Direkt zum Inhalt

Nanorobotik: Eine winzige Turbine aus DNA

Ein steuerbarer Motor aus DNA-Molekülen rotiert in einer winzigen Pore – angetrieben von einer Ionenströmung oder elektrischen Feldern. Die Maschine soll eines Tages Nanofabriken aus DNA antreiben.
Illustration einer winzigen Turbine aus DNA-Molekülen
Das biologische Vorbild für die winzige Turbine, die hier künstlerisch dargestellt ist, ist das Enzym ATP-Synthase.

Sie sind unvorstellbar klein und leisten doch Großes: Molekulare Maschinen erfüllen in lebenden Zellen zahlreiche Aufgaben. Sie sind etwa verantwortlich dafür, dass sich ein Muskel zusammenziehen kann, sorgen für die Bewegung der Geißel eines Bakteriums und stellen ATP, den universellen Energieträger der Zelle, her. Nun haben Forschende der Technischen Universität Delft, der Technischen Universität München, der University of Illinois at Urbana-Champaign und des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation erstmals einen winzigen Motor nach zellulärem Vorbild aus DNA-Molekülen gebaut. Er rotiert gezielt und kontrolliert in einer nanoskaligen Pore, angetrieben von einer Strömung oder einem elektrischen Feld. Die Fachleute berichten darüber im Fachmagazin »Nature Nanotechnology«.

Die Technik reiht sich ein in eine wachsende Liste von DNA-Origami-Tricks, die zum Aufbau von Strukturen auf molekularer Ebene verwendet werden. Ein solcher Motor ist ein wichtiger Beleg dafür, dass sich damit nicht nur statische Nanosysteme herstellen lassen, sondern auch solche, die kontrolliert Arbeit verrichten können. Den Forschern schwebt vor, dass sich mit den Minimotoren eines Tages winzige DNA-Nanofabriken konstruieren lassen, die dann in der chemischen Synthese, der zielgerichteten Verabreichung von Medikamenten oder als medizinische Sonden zum Erkennen von Krebszellen Anwendung finden könnten.

DNA-Origami bezeichnet dabei eine Technik, bei der zunächst ein einzelsträngiges DNA-Rückgrat in Bakterien herangezüchtet und dann in einer Lösung mit kurzen Strängen synthetischer DNA vermischt wird. Die kurzen Stücke verbinden sich mit dem langen Strang und zwingen ihn, sich in die gewünschte Form zu falten. Wählt man alle Bauelemente geschickt aus, setzt sich das Puzzle im Reagenzglas fast von allein zusammen. Seit der ersten Demonstration dieser Technik im Jahr 2006 durch Paul W. K. Rothemund vom California Institute of Technology haben die Münchener Forscher unter der Leitung von Hendrik Dietz das Prinzip stetig weiterentwickelt und immer komplexere DNA-Origami-Objekte gebaut.

Idee schon aus dem Jahr 2015

Die Idee, einen rotierenden Motor auf der Basis von DNA-Origami zu entwickeln, entstand bereits im Jahr 2015 in den Laboren von Hendrik Dietz und Cees Dekker, einem Experten für Nanoporen. Doch zunächst seien alle Versuche aus verschiedenen technischen und gestalterischen Gründen erfolglos gewesen, schreibt das Team in einem Begleitartikel. Im Jahr 2022 dann gelang es der Gruppe um Dietz erstmals einen DNA-Nanomotor auf Basis des so genannten Ratschenmechanismus herzustellen. Es handelte sich dabei um ein Konstrukt, das so lange willkürlich in einer Lösung umherzappelte, bis es von einem angelegten Wechselstrom dazu gezwungen wurde, sich in eine Richtung zu drehen. Der Motor war jedoch noch schwer steuerbar und rastlos.

In Anlehnung an zelluläre Motorproteinkomplexe sowie strömungsgetriebene Windturbinen entwarfen die Wissenschaftler dieses Mal eine DNA-Origami-Turbine, die in einer Nanopore steckt. Jede Turbine besteht aus einem winzigen Rotor mit einer Breite und Höhe von 25 bis 27 Nanometern. Damit ist die Größe vergleichbar mit einem ATP-Synthase-Enzym. Drei aus DNA-Helices gebildete Turbinenschaufeln sind asymmetrisch um die zentrale Achse angeordnet und drehen sich dadurch, wenn Wasser durch die Nanopore strömt. Eine Salzlösung mit unterschiedlichen Konzentrationen auf beiden Seiten der Pore lässt die DNA-Helices rotieren. Die Drehrichtung hängt von der Händigkeit des Rotors ab. Auch ein elektrischer Potenzialunterschied lässt den Motor rotieren. Dabei nutzte die Arbeitsgruppe aus, dass die DNA von Natur aus negativ geladen ist. Sie erreichte eine Rotationsgeschwindigkeit von bis zu zehn Umdrehungen pro Sekunde.

»Es bedurfte viel Beharrlichkeit, Glück und Teamarbeit, um diese Herausforderung zu bewältigen«Cees Dekker und Hendrik Dietz, Biophysiker

Darüber hinaus modellierte das Team die DNA-Komplexe auf einem Hochleistungsrechner, um die zu Grunde liegenden molekulardynamischen Phänomene aufzuklären, die dazu beitragen, dass das System überhaupt funktioniert. So zeigte sich etwa im Experiment, dass die Minimotoren bei einer höheren Konzentration der Salzlösung von einer Drehung gegen den Uhrzeigersinn auf eine Drehung im Uhrzeigersinn umschalteten. Dieses unerwartete Verhalten ließ sich mit Hilfe der Simulationen erklären, schreibt die Arbeitsgruppe. Die Ursache sei, dass sich bei sehr hohen Salzkonzentrationen die Ladung der DNA und die Wechselwirkung mit den ebenfalls geladenen Ionen in der Lösung verändere.

»Es bedurfte viel Beharrlichkeit, Glück und Teamarbeit, um diese Herausforderung zu bewältigen, und wir freuen uns, die Ergebnisse präsentieren zu können«, schreibt das Team in einem Begleitartikel. »Wir freuen uns darauf, zu entdecken, was dieses System für die Nanorobotik bereithält.«

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.