wirkten. Mehrere hatten besonders lange Vorderbeine, was ihnen eine stattliche aufrechte Gestalt verlieh; bei manchen sorgten tief hängende Schultern für eine bodennahe Position von Hals und Kopf. Fossile Fußabdrücke offenbaren, dass einige Sauropoden ihre Füße wie die meisten Vierbeiner nahe der Körpermittellinie aufsetzten; andere wiederum standen auf gespreizten Beinen wie eine 15 Meter lange Bulldogge. Diese Formenvielfalt zeigt, dass in einem Ökosystem mehrere Sauropodenarten nebeneinander existieren konnten, wobei jede Spezies an die Nutzung bestimmter Ressourcen angepasst war. Daher stoßen wir auch oft auf mehr als eine Sauropodenart am selben Ort und aus der gleichen Zeit.
Die Fülle an Körperformen erschwert es, die Dimensionen der verschiedenen Spezies anhand von Länge oder Höhe zu vergleichen, so dass die Fachleute für realistische Gegenüberstellungen auf die Körpermasse zurückgreifen. Diese korreliert mit biologisch wichtigen Merkmalen wie Stoffwechselrate, Wachstumsgeschwindigkeit, Gelegegröße, Langlebigkeit und Umfang des individuellen Lebensraums. Das berechnete Körpergewicht kann also eine Vorstellung von wichtigen Eigenschaften eines ausgestorbenen Tiers vermitteln, solange wir uns dessen bewusst sind, wie ungenau die jeweilige Korrelation ist.
Zum Schätzen der Körpermasse ausgestorbener Tiere gibt es mehrere Rechenmodelle. Die am häufigsten verwendete Methode beruht auf den Abmessungen der Extremitäten. Dabei werden die Beine als Säulen interpretiert, die ein Gebäude tragen. Da die Tragfähigkeit einer Säule mit ihrer Dicke zunimmt, lässt sich die Masse eines Sauropoden anhand der Querschnittsfläche seiner Beinknochen hochrechnen. Von etwa 200 der 250 bekannten Sauropodenarten sind solche Knochen vollständig genug erhalten, um sie entsprechend zu vermessen.
Die ersten Vertreter der Sauropoden waren noch keine Giganten
Anhand derartiger Daten rekonstruierte ich die Entwicklung der Körpermasse dieser Tiere. Wie sich dabei herausstellte, hatten die Sauropoden im Lauf ihrer langen Geschichte ein sehr breites Spektrum an Körpergrößen herausgebildet. Es gab wahrhafte Giganten, wie den mehr als 50 Tonnen schweren Titanosaurier Patagotitan. Die kleinsten hingegen, etwa der sechs Meter lange Magyarosaurus, wogen lediglich so viel wie ein Stier. Um die Entwicklung der Körpergrößen mit der Zeit zu analysieren, übertrug ich die Daten der verschiedenen Spezies in ein zeitlich skaliertes Baumdiagramm, das zeigte, wann und wie oft sich das Körpergewicht von einzelnen Sauropodenlinien vergrößerte oder verkleinerte (siehe »Erfolgsrezept Riesenwuchs«). Demnach waren ihre ersten Vertreter, die vor mehr als 200 Millionen Jahren auftauchten, noch keine Giganten – sie erreichten ungefähr die Ausmaße eines heutigen Nashorns. Vor etwa 165 Millionen Jahren entwickelten sich dann die ersten Riesenformen, die noch nicht zu den Neosauropoden gehörten, darunter die Mamenchisauriden mit ihren extrem langen Hälsen.
