Stoffkreisläufe: DNA à la carte
Normalerweise sind Gene mit vornehmen Aufgaben im Fachbereich Information und Verwaltung betraut. In fünf Kilometern Tiefe zählt das nicht mehr. Dort werden die Bibliotheken von gestern ganz unten in die Nahrungskette eingespeist.
"Ich esse keine Tomaten mit Genen drin" – so oder ähnlich lauten gern belächelte Zitate, die Verbraucher-Umfragen zum Thema Genfood zu Tage fördern. Nun wird selbst der ambitionierteste Bioladenbesitzer seinen Kunden leider niemals Tomaten ohne Gene anbieten können. Fernab der Gemüsetheke, in einer ganz und gar unwirtlichen Welt, stehen aber sehr wohl Gene auf dem Speiseplan – allerdings ohne Tomaten drumherum.
Wohin kein Lichstrahl mehr dringt, Tausende von Metern unterhalb der Oberfläche der Ozeane, kriechen und paddeln auf dem Tiefseegrund winzige hartgesottene Wesen herum, die vornehmlich von dem leben, was von oben herab kommt. Das ist zwar nicht immer ein eben entschlafener molliger Wal und zum Glück noch seltener ein sinkender Gemüsefrachter, aber auch Kleinstvieh macht Mist. Was an Plankton und gewesenen Einzellern dort hinunter schwebt, häuft sich Schicht um Schicht zu einem an Nährstoffen reichen Bodensatz an.
Experte für diese Sedimente ist Roberto Danovaro, Ozeanologe an der Universität Ancona. Weil er sich vornehmlich mit marinen Stoffkreisläufen beschäftigt, also damit, wie Meeresmikroben mit chemischen Elementen wie Stickstoff, Phosphor und Schwefel umgehen, muss er sich die Bodenschichten schon genauer anschauen. Dazu ließ er 78 Sedimentproben in sein nahe der Adriaküste gelegenes Labor karren: aus dem Indischen Ozean und dem Nordatlantik, aus Tiefen knapp vor der Antarktis und den pazifischen Abyssalregionen und – natürlich – aus dem heimischen Mittelmeer.
Als er mit seinem Kollegen Antonio Dell'Anno per Spektroskop die sandigen Vorratskammern durchforstete, fiel Danovaro vor allem ein Braten auf, den bislang noch niemand auf der Rechnung hatte: die DNA. Und zwar nicht etwa die, welche die im Meeresboden beheimateten Geißeltierchen und Bakterien notwendigerweise in ihren Zellen mittransportieren, sondern nackte DNA, deren Besitzer längst verschieden waren. Am Ende schätzte er, dass mehr als neunzig Prozent der in den oberen Zentimetern des Tiefsee-Sediments gefundenen Erbsubstanz außerhalb von Zellen vorliegt – quasi "tote" DNA also.
Mit fast einer halben Gigatonne außerzellulärer DNA auf den Ozeanböden weltweit rechnet der italienische Meeresforscher. Das ist ein paar hundert mal so viel Erbgutmaterial, wie die derzeit lebende Menschheit zusammen an DNA auf die Waage bringt.
Der Forscher hält es daher für nötig, dem recycelten DNA-Phosphat fortan eine tragende Rolle im Phosphat-Zyklus der marinen Ökosysteme zuzuweisen. Ob dem prominenten Informationsmolekül diese vergleichsweise niedere Aufgabe in der Ernährungsindustrie schmeckt?
Wohin kein Lichstrahl mehr dringt, Tausende von Metern unterhalb der Oberfläche der Ozeane, kriechen und paddeln auf dem Tiefseegrund winzige hartgesottene Wesen herum, die vornehmlich von dem leben, was von oben herab kommt. Das ist zwar nicht immer ein eben entschlafener molliger Wal und zum Glück noch seltener ein sinkender Gemüsefrachter, aber auch Kleinstvieh macht Mist. Was an Plankton und gewesenen Einzellern dort hinunter schwebt, häuft sich Schicht um Schicht zu einem an Nährstoffen reichen Bodensatz an.
Experte für diese Sedimente ist Roberto Danovaro, Ozeanologe an der Universität Ancona. Weil er sich vornehmlich mit marinen Stoffkreisläufen beschäftigt, also damit, wie Meeresmikroben mit chemischen Elementen wie Stickstoff, Phosphor und Schwefel umgehen, muss er sich die Bodenschichten schon genauer anschauen. Dazu ließ er 78 Sedimentproben in sein nahe der Adriaküste gelegenes Labor karren: aus dem Indischen Ozean und dem Nordatlantik, aus Tiefen knapp vor der Antarktis und den pazifischen Abyssalregionen und – natürlich – aus dem heimischen Mittelmeer.
Als er mit seinem Kollegen Antonio Dell'Anno per Spektroskop die sandigen Vorratskammern durchforstete, fiel Danovaro vor allem ein Braten auf, den bislang noch niemand auf der Rechnung hatte: die DNA. Und zwar nicht etwa die, welche die im Meeresboden beheimateten Geißeltierchen und Bakterien notwendigerweise in ihren Zellen mittransportieren, sondern nackte DNA, deren Besitzer längst verschieden waren. Am Ende schätzte er, dass mehr als neunzig Prozent der in den oberen Zentimetern des Tiefsee-Sediments gefundenen Erbsubstanz außerhalb von Zellen vorliegt – quasi "tote" DNA also.
Mit fast einer halben Gigatonne außerzellulärer DNA auf den Ozeanböden weltweit rechnet der italienische Meeresforscher. Das ist ein paar hundert mal so viel Erbgutmaterial, wie die derzeit lebende Menschheit zusammen an DNA auf die Waage bringt.
Bei einem solchen Überfluss an biologischem Baumaterial lassen sich die ohnehin als Überlebenskünstler bekannten Bakterien nicht zweimal bitten. Den Stickstoff und Kohlenstoff können die Mikroorganismen gut für ihre eigenen Moleküle gebrauchen und brechen ihn flugs aus den herrenlosen Nukleinsäuren. Besonders ein weiteres Element werden die plündernden Mikroben kaum übersehen: Eingefügt in das Zucker-Phosphat-Rückgrat macht Phosphor etwa zehn Prozent des DNA-Gewichts aus – und liefert den Bakterien knapp die Hälfte ihres täglichen Bedarfs an diesem Element, wie Danovaro kalkuliert.
Der Forscher hält es daher für nötig, dem recycelten DNA-Phosphat fortan eine tragende Rolle im Phosphat-Zyklus der marinen Ökosysteme zuzuweisen. Ob dem prominenten Informationsmolekül diese vergleichsweise niedere Aufgabe in der Ernährungsindustrie schmeckt?
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