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Detektoren: DNA soll beim Nachweis von Dunkler Materie helfen

DNA

Mit Hilfe von Goldfolie und unzähligen Strängen aus DNA könnte sich in absehbarer Zukunft ein Nachweisgerät für Dunkle Materie bauen lassen. Das schlägt jetzt zumindest eine Gruppe von Astrophysikern und Genetikern vor. Ihr Detektor könnte – jedenfalls in der Theorie – bis auf den Nanometer genau nachverfolgen, wo und aus welcher Richtung eins der mutmaßlichen Dunkle-Materie-Teilchen einschlägt. An dieser Aufgabe scheitern alle anderen derzeitigen Systeme.

Überdies würde er bei Raumtemperatur laufen und deutlich weniger Platz beanspruchen als alternative Verfahren, berichtet das Wissenschaftlerteam, dem unter anderem der DNA-Entzifferungsexperte George Church von der Harvard University angehört. Eine erste Präsentation ihres Konzepts veröffentlichten sie jetzt auf dem Preprint-Server arXiv.

Mit ihrem Apparat wollen sie die Suche nach den ominösen und in ihrer Existenz umstrittenen WIMPs vorantreiben: den so genannten "Weakly-Interacting Massive Particles", also schwach interagierenden massereichen Teilchen, aus denen Dunkle Materie laut der gängigsten Theorie besteht. Bislang werden dazu üblicherweise unterirdische Detektoren eingesetzt, die die extrem seltenen Kollisionen von WIMPs mit Atomen des Detektormaterials registrieren können. Zurzeit sind sie allerdings nur in der Lage anzuzeigen, ob Kollisionen stattfanden oder nicht.

Um zusätzlich auch die Richtung aufzeichnen zu können, aus der ein WIMP eintrifft, wurden bereits Anlagen vorgeschlagen, die kubikkilometergroße Gasvolumina aufweisen, erläutern die Forscher. Ihrem DNA-Detektor soll das Kunststück hingegen in einer Box von einem Meter Seitenlänge gelingen. Dabei würden rund ein Kilogramm Gold und 100 Gramm DNA verbaut.

Ihre Idee sieht vor, Abertausende von DNA-Strängen an eine sehr dünne Goldfolie zu heften und straff zu ziehen. Trifft nun ein WIMP auf die Folie und schlägt es dort einen Atomkern heraus, rast dieser wie ein Geschoss durch den DNA-Wald und schneidet einzelne Stränge unterschiedlicher Länge ab. Die Schnipsel fallen in eine stündlich zu leerende Auffangvorrichtung und werden anschließend vervielfältigt und sequenziert. Durch den Vergleich mit der Ursprungssequenz sollte sich die Position des Strangbruchs auf den Nanometer genau bestimmen lassen. Versieht man zusätzlich alle Stränge mit einer eindeutigen Kennzeichnung an ihrer Spitze, lässt sich bestimmen, an welcher Stelle der Folie sich der Schnipsel ursprünglich befand.

Hunderte oder Tausende dieser Detektorschichten sollen schließlich zu einer Art Buch gestapelt werden, so die Forscher, wobei Kunststofffolie die Lagen voneinander trennt. Diese Zwischenschicht sorgt für die Richtungsempfindlichkeit: Trifft das WIMP von der "falschen" Seite aus auf den DNA-Wald und die Goldfolie, wird der Goldatomkern von der Kunststofffolie zurückgehalten, und es fallen keine Schnipsel ab.

Der Nachweis der Richtung könnte sich als wichtiger Erfolgsfaktor bei der Suche nach Dunkler Materie erweisen: Um WIMPs von unerwünschten Hintergrundereignissen wie beispielsweise dem Auftreffen kosmischer Strahlung unterscheiden zu können, suchen Wissenschaftler mit herkömmlichen Detektoren nach jahreszeitlichen Schwankungen im Auftreten der mutmaßlichen WIMPs.

Der Grundgedanke ist dabei, dass das Sonnensystem wegen seiner Bewegung um das Milchstraßenzentrum einer Art "Fahrtwind" aus Dunkle-Materie-Teilchen ausgesetzt ist. Je nachdem, wo sich die Erde bei ihrem jährlichen Lauf um die Sonne gerade befindet, müsste sie diesen Wind mal stärker und mal schwächer spüren, was sich dann wiederum im Detektor niederschlägt. Weil andere Störquellen aus allen Richtungen gleich stark eintreffen dürften, sollten sie infolgedessen keinerlei zeitlichen Schwankungen unterliegen.

Eine erweiterte Variante dieses Nachweisverfahrens setzt auf tägliche Schwankungen und berücksichtigt dabei – nach genau demselben Prinzip – die Drehrichtung der Erde selbst. Genau diesen Tageseffekt hatten die Forscher bei der Konzipierung ihres richtungssensitiven Systems im Sinn. Die Kombination beider – letztendlich nur indirekter – Messverfahren dürfte die Hinweise auf die Existenz der WIMPs weiter validieren.

Die nächste Generation des DNA-Detektors soll sich dann laut Plan die ungeheuer große räumliche Auflösung des Mechanismus zu Nutze machen und auf diese Weise zwischen WIMPs und Hintergrundeffekten unterscheiden. Teilchen der kosmischen Strahlung würden sich beispielsweise dadurch verraten, dass sie gleich mehrere Seiten des "Buchs" durchschlagen, schreiben die Forscher. Eine detaillierte Analyse der Schneisen, die die Goldatomkerne durch den DNA-Wald schlagen, könnte darüber hinaus helfen, die Eigenschaften des oder der WIMPs näher zu bestimmen.

Bis es so weit ist, müssen die Entwickler allerdings noch eine ganze Anzahl technischer Hürden überwinden. Idealerweise sollten die Erbgutstränge beispielsweise eine Länge von 10 000 Basen haben, um zu gewährleisten, dass der Goldatomkern durch den DNA-Wald vollständig gestoppt wird. Derzeit kommerziell erhältliche Stränge haben hingegen eine Länge von 250 Basen. Auch das Strammziehen der zum Aufkringeln neigenden Stränge dürfte keine einfache Aufgabe sein. Und schließlich müssten noch umfangreiche Testreihen durchgeführt werden, um das Verhalten der energiereichen Teilchen im DNA-Wald besser verstehen zu können.

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