Die meisten Sauropoden waren im Vergleich zu den größten bekannten Landsäugetieren noch nicht außergewöhnlich. Nehmen wir Diplodocus, einen Saurier mit besonders langem Schwanz, der vor etwa 155 bis 145 Millionen Jahren im westlichen Nordamerika lebte. Das als »Dippy« bekannte Fossil, von dem Repliken in Museen auf der ganzen Welt ausgestellt sind, wog vielleicht 14 Tonnen und war damit kleiner als die größten Mammuts oder nashornartige Säugetiere der Vergangenheit. Dippy lag mit seinem Gewicht nahe am Mittelwert der bisher untersuchten Sauropoden. Wie dieses Exemplar wogen drei Viertel aller Sauropoden weniger als die größten Landsäugetiere.
Ausgehend von bescheidenen Körpermaßen erreichten die Sauropoden drei Dutzend Mal Rekordwerte
Ausgehend von solchen relativ bescheidenen Körpermaßen erreichten jedoch die Sauropoden meinen Untersuchungen zufolge erstaunlicherweise im Lauf von 100 Millionen Jahren auf sechs verschiedenen Landmassen drei Dutzend Mal Rekordwerte. Recht früh tauchten neue Sauropodenfamilien auf, die unabhängig voneinander Riesenwuchs entwickelten. Diese wiederholte Besetzung der ökologischen Nische »extrem großer Körper« spiegelt das Muster wider, das bei den Landsäugetieren ebenfalls zu beobachten ist: Sie bildeten nach dem Aussterben der Dinosaurier schnell schwergewichtige Formen aus, bevor sie dann etwa im Größenbereich der Mammuts ein Plateau erreichten.
Die größten der großen Sauropoden besaßen verschieden geformte Zähne und Köpfe sowie unterschiedlich proportionierte Körper, was darauf hindeutet, dass sich diese Pflanzen fressenden Dinosaurier jeweils anders ernährten und in teils verschiedenen Habitaten lebten. Wie die Sauropoden im Allgemeinen besetzten also auch die massivsten unter ihnen unterschiedliche ökologische Nischen.
Noch nicht am Limit
Die Dimensionen der größten bekannten Sauropoden werfen faszinierende Fragen zu den Grenzen der Evolution auf: Wie groß können landlebende Tiere überhaupt werden? Und warum nicht noch größer? Biomechanische Untersuchungen liefern hierzu einige Hinweise. Als die Gliedmaßen zunehmend mächtiger wurden, da sie immer schwerere Körper stützen mussten, nahm auch die Beweglichkeit der Tiere ab. Es gibt also eine Obergrenze für die Dicke der Gliedmaßen, die ein lebensfähiges Tier tragen sollen. 1986 schloss Jyrki Hokkanen von der Universität Helsinki auf Grund physikalischer Überlegungen, dass das biomechanisch bedingte theoretische Limit für die Körpermasse landlebender Tiere bei weit über 100 Tonnen liegt.
Auch die massivsten Sauropoden besetzten unterschiedliche ökologische Nischen
Unklare Berichte aus der Vergangenheit über inzwischen verschollene Fossilien deuteten auf Sauropoden hin, die vielleicht noch schwerer waren. Doch der größte sicher nachgewiesene Sauropode, Argentinosaurus, blieb mit 75 Tonnen unter dieser Grenze. Neben der Biomechanik limitieren auch Faktoren wie die Verfügbarkeit von Nahrung und Lebensraum sowie der Wärmehaushalt das maximale Körpergewicht auf komplexe, schwer einschätzbare Weise. Im Moment können wir lediglich sagen, dass Landtiere mindestens so groß wie Argentinosaurus werden können, höchstwahrscheinlich aber größer. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis noch massivere Sauropoden entdeckt werden.
Enormes Wachstum
Um solche Dimensionen zu erreichen, bedarf es eines Wachstums im Rekordtempo. Von allen Tieren mussten Sauropoden absolut gesehen am stärksten wachsen und dabei ihr Körpergewicht um vier Zehnerpotenzen steigern – nicht nur, weil sie als ausgewachsene Individuen so riesig waren, sondern auch, weil sie so klein anfingen: Wie andere Dinosaurier und die modernen Vögel schlüpften Sauropoden aus Eiern. Je größer ein Ei ist, desto stabiler muss seine Schale sein. Im Lauf der Evolution konnte sich jedoch die Schale bloß bis zu einem gewissen Grad verstärken, um noch einen ausreichenden Gasaustausch mit der Umgebung sowie das spätere Schlüpfen des Jungtiers zu ermöglichen. Diese Anforderungen schränken die Eigröße stark ein. Sauropodeneier waren melonen- bis fußballgroß und damit kleiner als die größten Vogeleier. Selbst ein über 30 Meter langes Tier begann sein Leben mit einer Körperlänge von vielleicht weniger als einem halben Meter. Im Gegensatz dazu erscheinen die Neugeborenen der lebend gebärenden Säugetiere imposant. Junge Blauwalkälber zum Beispiel sind bei ihrer Geburt ungefähr sieben Meter lang, so dass sie ihre Körperlänge etwa vervierfachen müssen, bis sie ausgewachsen sind – eine bescheidene Aufgabe verglichen mit der wohl 100-fachen Längenzunahme, die einem schlüpfenden Sauropoden bevorstand.
Das theoretische Limit für die Körpermasse landlebender Tiere liegt bei weit über 100 Tonnen
Untersuchungen an den Knochen mehrerer Sauropodenarten offenbarten, wie sie die enormen Wachstumsraten erreichten. Wie Baumstämme enthalten Wirbeltierknochen Ringe, die das Alter eines Individuums sowie die Geschwindigkeit und Dauer des Wachstums widerspiegeln. Heutige Wirbeltiere weisen eine Vielzahl von Wachstumsstrategien auf. Reptilien wie Alligatoren, Eidechsen oder Schildkröten wachsen relativ langsam, bei großen Säugetieren wie dem Blauwal geht es deutlich schneller. Wären Sauropoden so langsam gewachsen wie die Reptilien heute, hätten sie mindestes ein Jahrhundert gebraucht, um ihre gewaltigen Dimensionen zu erreichen. Stattdessen wuchsen sie, wie die Wachstumsringe verraten, beeindruckend schnell – ähnlich wie viele große Säugetiere heute – und erreichten ihre endgültigen Ausmaße nach 20 bis 50 Jahren.
Sauropoden mussten wahrscheinlich so schnell wachsen, denn nur ausgewachsene Exemplare konnten vor Raubtieren halbwegs sicher sein, während die Jungtiere leichte Beute waren und außerdem mit anderen Tiergruppen um Ressourcen konkurrierten. Im Gegensatz zu großen Säugetieren wie den Walen, die Jahre damit verbringen, ein einzelnes Kalb aufzuziehen, stand bei den Sauropoden Quantität vor Qualität: Sie produzierten zahlreiche Eier und überließen die Jungen dann sich selbst. Fossile Funde zeigen, dass zumindest einige Gruppen von Sauropoden in Kolonien nisteten und ihre Nester recht dicht nebeneinander anlegten – zu dicht, als dass sich ein ausgewachsenes Tier dazwischen hätte bewegen und den Nachwuchs betreuen können (siehe »Spektrum« Oktober 2023, S. 40).
Sauropoden wuchsen beeindruckend schnell und erreichten ihre endgültigen Ausmaße nach 20 bis 50 Jahren
Je schneller die Jungtiere heranwuchsen, desto besser waren ihre Chancen, die Bedrohung durch Raubtiere zu überleben. Allerdings variierten die Wachstumsraten von Art zu Art recht stark. Als die Sauropoden erstmals größere Dimensionen erreichten, wuchsen sie wie die meisten Tiere in jährlichen Schüben, während in ungünstigen Zeiten das Wachstum pausierte. Wie eine argentinische Arbeitsgruppe 2017 herausfand, verkürzten sich bei späteren Sauropoden die saisonalen Pausen, oder sie fielen sogar ganz aus, so dass die Tiere das ganze Jahr über schnell an Größe zunahmen.
Als hilfreich für dieses kontinuierliche Wachstum erwiesen sich wahrscheinlich Wanderungen zwischen verschiedenen Gebieten, da so Nahrung ganzjährig verfügbar blieb. Ein Forscherteam, dem ich angehörte, berichtete 2021, dass einige Sauropoden offensichtlich beachtliche Strecken zurücklegten, etwa von der heutigen Region der Großen Seen in das Gebiet der Rocky Mountains. Die Eigenschaft, das ganze Jahr über kontinuierlich weiterzuwachsen, dürfte ein Schlüsselfaktor für den Riesenwuchs der frühen Sauropoden gewesen sein.
Ein Mix aus Reptilien-, Vogel- und Säugermerkmalen
Wir beginnen gerade erst zu verstehen, weshalb die Sauropoden so gigantische Ausmaße erreichten. Wie alle Dinosaurier wiesen auch die Sauropoden eine Mischung von Merkmalen auf, die man bei den heutigen Reptilien, Vögeln und Säugetieren wiederfindet. 2008 konnten Martin Sander und Marcus Clauss, damals beide an der Universität Bonn, zeigen, dass wahrscheinlich einige der eher reptilienartigen Merkmale es den Sauropoden ermöglichten, die größten landlebenden Tiere aller Zeiten zu werden.
So besaßen sie einfache Zähne, die nicht zum Kauen taugten. Die Saurier nahmen also ihre Nahrung schnell auf und fermentierten sie im Darm, was angesichts ihrer voluminösen Brustkörbe plausibel erscheint. Wegen des Verzichts auf das Kauen brauchten die Tiere auch keine besonders kräftigen Kiefermuskeln, so dass ihre Köpfe relativ klein bleiben konnten. Das wiederum erlaubte längere Hälse, mit denen sie in einem weiten Bereich Nahrung erreichten, ohne sich dabei von der Stelle zu bewegen – eine sehr energieeffiziente Lebensweise. Da sie Eier legten und keine Brutpflege betrieben, blieben den Sauropoden genügend Ressourcen, sich ausschließlich auf das Körperwachstum zu konzentrieren.
Andererseits entwickelten verschiedene Sauropodengruppen unabhängig voneinander Lungen mit Luftsäcken, die wie bei heutigen Vögeln den ganzen Organismus durchzogen. Das optimierte ihre Atmung und machte ihre Körper leichter. So bestand das Körpervolumen bei vielen großen Sauropoden zu mehr als zehn Prozent aus Luftsäcken.
Ihre langen Hälse und kleinen Köpfe, das Fehlen elterlicher Pflichten und die teils luftgefüllten Körper erklären, warum Sauropoden im Allgemeinen größer waren als andere Landtiere. Rätselhaft bleibt dabei jedoch, weshalb 36 Entwicklungslinien innerhalb der Gruppe der Sauropoden die übrigen deutlich überragten und wahrhaft gigantische Ausmaße erreichten. Jeder Fall scheint anders gelagert zu sein: Raubtiere, die kleinere Beutetiere leichter angreifen können, dürften Saurier mit höheren Wachstumsraten selektiert haben; ein phasenweiser Überfluss an natürlichen Ressourcen könnte verlängerte Wachstumsphasen ermöglicht haben. Es bedarf noch viele weiterer Untersuchungen, um die Ursachen dieses Phänomens umfassend zu ergründen.
Vieles an den Sauropoden ist Ehrfurcht gebietend: Sie verschoben die Grenzen des biologisch Möglichen nicht nur einmal, sondern Dutzende Male deutlich nach oben. Dank zahlreicher und besser untersuchter Fossilienfunde hoffen wir bald einige der Evolutionsprozesse zu verstehen, die es den Sauropoden ermöglichten, immer wieder die größten Landtiere aller Zeiten hervorzubringen.
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